Weihnachtsmarkt: "Wer hier in einer Bude steht, macht alles selbst"

Kristin Bargholz
Die Glasdreherin Kristin Bargholz bei der Arbeit auf dem Bremer Schlachte-Zauber: "Einhörner sind dieses Jahr der Renner." Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Ohne Weihnachtsmarkt und Schlachte-Zauber wüssten viele Schaustellerinnen und Kunsthandwerker kaum, wie sie über den Winter kämen. Warum das so ist, verraten sie hier.

Wer auf Bremens Weihnachtmärkten arbeitet, ist meist aus besonderem Holz geschnitzt. "Mein Vater ist Ritter", sagt Václav Hata. Der 36-Jährige steht in schwerem Ledermantel und mittelalterlicher Fellmütze hinter der Verkaufstheke einer der vielen Buden auf dem Bremer Schlachte-Zauber. "Glaszauberey" steht auf dem Holzverschlag.

Kristin Bargholz zeigt eines ihrer Glaseinhörner
Die Kunsthandwerkerin Kristin Bargholz zeigt eines ihrer Glaseinhörner. Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Die Zauberin ist seine Lebensgefährtin, Kristin Bargholz. Mit ihren zwei großen runden Schutzbrillengläsern und der riesigen Fellmütze wirkt die 29-Jährige, als wäre sie aus einem Phantasieroman gepurzelt. In den Brillengläsern spiegelt sich das leise fauchende Feuer eines Bunsenbrenners, mit denen sie zwei Glasstäbe an den Spitzen schmilzt. Die Glasfäden dreht sie zu kleinen Miniaturen, während ihr vor der Bude ein paar Kinder gespannt bei klirrender Kälte zusehen. "Einhörner sind dieses Jahr der Renner", sagt sie und lacht.

Wer keine Einhörner hat, hat verloren!

Kristin Bargholz Glasdreherin auf dem Bremer Schlachte-Zauber

Zum Kunsthandwerk kam sie, als sie vor rund zehn Jahren Václav Hata auf einem Mittelaltermarkt kennenlernte. Hata, dessen Vater dort mit seiner Rittertruppe auftrat, half dort als Tontechniker aus.

Schlachte-Zauber ist wichtige Einnahmequelle

"Einer der Ritter hatte auch einen Stand mit mundgeblasenem Glas", sagt er. Als er und Kristin auf einem der Mittelaltermärkte am Stand aushielfen, sei das Feuer für die Glasmacherei entfacht worden. "Mit dem Geld, das wir dort verdient haben, bauten wir unsere erste eigene Bude und fingen dann klein an", sagt Hata.

2018 hatte das Paar seinen ersten Weihnachtsstand an der Schlachte. Über das Jahr gesehen, reichten die Einnahmen den beiden bald, um ganz vom Kunsthandwerk zu leben – dann machte ihnen Corona einen Strich durch die Rechnung.

Inzwischen sind sie von April bis Oktober wieder an drei Wochenenden im Monat unterwegs, gemeinsam mit vielen anderen Kunsthandwerkern, die wie sie ihr Hobby zum Beruf gemacht haben.

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Der Schlachte-Zauber ist wohl für alle von ihnen die wichtigste Zeit im Jahr. "Je nach Laune der Menschen und je nach Wetter machen wir hier ganz grob ein Drittel bis zur Hälfte unserer Umsätze", sagt Hata. Es bedeute aber auch vier Wochen Leid. "Auch wenn es ein gutes Leid ist", fügt er hinzu. Denn so wie die anderen Kunsthandwerker auch, könne sich niemand hier Mitarbeiter leisten.

Wer hier in einer der Buden steht, macht alles selbst.

Václav Hata, Standbetreiber auf dem Bremer Schlachte-Zauber

Budenpersonal kommt aus dem Ausland

Anders sieht es bei den Gastronomen aus. Am Bratwurststand von Susanne Keuneke auf dem benachbarten Weihnachtsmarkt zum Beispiel geht es nicht ohne helfende Hände. Für ihr Personal bucht sie von Oktober bis Dezember sogar eine Wohnung.

Buden und Kinderkarussell auf dem Bremer Weihnachtsmarkt
2023 zahlen Betreiber von Karussellen auf dem Bremer Weihnachtsmarkt 13,73 Euro pro Quadratmeter, Zulagen für besondere Standorte ausgenommen. Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Der Grund: Ihr Team für den Weihnachtsmarkt reist seit rund 15 Jahren aus Polen an. "Es ist einfach schwer, in Bremen und umzu Arbeitskräfte zu finden, die das vier Wochen am Stück machen wollen", sagt sie. Bezahlt wird, wie bei anderen Schaustellern auf dem Weihnachtsmarkt auch, in der Regel Mindestlohn. Bei erfahrenen Kräften kann es auch etwas mehr sein. "Meine Mannschaft bekommt, inklusive Kost und Logis, so um die 17 Euro die Stunde", schätzt Keuneke.

Das Smartphone der 57-Jährigen steht so gut wie nie still. Als Vorsitzende des Vereins der Schausteller und Marktkaufleute ist sie Ansprechpartnerin für jeden und jede. Allein die Weihnachtsmarkt-Whatsapp-Gruppe zählt 142 Namen von Schaustellern und Kunsthandwerkerinnen. "Das Schöne in Bremen ist, dass sich Schausteller und Kunsthandwerker hier die Waage halten", sagt sie. Keuneke hält Bremen daher für einen guter Fleck zur Weihnachtszeit. Das wiederum sei jedoch auch dringend nötig. Denn viele Schausteller kämen ohne die zusätzlichen Einnahmen des Weihnachtsmarktes nur noch schwer über die Runden.

Viele Schausteller müssen im Weihnachtsgeschäft Speck ansammeln, um über die Wintermonate zu kommen, bis mit der Osterwiese und anderen Volksfesten wieder die Saison beginnt.

Susanne Keuneke, Vorsitzende des Vereins der Schausteller und Marktkaufleute

So betreibt die Bremer Schaustellerfamilie Vespermann im Sommer den Breakdancer und zur Weihnachtszeit Buden für Christbaumkugeln, Räuchermännchen und Feuerzangenbowlen. Auch die Bremer Schaustellerfamilie Renoldi fährt seit vielen Jahren zweigleisig. Während der Volksfestsaison betreibt sie Bierzelte in Bremen, Stuttgart und München. Auf dem Bremer Weihnachtsmarkt betreibt sie Stände für Glühwein, Feuerzangenbowle und Kartoffelpuffer.

Ein Viertel der Einnahmen im Weihnachtsgeschäft

Nina Renoldi
Nina Renoldi an ihrem Kartoffelpufferstand auf dem Bremer Weihnachtsmarkt. Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

"Weihnachten macht für uns ganz grob ein Viertel der Jahreseinnahmen aus", sagt Nina Renoldi, die ihren Kartoffelpufferstand in der Weihnachtszeit auf dem Bremer Marktplatz betreibt. Seit 1971 gibt es ihn, mit 18 Jahren übernahm sie ihn von ihren Eltern. "Mittlerweile hat der Weihnachtsmarkt so eine Bedeutung, dass es ohne ihn gar nicht mehr ginge", sagt die 46-Jährige.

Damit ihr Laden läuft, braucht sie in den 27 bis 34 Tagen, die der Bremer Weihnachtsmarkt dauert, im Durchschnitt sieben Mitarbeitende. Fünf davon gehören zum festen Team, das auch die Festzelte in Bremen, Verden und Stuttgart mit organisiert. "Die reisen mit mir das ganze Jahr", sagt Renoldi. Im Sommer beschäftigt sie zusätzlich noch mehr als fünfzig Saisonkräfte, um zu kellnern.

Hohe Stromkosten für Bremer Budenbetreiber

Zu Weihnachten setzt sie hingegen nur auf Bremen. "Für andere Standorte bekäme ich nicht genügend Personal." Mit ihrer Verkaufsfläche zahlt sie netto rund 2.600 Euro Standgebühren – die Stromkosten sind da allerdings nicht eingerechnet. "Die Stromkosten sind hier leider eine Katastrophe", sagt sie. Während sie in Stuttgart zuletzt 26 Cent gezahlt habe, seien es in Bremen derzeit 76 Cent je Kilowattstunde.

Dennoch ist sie zufrieden. "Die Gemeinschaft zwischen den Schaustellern und Kunsthandwerkern ist toll. Ich freue mich das ganze Jahr auf den Weihnachtsmarkt."

Vom Aufbau bis zur Schließung: Ein Tag in einer Bremer Weihnachtsbude

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. November 2023, 19:30 Uhr