Infografik

Stalking: Hat sich etwas seit der Gesetzesänderung verbessert?

Eine Frau beobachtet durch eine geschlossene Jalousie nach einem Stalking-Anruf die Straße vor ihrem Haus
Im Oktober 2021 wurde das Stalking-Gesetz verschärft. Hat das aber den Betroffenen etwas gebracht? (Symbolbild) Bild: dpa | Jens Büttner

Seit Oktober 2021 ist das neue Stalking-Gesetz in Kraft. Doch welche Folgen hat es für Betroffene gehabt? So sehen es Bremer Fachleute.

Rund anderthalb Jahre ist es her, seit das Gesetz gegen Stalking verschärft wurde. Am 1. Oktober 2021 traten die Änderungen in Kraft. Doch was hat es gebracht? Haben die Neuerungen ihr Ziel erreicht – oder eher verfehlt? Das sagen Behörden und Experten:

Was hat sich 2021 geändert?

Zum einen sind die Anforderungen gesenkt worden, damit Nachstellung als Straftat gilt. So musste das Stalking-Verhalten davor "beharrlich" sein und potenziell "schwerwiegende" negative Folgen für das Leben des Opfers haben können. Jetzt genügt es, wenn das Verhalten "wiederholt" und die Folgen "nicht unerheblich" sind.

Neben diesen sprachlichen Anpassungen im Text sind neue Straftatbestände hinzugefügt worden. So ist jetzt das Cyberstalking durch sogenannte Stalking-Apps im Gesetz erfasst, mit denen die Täter etwa die Bewegungen des Opfers verfolgen können. Oder das Vortäuschen der Identität des Opfers in sozialen Netzwerken, um Bilder und Nachrichten zu veröffentlichen. Außerdem kann die Justiz in besonders schwerwiegenden Fällen eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängen. Früher waren es maximal drei.

Was wollte man damit erreichen?

Die Regierung zielte mit dem verschärften Gesetz auf eine bessere Strafbarkeit von Stalking hin. Konkret ausgedrückt: Täter sollten leichter vor Gericht landen können und auch verurteilt werden, damit die Opfer einen besseren und schnelleren Schutz erfahren. Auch sollen Betroffene effektiver gegen ihre Peiniger vorgehen können. "Wir wollen, dass sich Betroffene gegen diese Taten künftig besser zur Wehr setzen können und Stalking-Fälle öfter vor Gericht kommen" sagt Ex-Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Täterinnen und Täter müssten konsequent zur Verantwortung gezogen werden. "Dazu senken wir die bisherigen hohen Hürden im Straftatbestand deutlich", so Lambrecht.

Wie hat sich das neue Gesetz auf die Zahlen ausgewirkt?

Was die Anzahl der Anzeigen betrifft, bei denen die Bremer Polizei ermittelt hat, hat sich seit der Gesetzesänderung nicht so viel getan. Wie ein Vergleich der letzten fünf Jahre zeigt, liegen die Schwankungen im üblichen Umfang. 2022 gab es 260 Fälle von Stalking, 2018 waren es 270. In den ersten drei Monaten des Jahres 2023 hat es weiterhin einen Rücklauf im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahrs gegeben, wie die Polizei mitteilt. Insgesamt könne sie aber noch nicht bewerten, ob und wie sich das neue Gesetz konkret ausgewirkt hat.

Hier können Sie sich externe Inhalte (Text, Bild, Video…) von Datawrapper anzeigen lassen

Stimmen Sie zu, stellt Ihr Browser eine Verbindung mit dem Anbieter her.
Mehr Infos zum Thema Datenschutz.

Hinweis zur Grafik: Die Zahlen stammen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik. Dabei werden nur die Fälle erfasst, in denen die Ermittlungen der Polizei abgeschlossen sind und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden. Das kann dazu führen, dass einige Straftaten erst später erfasst werden.

Was die Zahl der Prozesse betrifft, gab es 2022 in Bremen 267 Ermittlungsverfahren, in denen Stalking in Verbindung mit einer Ehe oder Lebensgemeinschaft als Straftat vermutet wird. 2018 waren es 229. Das teilt die Bremer Staatsanwaltschaft mit. Einen Höhepunkt in den letzten fünf Jahren gab es allerdings 2020 mit 328 Verfahren. Es ist also aus den Zahlen nicht wirklich erkennbar, ob die jüngste Gesetzesänderung Auswirkungen gehabt hat.

Ermittlungsverfahren wegen Stalking in der Partnerschaft in Bremen

Hier können Sie sich externe Inhalte (Text, Bild, Video…) von Datawrapper anzeigen lassen

Stimmen Sie zu, stellt Ihr Browser eine Verbindung mit dem Anbieter her.
Mehr Infos zum Thema Datenschutz.

Hat die Gesetzesänderung den Opfern etwas gebracht?

Hier gehen die Meinungen der Experten auseinander. Für Dietmar Heubrock, Rechtspsychologe, haben die Änderungen durchaus positive Auswirkungen gehabt. Insgesamt hätte das Stalking-Gesetz möglicherweise eine abschreckende Wirkung auf die Täter. Und die Betroffenen hätten jetzt das Gefühl, sich dagegen besser wehren zu können.

Ich habe den Eindruck gewinnen können, dass sie nicht mehr so hilflos sind. Dass sie das Gefühl haben: 'Ich kann dagegen etwas tun, weil es den Stalking-Paragraf gibt'.

Der Rechtspsychologe Dietmar Heubrock im Interview bei buten un binnen.
Dietmar Heubrock, Rechtspsychologe

Anders sieht es Suzan Zilleßen, die bei der Bremer Beratungsstelle Stalking-Kit arbeitet. "In meiner Tätigkeit im Stalking-Kit konnte ich bislang keine Veränderungen wahrnehmen", sagt die Psychologin.

Täter lassen sich durch eine Strafverschärfung nicht abschrecken. Eine Strafverschärfung ändert nichts am Verhalten der Beschuldigten.

Suzan Zilleßen, Psychologin

Für Sahhanim Görgü-Philipp, Grüne-Parlamentarierin und Traumafachberaterin beim Bremer Verein Neue Wege, hat die Gesetzesverschärfung einen gesellschaftlichen Effekt gehabt. Und zwar die Anerkennung der Straftat selbst, auch auf sprachlicher Ebene, sowie eine gewisse Erleichterung aus Betroffenensicht. Allerdings sei der Weg bis zu einer Anzeige immer noch lang.

Die emotionale Belastung ist sehr groß. Viele Betroffene sind sich nicht sicher, ob sie Anzeige stellen sollen. Der Weg dahin ist immer noch lang und steinig. Die Ambivalenz ist groß.

Sahhanim Görgü-Philipp, Fachberaterin und Bürgerschaftsmitglied

Junge Bremerhavener Autorin schreibt über Stalking

Bild: Radio Bremen

Mehr zum Thema:

Autorin

  • Serena Bilanceri
    Serena Bilanceri Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 18. April 2023, 19:30 Uhr