Fragen & Antworten
Wie Lehrkräfte an Bremens Schulen Schüler bestrafen dürfen
Eine Grundschulrektorin wurde freigestellt. Zuvor hatten ihr Eltern vorgeworfen, Schüler zu hart bestraft zu haben. Wie weit dürfen Lehrer bei der Bestrafung von Schülern gehen?
Zu oft und zu hart habe sie Schülerinnen und Schüler bestraft. Das behaupten Kinder, Eltern sowie Kolleginnen und Kollegen. Sie werfen der Schulleiterin der Bremer Grundschule Stader Straße unter anderem vor, selbst kleine Kinder für marginale Verspätungen zum Nachsitzen verdonnert zu haben. Die Schulbehörde hat sie inzwischen freigestellt. Es handele sich bei der Freistellung aber um keine disziplinarische Maßnahme, stellt Behörden-Sprecherin Patricia Brandt fest.
Brandt sagt auch, dass die Maßnahme unter anderem dem Ziel diene, "den derzeit deutlich gestörten Schulfrieden wiederherstellen zu können". buten un binnen hat die Schulbehörde und den Kinderschutzbund Bremen gefragt, inwiefern Lehrerinnen und Lehrer Kinder im Land Bremen bestrafen dürfen und wo die Grenzen liegen.
Dürfen Lehrer Schüler nachsitzen lassen und ihnen Strafarbeiten aufbrummen?
Ja. Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. So muss es um Fehlverhalten der Schüler in der Schule oder im schulischen Umfeld gehen. Auch muss die Strafe verhältnismäßig und passend sein. Wenn beispielsweise ein Schüler etwas verschmutzt, wäre eine passende Maßnahme, ihn das Ganze sauber machen zu lassen. Zur Erklärung verweist Bremens Bildungsressort-Sprecherin Patricia Brandt auf Paragraph 2 der Ordnungsmaßnahmenverordnung des Bremischen Schulgesetzes.
Dort steht: "Jede Lehrkraft kann in Ausführung der ihr obliegenden Aufsicht einen Schüler oder eine Schülerin mit Aufgaben beauftragen, die geeignet sind, ihn oder sie das Fehlverhalten erkennen zu lassen (…) Die Lehrkraft kann anordnen, dass die Aufgaben außerhalb der regulären Unterrichtszeit erfüllt werden."
Allerdings macht die Verordnung einige Einschränkungen: "Bei Ordnungsmaßnahmen sind die Erziehungsberechtigten soweit wie möglich einzubinden" – und zwar möglichst vor der Entscheidung, unbedingt aber so schnell wie möglich.
Was für Schulstrafen sind verboten?
Insbesondere alle Formen von körperlicher und seelischer Gewalt. Aus diesem Grund ist es Lehrkräften beispielsweise auch verboten, Schülerinnen und Schüler anzuschreien, teilt das Magazin "Streitlotse" der Rechtsschutzversicherung Advocard mit. Auch verletze ein Lehrer, der einen Schüler anschreie, eventuell dessen Persönlichkeitsrechte. Allerdings sei Anschreien nicht gleich Anschreien. Man müsse für die Bewertung eines solchen Vorfalls beispielsweise berücksichtigen, ob und inwiefern die Lehrkraft den Schüler zuvor bereits ermahnt hat.
Verboten ist laut "Streitlotse" auch der berühmte Eintrag ins Klassenbuch – zumindest dann, wenn das Buch offen im Klassenraum liegt, sodass es alle einsehen können. Denn in diesem Fall handele es sich bei dem Eintrag um einen Verstoß gegen den Datenschutz.
Darf eine Lehrkraft einem Schüler das Mittagessen verbieten und ihn stattdessen nachsitzen lassen?
Genau das soll die Rektorin der Grundschule Stader Straße getan haben. Sollte es wirklich so sein, so hätte sie ihre Kompetenzen damit nicht nur nach dem Schulgesetz überschritten. So sieht Yann Fingerhut vom Jugend- und Kinderrechtebüro des Kinderschutzbunds Bremen darin auch einen Verstoß gegen die Kinderrechte.
"So etwas ist menschlich nicht in Ordnung", fügt er hinzu. Fingerhut legt in diesem Zusammenhang allerdings Wert auf die Feststellung, dass er nicht dabei gewesen ist und man die Untersuchung der Vorfälle an der Stader Straße abwarten müsse, ehe man die Rektorin verurteile. Davon unberührt stellt Fingerhut die Sinnhaftigkeit von Schulstrafen grundsätzlich in Frage: "Ich stehe dem kritisch bis ablehnend gegenüber. Ich bezweifle, dass das etwas bringt."
Darf ein Schulleiter oder eine Schulleiterin Schüler härter bestrafen als andere Lehrkräfte?
Unter Umständen müssen sie das sogar. Genauer: Lehrkräfte müssen die Schulleitung laut Bremischem Schulgesetz über größere Ordnungsmaßnahmen informieren oder gar einbeziehen. Dann etwa, wenn sie einen Schüler für den Rest eines Schultags vom Unterricht ausschließen. Soll der Schüler für mehrere Tage vom Unterricht ausgeschlossen werden, muss die Schulleitung zustimmen.
Andere, tiefer greifende Entscheidungen kann die Schulleitung gemeinsam etwa mit Klassenlehrern oder der Lehrerkonferenz treffen. Zum Beispiel, dass ein Schüler infolge seines Fehlverhaltens in eine andere Klasse oder Lerngruppe kommt. Oder dass ein Schüler gar aufgrund wiederholten Fehlverhaltens und nach einem schriftlichen Verweis die Schule wechseln muss.
Angenommen: Eltern haben das Gefühl, dass ihrem Kind in der Schule Unrecht geschieht. Wie können sie sich wehren?
Laut "Streitlotse" können Eltern, die eine gegen ihr Kind verhängte Strafe unverhältnismäßig finden, dagegen Widerspruch beim Verwaltungsgericht einlegen. Ordnungsmaßnahmen, die meist mit größerem Vorlauf verhängt werden, würden durch den Widerspruch zunächst aufgeschoben.
Zwar könnten Eltern auch kleineren Erziehungsmaßnahmen wie dem Nachsitzen juristisch widersprechen. Es empfehle sich aber, zunächst das Gespräch mit der Schule zu suchen und eventuell eine Mediation in Erwägung zu ziehen.
Das Bremer Bildungsressort steht auf dem Standpunkt: "Beschwerden haben zunächst dort zu beginnen, wo sie auftreten." So steht es auf einer Website, auf der das Ressort einen Beschwerdeweg vorschlägt. Dort empfiehlt das Ressort zunächst, das Gespräch mit der betreffenden Lehrkraft und als letztes Mittel den Gang zur Schulaufsicht. Auch verweist das Ressort auf die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren Bremen (ReBUZ).
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 25. November 2024, 20 Uhr