Interview

Wieso ein Gesetz für Bremer Schottergarten-Besitzer teuer werden kann

Ein Schottergarten an einem Wohnhaus (Symbolbild)
Bilder wie dieses sollen in der Stadt Bremen künftig nicht mehr zu sehen sein. Die Stadt hat Schottergärten den Kampf angesagt. Bild: Imago | Chromorange

Die Stadt Bremen hat Schottergärten den Kampf angesagt: Die Bürgerschaft stimmt über ein Gesetz ab, das Eigentümer zum Rückbau zwingt. Bald könnte es auch in Bremerhaven greifen.

Bremen verschärft sein "Ortsgesetz über die Begrünung von Freiflächen und Flachdachflächen". Die Gesetzesnovelle sieht unter anderem vor, dass Hauseigentümer auch bereits bestehende Schottergärten entfernen und die so gewonnenen Flächen bepflanzen müssen. Die städtische Baudeputation hat den entsprechenden Gesetzesentwurf bereits durchgewunken. Am 15. Februar wird die Deputation für Klima, Umwelt, Landwirtschaft und Tierökologie über das Gesetz abstimmen, vielleicht noch in diesem Monat, wohl spätestens aber im März die Bürgerschaft. Die Zustimmung gilt als sicher.

Dabei hat der Gesetzesentwurf auf den Social-Media-Kanälen von buten un binnen bereits für Diskussionen gesorgt. Ralph Saxe, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, hat das Gesetz mitinitiiert. Wir haben mit ihm über die Hintergründe gesprochen.

Sollte die Bürgerschaft dem Entwurf für das neue Bremer Begrünungsortsgesetz zustimmen, so müssen Hauseigentümer der Stadt Bremen Schottergärten von mehr als zehn Quadratmetern Größe spätestens 2026 entfernen, entsiegeln und bepflanzen. Herr Saxe, weshalb braucht Bremen ein derartiges Gesetz?

Wir leben in Zeiten der Klimakrise und auch der Anpassung daran, da sich die Klimakrise nicht mehr vollständig aufhalten lässt. Auch unsere Enquete-Kommission hat sich entsprechend geäußert. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wir müssen uns schnell an das anpassen, was kommt. Ich denke etwa an Hitzeperioden und Starkregen. Dort, wo Pflanzen wachsen, ist es kühler als auf Schotter und Asphalt. Außerdem können Pflanzen und die Erde, auf der sie wachsen, Wasser aufnehmen und speichern. Versiegelte Flächen dagegen leiten Wasser nur um, was bei Starkregen zu Überschwemmung beitragen kann.

Um es klarzustellen: Im Neubau gilt das Verbot von Schottergärten wie die Begrünungspflicht von Flachdächern ab 50 Quadratmetern nach Inkrafttreten. Für den Bestand von Schottergärten gibt es eine Übergangsphase bis zum 31.12.2026.

Hinzu kommt, dass wir weltweit eine große Biodiversitätskrise haben. Das heißt: Der Insektenschutz und generell der Artenschutz sind heute noch wichtiger als zuvor. Auch deshalb, um den Insekten Lebensräume zu bieten, benötigen wir mehr Grünflächen in der Stadt. Dass unbebaute Flächen grundsätzlich zu begrünen sind, ist auch gar nichts Neues. Es steht im Prinzip bereits in unserer Landesbauordnung.

Ralph Saxe vor seinem Computer, auf dem eine Wallring-Präsentation geöffnet ist
Hält nichts von Schottergärten: Ralph Saxe. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Aber hat Bremen überhaupt das Recht dazu, so etwas wie den Rückbau eines Schottergartens von einem Hauseigentümer zu verlangen? Es geht hierbei doch um Privatgrund und nicht um öffentliche Flächen.

Im Grundgesetz, in Paragraph 14, heißt es: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Das bedeutet doch wohl, dass man eben nicht mit seinem eigenen Grundstück machen kann, was man will, sondern dass Eigentümer eine besondere gesellschaftliche Verantwortung haben. Es ist aber nicht verantwortungsvoll, seinen Garten zu schottern. Es ist sogar mit Hinblick auf die Klimaanpassung unverantwortlich: Das Wasser kann dort nicht ablaufen, der Garten heizt sich auf, und es können sich dort keine Insekten oder andere Tiere und Pflanzen ausbreiten.

Ihr Gesetz verlangt von Hausbesitzern sogar, bereits bestehende Schottergärten zurück zu bauen. Die Kosten, die anfallen, um Schotter im größeren Umfang entfernen und abtransportieren zu lassen, können erheblich sein. Auch das anschließende Begrünen der betroffenen Flächen kostet unter Umständen viel Geld. Welche finanziellen Hilfen für die betroffenen Immobilienbesitzer sieht Bremen vor?

Es wird keine Zuschüsse für den Rückbau von Schottergärten geben. Wir wollen aber auch keine Schotterpolizei einführen, die mit Maßbänden ausrückt, um die Vorgärten Bremens dahingehend zu vermessen, ob sie nun zehn Quadratmeter Schotterfläche fassen oder ein bisschen mehr. Wir wollen mit den Leuten reden. Jeder Eigentümer investiert laufend in seine private Immobilie. Das hat etwas mit dem verantwortlichem Umgang mit seinem Eigentum zu tun. Wenn nun also jemand sagt: Ich kann es mir gerade nicht leisten, den Schottergarten zurück zu bauen, dann wird es eine Einzelfallüberprüfung geben. Es geht nicht um die Bußgeldkeule.

Trotzdem: Manch’ Immobilienbesitzer hat in den vergangenen Jahren erhebliche Summen investiert, um einen Schottergarten anzulegen. Jetzt soll er dazu verpflichtet werden, ihn auf eigene Kosten zu entfernen. Mit wie vielen Klagen rechnen Sie deswegen?

Natürlich ist der Rechtsweg immer offen. Aber: In Niedersachsen, das eine ähnliche Landesbauordnung hat wie wir, hat es gerade ein letztinstanzliches Urteil gegeben zum Thema Schottergärten. Dort hatte jemand dagegen geklagt, dass er seinen Schottergarten zurückbauen soll. Er hat den Prozess verloren. Schottergärten sind im Sinne des Allgemeinwohls nicht zu verantworten. Das betrifft auch den Bestand.

Das neue Gesetz wird zunächst nur in der Stadt Bremen und später auch in Bremerhaven gelten. Was steckt dahinter?

Es handelt sich um ein kommunales Gesetz, das es in Bremerhaven so nicht gibt. Aber wir wollen das Gesetz mit der Landesbauordnung zusammenführen, auch der Einfachheit halber. Und wenn das Gesetz Bestandteil der Landesbauordnung wäre, würde es auch für Bremerhaven gelten. Die Landesbauordnung in ihrer jetzigen Form ist nicht so detailliert und so deutlich wie das Begrünungsordnungsgesetz der Stadt Bremen. Daher unsere Idee, beides zusammenzuführen. Ich glaube: Das könnte etwa bis zur Mitte der nächsten Legislaturperiode geschehen. Dann sollte es auch Regelungen zur Fassadenbegrünung geben.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 9. Februar 2023, 16 Uhr