Fragen & Antworten

Verflucht: Warum Raben und Krähen mit einem schlechtem Ruf kämpfen

Drei Saatkrähen (Corvus frugilegus), Silhouetten, sitzen bei Vollmond auf abgestorbenen Ästen
Bild: Imago

Krähen und Raben haben in unserer Gesellschaft einen schlechten Ruf. Sie werden oft mit Tod assoziiert und gelten als Unglücksbringer. Doch was steckt hinter dem Mythos?

Raben und Krähen spielen in unserer westlichen Kultur in Werken, Legenden und Filmen oft eine ziemlich düstere Rolle. Sei es als mysteriöser, mitternächtlicher Besuch, wie in Edgar Allan Poes bekanntem Gedicht "Der Rabe" von 1845, als dunkler Zauber im Roman "Krabat" von Otfried Preußler oder als unglückseliger Bösewicht wie "Hans Huckebein" von Wilhelm Busch. Doch woher kommt das Mystische rund um Raben? Bremer Expertinnen und Experten geben die Antworten.

Warum ranken sich so viele Mythen um Raben und Krähen?

Raben und Krähen werden häufig mit Tod, Unglück oder Hexerei assoziiert. Mit der Christianisierung galten die Vögel in Europa aufgrund ihrer mythologischen Bedeutung bei den Vorgängerkulten zunehmend als dämonische Wesen beziehungsweise böse Tiere, die Teufel und Hexen begleiteten.

Ein Geier und ein Rabe stehen auf einer Wiese und blicken in dieselbe Richtung.
Zwei Aasfresser seit an seit: Der Kolkrabe (r.) und der Gaensegeier. Bild: dpa | M. Woike

Im Mittelalter konnte eine Frau schon als Hexe verteufelt werden, wenn ihr eine Krähe zu nahe gekommen war. Als Unheilsboten galten Rabenvögel vor allem wegen ihrer Affinität zu Aas und ihres oft massenhaften Auftretens auf Schlachtfeldern und an öffentlichen Hinrichtungsstätten, wo sie sich an den Leichen der Gefallenen und Erhängten bedienten. Darauf geht auch das Wort "Galgenvogel" zurück.

Als Aasfresser werden Raben und Krähen häufig mit dem Tod assoziiert. Dem französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss zufolge erlangte der Rabe mythischen Status, weil er ein Vermittler zwischen Leben und Tod ist, erklärt die Ethnologin und Kuratorin im Bremer Überseemuseum Claudia Roch im Gespräch mit buten un binnen.

Zieht sich der schlechte Ruf der Vögel durch alle Mythologien oder gibt es Unterschiede?

Das negative Image von Raben und Krähen haben sie nicht überall, klärt Roch auf. Aber seit jeher haben Raben und Krähen einen besonderen Platz in der Mythologie verschiedener Kulturen eingenommen. Sie sind Götterboten, Orakel, Heilsbringer, Ratgeber, Wegzeiger, Retter, Nahrungsbringer, Beschützer und sogar Schöpfer der Welt.

In der nordischen Mythologie symbolisiert der Rabe die Weisheit.

Claudia Roch, Ethnologin und Kuratorin Bremer Überseemuseum
Eine Bild mit einem Mann, langer Bart, sitzt auf einem Thron, ein Schild an der Seite. Auf den Schultern jeweils ein Rabe. Unten zwei Wölfe. Die Statue zeigt den Göttervater Odin.
Diese Statue zeigt den Göttervater Odin mit den Raben Hugin und Mugin auf den Schultern. Bild: dpa | Mary Evans Picture Library

So hatte Odin, der Göttervater im nordischen Mythos, stets die beiden Kolkraben Hugin und Munin bei sich, die auf seinen Schultern saßen. Täglich flogen sie hinaus, um überall auf der Welt Neuigkeiten für Odin zu sammeln.

Der Rabe spielt auch in der Mythologie der indigenen Bevölkerung der Nordwestküste Amerikas eine Rolle. So kommt er in der Schöpfungsgeschichte vor, wird jedoch auch oft dargestellt als ein trickreicher Spaßvogel, der anderen gerne Streiche spielt und häufig auch selbst hereingelegt wird. Eine edlere Rolle dagegen nimmt die Krähe ein in der nordamerikanischen Mythologie. "Krähen-Geschichten haben häufig Gerechtigkeit zum Thema", so Roch.

Schnitzerei der Tlingit-Natives am Stamm eines lebenden Baumes weist auf das Terretorium des Raben-Clans hin
Schnitzerei der Tlingit-Natives am Stamm eines lebenden Baumes weist auf das Terretorium des Raben-Clans hin Bild: Imago | blickwinkel

Gibt es einen Unterschied zwischen Raben und Krähen?

Meist sagt man umgangssprachlich zu allen schwarzen Vögeln Raben. Biologisch betrachtet meinen wir damit aber nur eine einzige Art, die Kolkraben. Dies ist die größte Singvogelart. Die Familie der Rabenvögel ist die Obergruppe und dazu gehören sowohl Raben als auch Krähen. Krähen haben zudem mehrere Unterarten: Es gibt die Rabenkrähe, die Saatkrähe sowie die Nebelkrähe, klärt Uta Jürgens auf. Sie ist Sprecherin der Bundesarbeitsgruppe für Rabenvogelschutz des Naturschutzbunds (Nabu).

Was ist dran an Bezeichnungen wie "Rabenmutter", "Rabeneltern" oder "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus"?

Viele Vorurteile, die den Rabenvögeln angedichtet werden, können dem Bereich der Mythen zugeordnet werden und entbehren jeder biologischen Grundlage, betont die Wissenschaftlerin und Nabu-Sprecherin Uta Jürgens. So fußt der Begriff "Rabenmutter" offensichtlich auf der Vorstellung, Raben würden ihre Jungen verhungern lassen oder sie aus dem Nest werfen. Tatsächlich seien Rabeneltern jedoch besonders fürsorglich.

Zwei junge Kolkraben im Nest, einer von ihnen reißt den Schnabel weit auf und bettelt um Fressen
Rabeneltern? Von wegen: Raben sind besonders fürsorglich, doch die Küken verlassen sobald sie fliegen können das Nest. Bild: dpa | J.M. Sanchez & J.L. de Lope

Uta Jürgens erklärt, dass die Floskel "Rabeneltern" sich daraus ableitet, dass Rabenvogel-Küken sogenannte "Nestflüchter" sind. Sobald sie können, verlassen sie das Nest. Da sie jedoch noch nicht fliegen können, hocken sie zunächst auf Ästen. Dies habe jedoch, in Ermangelung vernünftiger biologischer Beobachtungen, den falschen Eindruck vermittelt, dass die Rabenvögel ihre Kinder aus dem Nest treiben und sich nicht um sie kümmern würden. An diesen Bezeichnungen ist also nichts dran.

Die Redewendung "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus", die den Vögeln den Ruf einbrachte, eine Gemeinschaft von Gaunern zu sein, hat ihren Ursprung dagegen wahrscheinlich tatsächlich im Verhalten der Krähen. Wer ihnen in die Quere kommt, dem hacken sie mit ihren Schnäbeln auf die Augen, nur untereinander zielen sie zwar auf den Kopf, aber nicht auf die Augen, erklärt die Ethnologin Claudia Roch.

Rabenvögel gelten als besonders klug – stimmt das?

Jürgens betont, dass Rabenvögel extrem intelligent sind. Schätzungen zufolge sind Rabenvögel so intelligent wie ein vierjähriges Kind. Sie können Werkzeuge herstellen. Beispielsweise können sie aus Draht kleine Häckchen basteln, um Futter angeln zu können. Oder sie lassen Nüsse knacken, indem sie sie mit Absicht auf die befahrene Straße legen, damit sie von den Autoreifen aufgebrochen werden.

Ein Rabe hält eine Walnuss im Schnabel
Raben lassen von Autos Nüsse knacken. Bild: dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Markus Henke von der Landesjägerschaft Bremen ergänzt, dass Rabenvögel ein sehr gutes Gedächtnis haben und sich bestimmte Ereignisse über Jahre merken können. So sind sie in der Lage, sich Nester von Singvögeln genau zu merken. Haben sie in einem Jahr schon einmal erfolgreich eine Brut ausplündern können, "warten" sie bis die zweite Brut da ist, um wieder zuzuschlagen. "Ein von Rabenkrähen oder Elstern entdecktes Nest wird in dem Jahr keinen Bruterfolg haben", so Henke.

Rabenkrähen beobachten genau. Werden sie etwa von einem Jäger bejagt, merken sie sich besondere Merkmale wie beispielweise das Auto des Jägers und sind dann in der Lage einen Zusammenhang herzustellen. Sie schlagen Alarm und fliehen auf große Entfernung, sobald das Auto auftaucht.

In Krähengemeinschaften gibt es jedes Verhalten, was es auch unter Menschen gibt, wie Freundschaften, Partnerschaften, Trost, Trauer, Streit.

Uta Jürgens, Expertin für Mensch-Natur-Beziehungen und Sprecherin der NABU Arbeitsgruppe für Rabenvogelschutz
Zwei Erzraben nebeneinander, einer nimmt eine Art schimpfende Pose ein.
Zwei Erzraben zanken miteinander. Bild: dpa | M. Walch

Gefährden Raben und Krähen andere Wildtiere?

Eine Bedrohung für andere Arten stellen die Rabenvögel erst dann da, wenn die zur Beute gehörenden Tiere bedroht sind oder die Anzahl der Rabenvögel unverhältnismäßig hoch ist. Damit verschiebt sich das natürliche Räuber-Beute-Verhältnis. Beides ist im Land Bremen der Fall, da hier Rabenvögel unter Naturschutz stehen, so Henke.

Gleichzeitig gibt es hier viel mehr Rabenvögel als beispielweise in Niedersachsen auf vergleichbarer Fläche. Der Grund ist, dass zum Beispiel die Rabenkrähe in Bremen nicht bejagt werden darf, in Niedersachsen dies aber erlaubt ist.

Weil die Rabenvögel sich in unserer Kulturlandschaft aber besonders wohl fühlen, vermehren sie sich stark. Die gefährdeten Arten hingegen haben Probleme mit unserer Kulturlandschaft und drohen zu verschwinden, klärt Marcus Henke, Präsident der der Landesjägerschaft Bremen, auf.

Fressen nun die vielen Rabenvögel den Nachwuchs der wenigen, noch verbleibenden geschützten Arten, ist das eine ernsthafte Bedrohung für diese Tiere. Darum müssen Rabenvögel dringend kontrolliert werden, um den geschützten Arten das Überleben zu ermöglichen. In Bremen schaut man da weg und verstößt gegen eigene Naturschutzziele.

Marcus Henke, Präsident der Landesjägerschaft Bremen

Darum sollen Greifvögel in Sottrumer Krähenkolonie Unruhe stiften

Bild: Radio Bremen

Mehr zum Thema:

  • Vögel im Bürgerpark: Naturschutzmaßnahmen für die Bremer Vogelwelt

    Während der "Stunde der Gartenvögel", einer NABU-Aktion, geht es darum, jedes Federvieh im Garten zu dokumentieren, was innerhalb von 60 Minuten auftaucht.

Autorinnen

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 31. Mai 2023, 19:30 Uhr