Interview

Warum Eltern mit Kindern über sexuelle Inhalte im Netz reden sollten

Ein Junge schaut auf einem Bildschirm, auf dem ein großes Stop-Schild vor einer Pornoseite zu sehen ist.
Bild: Imago / Bernhard Classen

Pornografische Inhalte wie Nacktfotos oder Pornos sind im Netz für Kinder und Jugendliche nahezu frei verfügbar. Wie man darüber spricht, erklärt eine Bremer Sexualtherapeutin.

Einer Umfrage zufolge, wissen über 30 Prozent der befragten Eltern der 15- bis 17-Jährigen, das pornografische Inhalte konsumiert werden. Bei den elf bis 14-jährigen Kindern sind es 17 Prozent, so die Umfrage im Auftrag der EU-Initiative "klicksafe". Weitere 19 Prozent der Eltern vermuten es.

Die Kinder kommen oft durch den Freundeskreis in Berührung mit sexuellen Inhalten im Internet. Damit können besonders Kinder sie nicht immer umgehen, so die Bremer Sexualpädagogin Meline Götz. Sie klärt für bunten un binnen auf, wie Eltern ihre Kinder im Netz begleiten sollten und wo man Kinder schützen muss.

Wie spreche ich mit meinem Kind oder Jugendlichen über pornografische Inhalte?

Sobald ich mitbekomme, dass pornographische Inhalte konsumiert oder erhalten werden, muss ich das Thema Porno und Sexualität besprechen – aber eigentlich schon vorher. Wichtig ist, dass Gefühle und Fragen besprochen werden.

Ich möchte aber hier differenzieren: Pornos sind für Kinder unter 14 kein Aufklärungsmaterial, da muss man einschränken und aufklären. Die Art und Weise wie der Kontakt zu Pornos entstanden ist – freiwillig oder unfreiwillig – ist auch entscheidend. Unfreiwillig durch Messenger Gruppen – meist bei Kindern bis 14 – oder es wurde gezielt danach gesucht. Ab 14 und eher noch älter, sollte ich, sobald das Kind oder der Jugendliche Pornos auf eine Art interessant findet, weniger mit Verboten sondern mit sexueller Bildung arbeiten.

Haben Sie konkrete Tipps wie man mit Kindern und Jugendlichen spricht?

Auf keinen Fall sollten Eltern, wenn sie ihren Jugendlichen erwischen, sagen, es sei abartig. Eltern sollen nicht bewerten oder abwerten. Altersgrenzen für die Pornografie müssen thematisiert werden. Bekommt man den Konsum von strafbaren Inhalten wie Gewaltpornografie mit, sollte man das klar ablehnen.

Kinder bis 14 sind oft eher verstört, wenn sie mit pornografischen Inhalten in Berührung kommen, Jugendliche eher interessiert. Kinder kann man eher mit der Beantwortung von Fragen zum eigenen Körper begleiten, bei Jugendlichen kann man eher auf die Beziehungsebene eingehen und auf das Thema Lust. Hier ist es auch wichtig, den Jugendlichen klar zu sagen, dass Pornos nicht die Realität widerspiegeln! 

So manche Eltern fragen sich, was "normal" ist und was man eher laufen lassen kann. Wann sollten Eltern beim Pornokonsum eingreifen?

Schwierig wird es, wenn Jugendliche zu früh Pornos konsumieren, jedoch sehr spät erste sexuelle Erfahrungen machen. Es gibt aber kein "zu spät" bei Sex; es gibt da auch nicht das eine richtige Alter. Pornos können aber das Bild für die erste sexuelle Erfahrung verzerren. Lernt man dann keinen Abgleich mit der Realität, können Porno-Darstellungen ein falsches Bild vermitteln.

Erst in der Pubertät mit der sexuellen Bildung anzufangen, kann zu spät sein. Es fängt im Kindergartenalter an. Es ist gut zu wissen, wenn schon Kinder wissen, sie können Zuhause auf eine altersgerechte Art mit den Eltern über ihren Körper und Sexualität sprechen. 

Knapp die Hälfte der befragten Eltern hat in einer Umfrage angegeben, dass Kinder bis 14 Jahre pornographische Inhalten erhalten. Bei den bis 17-Jährigen sind es 44 Prozent der Eltern, die es wissen. Glauben Sie, viele Eltern wissen nicht, wie schnell Minderjährige mit pornographischen Inhalten in Berührung kommen?

In meiner Wahrnehmung können Eltern das einschätzen. Die Smartphone-Nutzung bringt das mit sich.

Viele Kinder und Jugendliche bekommen Pornos in der Schule unfreiwillig geschickt. Passiert das, reagieren Kinder meist anders als Jugendliche.

Meline Götz, Sexualpädagogin

Eltern sollten mit dem Jugendlichen oder dem Kind in Kontakt bleiben und fragen: Was lösen diese Bilder aus, wie geht es dir damit? Wenn bei Jugendlichen ein starkes Interesse da ist, den eigenen Körper, Sexualität und Lust zu verstehen, kann ich für das Interesse Alternativen anbieten. Es gibt Broschüren, TikToks oder mittlerweile auch gute Sex-Influencer, die aufklären.

Bei einem Kind unter 14 empfehle ich einen anderen Umgang. Da steht eher die Frage im Vordergrund, wie ich das Kind vor möglicherweise verstörenden Bildern schütze. Jugendschutzfilter sind wichtig – Pornos sind nichts für Kinder.

Haben Sie das Gefühl, dass die Thematik in der Beratung über die Jahre zugenommen hat?

Sexualität und Pornografie war immer schon ein Thema. Ich würde nicht sagen, das es zugenommen hat. Eher, dass der Zugang dazu leichter geworden ist. Früher war es die Bravo, heute ist es weit einfacher.

Es ist ein Fakt, dass Jugendliche oder Kinder heute unfreiwillig oder gezielt mit pornografische Inhalten in Kontakt kommen. Sei es über Smartphone oder sexualisierte Werbung.

Meline Götz, Sexualpädagogin

Welche Verantwortungen aufzuklären, sehen Sie bei den Eltern und bei Schulen und anderen Einrichtungen?

Bei vielen Eltern herrscht ganz viel Unwissenheit bei dem Thema Pornos. Es ist teilweise ein Tabu und einige tun sich schwer die richtigen Worte zu finden. Die heutige Eltern-Generation ist teilweise selbst wenig aufgeklärt.

Eltern sollten die sexuelle Bildung im Blick haben und begleiten. Aber Schulen müssen bilden und sexuelle Aufklärung bereitstellen. Es ist also die sexuelle Bildung und das Elternhaus, die eine Rolle spielen. Die Beratung durch Angebote wie durch mich, ist eine zusätzliche "Kann-Leistung".

 Welche Möglichkeiten gibt es, den Konsum einzuschränken?

Ich sehe eine klare Grenze bei Gewalt. Werden Pornos mit Gewalt konsumiert, sollten Eltern sich klar positionieren.

Meline Götz, Sexualpädagogin

In Deutschland ist es nach §184 StGB strafbar Jugendlichen unter 18 Pornografie zugänglich zu machen. Nicht alle Portale halten sich an Altersprüfungen oder die Grenze kann leicht umgangen werden. Bei Kindern und Jugendlichen machen Porno-Sperren im Internet Sinn. Die Tools schränken auch gewaltvolle Pornos ein. Bei Jugendlichen sollten die Filter nicht die Möglichkeit nehmen, generell an Infos rund um Sexualität zu kommen, denn darauf haben Jugendliche ein Recht.

Es gilt: Thematisieren und Aufklären. Pornos sollten aber auch kein Tabu sein. Gewaltvolle Pornos sind strafbar, das muss man klar benennen. Außerdem geht das Thema Pornokonsum mit Medienkompetenz Hand in Hand. Eltern können Handy-freie oder auch Medien-freie Zeiten absprechen.

Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Tag, 6. Februar 2024, 8:44 Uhr