Fragen & Antworten

Paten für jüdische Gräber in Hastedt gesucht: So können Bremer helfen

Darum sucht die jüdische Gemeinde nach Paten für die Grabpflege

Bild: Radio Bremen

Der Jüdische Friedhof Hastedt hoff auf Hilfe aus der Bevölkerung bei der Grabpflege. Wer mitmacht, hilft zugleich dabei, jüdische Geschichte im Bremer Gedächtnis zu halten.

Der Jüdische Friedhof Hastedt ist der ältere der beiden jüdischen Friedhöfe in der Stadt Bremen. Anders als in Riensberg befinden sich dort Gräber von Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde, die vor Ende des Zweiten Weltkriegs gestorben sind. Verwandte haben die meisten dieser Toten heute nicht mehr. Denn viele ihrer Angehörigen wurden von den Nazis in Konzentrationslager verschleppt und umgebracht. Wer aber kümmert sich nun anstelle der Ermordeten um die Pflege der alten Gräber?

Bislang haben die Mitarbeiter des Friedhofs mithilfe einiger älterer Gemeindemitglieder die Grabpflege sicher gestellt. Doch sehen sich viele Helfer aus Altersgründen hierzu nicht mehr in der Lage. Das hat Alexander Tulmann, den Friedhofsverwalter der Jüdischen Friedhöfe in Bremen und Bremerhaven auf eine schöne Idee gebracht: Er möchte die Bremer Bevölkerung mit ins Boot holen, wirbt um Paten für die Grabpflege. Wer helfe, der zeige zugleich, dass ihm nicht egal ist, was in der Nazi-Zeit mit der jüdischen Gemeinde passiert ist. "Wir wollen niemanden beschuldigen. Aber die Leute sollen die Geschichte kennen. Auch dazu können die Bremer beitragen, die uns helfen", sagt Tulmann. So stellt sich die Jüdische Gemeinde das Ganze vor:

Dunkelhaariger Mann gehobenen Alters deutet auf Grabsteine
Friedhofsverwalter der Jüdischen Friedhöfe in Bremen und Bremerhaven: Alexander Tulmann. Bild: Radio Bremen

Muss ich, wenn ich bei der Grabpflege helfen möchte, viel Zeit und Geld investieren?

Nein. Geld ist nicht dazu erforderlich: "Niemand soll hier einen Gärtner beauftragen!", sagt Tulmann. Auch sei kein eigenes Werkzeug für die Grabpflege erforderlich. Denn alles, was man brauche, um die Gräber zu pflegen, etwa Harken, Schubkarren und Bürsten könne man sich auf dem Friedhof ausleihen.

Viel Zeit müsse man für die Grabpflege ebenfalls nicht aufwenden: "Wenn jemand einfach nur beim Spaziergang auf dem Friedhof ein bisschen Laub fegen möchte, dann ist das auch okay", betont der Friedhofsverwalter. Gerade dieser Tage, da die Bäume nach und nach ihr ganzes Laub verlören, wären derartige spontane Einsätze eine große Hilfe. "Jeder, der mitmachen will, ist willkommen", so Tulmann.

Gleichwohl hofft er, dass sich zusätzlich zu denen, die einmalig helfen möchten, ein paar Paten für die Gräber finden: also Bremerinnen und Bremer, vielleicht auch ganze Familien, die ein oder mehrere Gräber kontinuierlich pflegen möchten. Gerade so, als handele es sich um Gräber eigener Angehöriger.

Muss ich mich irgendwo anmelden, eintragen oder registrieren, wenn ich bei der Grabpflege helfen oder vielleicht sogar die Patenschaft eines Grabes übernehmen möchte?

"Nein. Dafür brauchen wir keine Formulare", stellt Friedhofsverwalter Alexander Tulmann klar. Wer bei der Pflege der Gräber auf dem Jüdischen Friedhof Hastedt helfen wolle, könne einfach während der Öffnungszeiten vorbeikommen und loslegen (derzeit täglich von 9 bis 16 Uhr, im Sommer von 8 bis 16 Uhr). Das gelte für die Paten von Gräbern ebenso wie für alle, die nur gelegentlich mittun wollten und dabei mal dieses mal jenes Grab im Blick hätten.

Frau säubert Grabstein auf Friedhof mit Bürste
Ob mit oder ohne Bürste: Jeder darf selbst entscheiden, wie er die Gräber auf dem Jüdischen Friedhof in Hastedt pflegen möchte. Bild: Radio Bremen

Woran kann man erkennen, ob ein Grab bereits von anderen gepflegt wird oder nicht?

Von den mehr als 900 Gräbern auf dem Hastedter Friedhof stammen etwa 800 aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Dies seien zugleich jene Gräber, die der Pflege bedürften, weil die Angehörigen der betreffenden Toten von den Nazis umgebracht wurden, sagt Tulmann. Ob sich bereits jemand um ein Grab kümmert, kann man daran erkennen, ob Kieselsteine auf dem Grabstein liegen oder nicht. "In Israels Wüste gibt es kaum Blumen, aber Steine. Deshalb schmücken wir Gräber symbolhaft mit Steinen", erklärt der Friedhofsverwalter. Steine seien zugleich ein Symbol für die Ewigkeit.

Auch Bremer, die sich neu dazu entschließen, ein Grab zu pflegen, werden gebeten, das Grab zu kennzeichnen, indem sie einen oder mehrere Steine auf das betreffende Grab legen – einen Stein pro Generation, die in dem Grab liegt. Wie das Werkzeug zur Grabpflege, so sind auch geeignete Kieselsteine vor Ort vorhanden.

Unabhängig davon, ob ein Grab bereits von anderen gepflegt wird, stehe es jedem frei, dasselbe Grab ebenfalls zu pflegen, sagt Tulmann.

Mein großer Traum ist, dass ich eines Tages auf den Friedhof komme, und auf jedem Grab liegen Steine.

Friedhofsverwalter Alexander Tulmann
Eine Hand legt einen kleinen Stein auf einen Grabstein
Der Kieselstein auf dem Grabstein sagt dem Betrachter: "Dieses Grab wird besucht." Bild: Radio Bremen

Muss etwas Besonderes beachten, wer den Jüdischen Friedhof Hastedt besucht?

Ja, zumindest die Männer. Sie werden gebeten, eine Kopfbedeckung auf dem Friedhof zu tragen. "Das macht man aus Ehrfurcht vor dem Friedhof, der ein geheiligter Ort ist", erklärt Elvira Noa, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde im Lande Bremen. Dahinter stehe eine Jahrhunderte alte Tradition, nach der die Männer bei jeder religiösen Handlung eine Kopfbedeckung trügen, da sie – anders als die Frauen – traditionell die aktive Rolle bei den Gottesdiensten einnähmen.

Die Art der Kopfbedeckung, so Noa, spiele keine Rolle: "Das kann ein Hut sein oder auch eine Mütze, auch eine Kapuze reicht."

Gibt es für die Grabpflege-Patenschaften des Jüdischen Friedhofs Hastedt ein Vorbild?

Nein, sagt Friedhofsverwalter Alexander Tulmann. Dahinter stecke die Idee, zugleich die Pflege der alten Gräber sicherzustellen und ein Projekt anzustoßen, dass der Vermittlung der jüdischen Geschichte in der Bremer Bevölkerung diene.

Sollte sich das Patenschaftsmodell für die Grabpflege in Hastedt bewähren, so kann sich Tulmann aber gut vorstellen, es auch in Bremerhaven einzuführen. Denn auch auf dem Jüdischen Friedhof Lehe gebe es Gräber aus der Zeit vor 1945, um deren Pflege sich keine Angehörigen mehr kümmern könnten. Zur Zeit dürfe diesen Friedhof aber nur betreten, wer sich zuvor einen Schlüssel ausleihe.

Autorinnen und Autoren

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. November 2022, 19.30 Uhr