Fragen & Antworten

Normales Leben trotz AIDS? So weit ist die Wissenschaft

Eine Frau trägt eine rote Aids-Schleife am Pullover (Symbolbild)
Bild: Imago | YAY Images

In Bremen gibt es kaum noch Menschen, die sich mit HIV infizieren. Obwohl die Krankheit heute behandelbar ist, bleibt die Angst vor der Ansteckung.

Noch bis Mitte der 1990er Jahre galt das HI-Virus als tödlich. Es löst die Immun-Krankheit Aids aus, an der die Betroffenen damals verstarben. Dank des medizinischen Fortschritts ist das inzwischen anders. Freizeit, Job, Sexualität und Familienplanung – auch mit HIV ist das kein Problem mehr. Die Krankheit lässt sich behandeln und die Erforschung des HI-Virus geht voran. Zum Welt-Aids-Tag geben wir einen Überblick auf welchem Stand die Wissenschaft heute ist.

Können Patienten von HIV geheilt werden?

Durch die Corona-Pandemie seien viele HIV-Forschungsprojekte weltweit in den Hintergrund gerückt, erklärt Mario Stara-Flohr, Pressesprecher der Bremer AIDS-Hilfe. Das sei in Teilen ein Rückschlag für das Weiterkommen in dem Bereich. Geforscht würde aber schon lange – seit HIV in den 1980er und 1990er-Jahren aufkam, wird nach einer Heilung gesucht.

Bisher ist es gelungen zwei Menschen mit HIV zu heilen. Eher Zufälle, wie Stara-Flohr erklärt: "Nach einer Knochenmarktransplantation bei an Leukämie erkrankten Personen konnte das Virus im Nachhinein nicht mehr nachgewiesen werden und man spricht von einer Heilung." Alltagstauglich ist diese Behandlungsmethode trotzdem nicht. Eine Knochenmarktransplantation sei teuer und mit hohen Risiken für den Patienten verbunden. Weitere Methoden werden noch erforscht, laut der Deutschen Aidshilfe liefen dazu Ende 2019 etwa 100 Studien, die Wege zu einer vollständigen Heilung untersuchen.

Kann man sich gegen HIV impfen lassen?

Eine Impfung, die vor der Ansteckung mit dem HI-Virus schützt, gibt es noch nicht. Auch in diese Richtung wird noch geforscht und das seit Jahrzehnten. Gefährdete Menschen könnten sich damit zukünftig vor einer Ansteckung schützen. Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs sei schwierig, denn das HI-Virus verändere sich ständig. So würden unzähliche Formen von HIV entstehen, heißt es von der Deutschen Aidshilfe.

Bei der Entwicklung neuer Impfstoffe habe es während der Corona-Pandemie große Erfolge geben, erklärt Stara-Flohr. Die neuen Ansätze könnten auch Fortschritt für die Erforschung des HI-Virus bedeuten. "Es geht also erfreulicherweise hier weiter voran," sagt er, "Wissenschaftler der Firma 'Moderna' haben Anfang 2022 die erste Dosis eines sich in Erprobung befindenden mRNA-Impfstoffs gegen HIV bei freiwilligen Teilnehmern einer Phase-1-Studie verimpft." Das bedeutet, ein Impfstoff, der bis zu diesem Zeitpunkt nur durch Tierversuche getestet wurde, wird zum ersten Mal an gesunden Freiwilligen getestet. In diesem ersten Schritt erproben die Forschenden ob das Medikament sicher und verträglich ist.

Wie leben HIV-Patienten heute mit ihrer Krankheit?

"Wir sprechen heute von einer chronischen Infektion, die einfacher zu behandeln ist als beispielsweise Rheuma oder Diabetes," vergleicht Stara-Flohr. HIV-Patienten können mit einer rechtzeitigen Therapie ein ganz normales Leben führen.

Behandelt werde die Krankheit mit einer Tablette täglich, erklärt Stara-Flohr. Damit erhole sich das Immunsystem der Betroffenen und kann, wie bei einem gesunden Menschen, andere Infektionskrankheiten abwehren. Auch die Familienplanung sei damit kein Problem mehr. Denn: Die Medikation bringt die Viruslast unter die Nachweisgrenze und die Betroffenen sind nicht mehr ansteckend.

Eingeschränkt würden Menschen mit HIV im Alltag nur noch durch Stigmatisierung und Vorurteile, sagt Stara-Flohr. "Auch wenn der medizinische Fortschritt für Betroffene eine normale Lebenserwartung und gesundheitliche Vorteile gebracht hat – die Vorurteile und Stigmatisierung haben sich seit Beginn von HIV/AIDS nicht nennenswert verändert, trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen."

Wie hoch ist die Zahl der HIV-Patienten im Land Bremen?

Die Zahl der Neuinfektionen geht in Bremen seit Jahren zurück. Laut RKI sind es etwa 1.860 Betroffene. Die Mehrheit davon, ca. 1.700 Menschen, sind in antiretroviraler Behandlung, also nicht mehr ansteckend. Es bleibt eine geschätzte Dunkelziffer von Menschen, die noch nichts von ihrer Infektion wissen. Die liegt damit bei 150.

Ein erfreulicher Trend, findet Mario Stara-Flohr. "Im Gegensatz zum Vorjahr sind die Zahlen auch erfreulich, weil sie den Trend bestätigen." Leider ist das noch nicht in allen Betroffenengruppen der Fall. Im Bundestrend zeigt sich, dass die Neuinfektionen durch sexuelle Übertragung zurückgegangen sind. Gestiegen ist dagegen die Zahl der HIV-Neuinfektionen bei Menschen, die intravenös Drogen konsumierenden. Seit 2019 bliebe sie auf erhöhtem Niveau konstant, sagt Stara-Flohr. "Auch die Zahl der Menschen ohne Diagnose ist in dieser Gruppe gestiegen."

Die Themen HIV und AIDS sind heute weniger präsent in der Öffentlichkeit – eine positive Entwicklung oder versteckte Gefahr?

Mario Stara-Flohr sieht es zwiegespalten: "Wir versuchen in der Öffentlichkeit und auch in direkten Beratungsgesprächen eine gewisse "Normalität" bei dem Thema herzustellen." Die Beratung der Bremer AIDS-Hilfe bemühe sich dem Thema die Panik zu nehmen, wie sie in den 1980ern entstanden ist. In der Zeit seien viele Filme entstanden, die sich mit dem Thema HIV/AIDS auseinandersetzten.

Zum Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember würden viele dieser Filme wiederholt. "Leider haben diese Werke, so gut sie auch sein mögen, mit der heutigen Realität nichts mehr zu tun," erklärt Stara-Flohr.

Menschen, die sich also in ihrem Alltag nicht mit HIV auseinandersetzen, werden durch Spielfilme mit 'alten' Informationen versorgt, verinnerlichen diese und tragen diese auch weiter.

Mario Stara-Flohr, Pressesprecher Bremer AIDS-Hilfe

Bei der Bremer AIDS-Hilfe lassen sich viele Menschen testen. Stara-Flohr sieht das Positiv: "Wir sind eigentlich fast jede Woche terminlich ausgebucht, was ein gutes Zeichen ist, dass unser unkompliziertes Testverfahren sehr gut angenommen wird." Testen lassen kann sich jede und jeder. Die AIDS-Hilfe Bremen hält Schnelltests bereit. Mit einem Tropfen Blut aus der Fingerkuppe der Testperson liefert dieser nach wenigen Minuten ein erstes Ergebnis. Ein Labortest kann bei einem Facharzt durchgeführt werden. Zu jedem Test bei der Bremer AIDS-Hilfe gehöre außerdem eine Beratung und eine Risikobewertung, sagt Stara-Flohr. "Oftmals stellt sich nach einem Gespräch heraus, dass es keinen Anlass zur Sorge gibt."

Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 1. Dezember 2022, 07:10 Uhr