Kommentar

Gewalt gegen Frauen: "Wir schweigen alle viel zu oft"

Bei einer Demonstration gegen Gewalt an Frauen hält eine Teilnehmerin ein Plakat mit der Aufschrift "Man(n) tötet nicht aus Liebe".

Wo Betroffene bei Partnerschaftsgewalt in Bremen Hilfe finden

Bild: dpa | Christophe Gateau

Am 25. November findet der Tag gegen Gewalt an Frauen statt. Unserer Autorin Lisa Röhling machen die aktuellen politischen Entwicklungen Angst – doch sie sieht auch Hoffnung.

Gewalt an Frauen fängt nicht an, wenn ein Mann sie schlägt, ihr die Knochen bricht oder sie ermordet. Es beginnt viel früher – wir reden nur nicht drüber, weil wir uns vielleicht nicht einmischen wollen, weil es unangenehm ist. Es beginnt mit herablassenden Sprüchen, mit Männern, die ihren Frauen den Mund verbieten, mit frauenfeindlichen Parolen im Internet.

Jedes Jahr werden in Deutschland laut Bundesfamilienministerium 175.000 Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Jeden Tag wird eine Frau ermordet, weil sie eine Frau ist. Und diese Frauen wurden oft jahrelang verbal gedemütigt, unterdrückt und eingeschüchtert, psychischer Gewalt ausgesetzt. Nur, weil sie Frauen sind.

Stimmung spitzt sich weiter zu

Und ich sage, dass sich das zuspitzen wird. Ich habe in diesen Tagen, wo ein Donald Trump zum Präsidenten gewählt wird und Politiker sich trauen, öffentlich das Frauenwahlrecht in Frage zu stellen, Angst. Weil unsere Rechte, unsere Lebensweise in Frage gestellt werden, von Dating-Influencern, Podcast-Hosts, aber auch Politikern. Es beginnt damit, wie über unsere Körper geredet wird, unsere Kleidung, unsere Unabhängigkeit, unsere Jobs, Hobbies, Stimme, Entscheidungen.

Nämlich so, als seien wir ein Gegenstand, über den eine anonyme Öffentlichkeit bestimmt. "Your body, my choice" hat ein amerikanischer Influencer nach der Wahl von Trump ins Netz geschrien – und Tausende junge Männer haben den Slogan weitergetragen. Ihre Message ist klar: Ihr Frauen seid nichts wert. Ihr gehört uns.

Immer noch ein Tabu-Thema

Jetzt ist es an der Zeit, einen neuen Umgang mit dem Thema zu finden.

Wenn wir als Gesellschaft über Gewalt an Frauen reden, reden wir oft darüber, warum sie sich nicht früher gewehrt haben. Wir reden nie darüber, mit wie viel Scham diese Frauen zu kämpfen haben. Dass es für viele ein harter Schritt ist, öffentlich zuzugeben, so gedemütigt worden zu sein werden. Gerade Frauen aus höheren Bildungsschichten, aus vermeintlich guten Stadtteilen mit großen Gärten und komfortablen Leben haben größere Hemmungen, über solche Taten zu sprechen. Weil sie große Angst vor der öffentlichen Bloßstellung haben. Das berichten immer wieder Mitarbeitende bei Hilfsprojekten.

Was ein neuer Umgang sein könnte

Aber muss eigentlich nicht so sein: In Frankreich zeigt Gisele Pelicot gerade eindrucksvoll, wie sich Frauen gegen ihre Peiniger –  in diesem Fall ihren Ehemann, der sie wohl zur Vergewaltigung im Netz verkauft hat – wehren können. Sie ist bewusst an die Öffentlichkeit gegangen, weigert sich, die Opferrolle einzunehmen. Die Scham muss die Seite wechseln, hat sie gesagt. Das macht Mut!

Das könnte doch unser neuer Umgang sein! Denn: Wir schweigen alle viel zu oft. Die Männer, die die frauenfeindlichen Sprüche ihrer Freunde hören und schweigen, nicht dazwischen gehen. Die dem Müll, der im Netz verbreitet wird, nicht widersprechen, zulassen, dass sich diese toxische Männlichkeit verteilt. Und die Frauen, die wegschauen, wenn es anderen schlecht geht. Oder die Frauen, die sich schämen, wobei es doch ihr Mann ist, der sie immer wieder terrorisiert.

Wir müssen alle lernen, auch hinzugucken, wo es unangenehm ist und auf die Täter zu zeigen, nicht auf die Opfer. Damit die Scham dann wirklich irgendwann die Seite wechselt.

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Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Lisa-Maria Röhling
    Lisa-Maria Röhling Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 25. November 2024, 10:10 Uhr