Stottern, nacktbaden, ankommen – Henning Scherf feiert 85. Geburtstag

Henning Scherf sitzt in seinem Wohnzimmer.

Stottern, nacktbaden, ankommen – Henning Scherf feiert 85. Geburtstag

Bild: Radio Bremen | Till Kohlwes

Das kleinste Bundesland hat den größten Regierungschef. Was aktuell gilt, galt schon früher mit Henning Scherf. Der wird heute 85 Jahre alt. Ein Hausbesuch.

Henning Scherf sitzt in einem grünen Ohrensessel. Seinen Kopf kann er dabei nicht anlehnen, dafür ist er auch im Sitzen zu groß. Auf dem Tisch vor ihm steht ein Becher mit heißem Wasser. Darauf schwört er seit vielen Jahren. In seiner Bremer Senatoren- und Bürgermeisterzeit zwischen 1978 und 2005 hatte er nach den Sitzungen nachts ein Ritual zum Entspannen nach einem langen Arbeitstag.

In der Dunkelheit habe ich mich dann ausgezogen und bin splitternackt in den Unisee rein, hin- und zurückgeschwommen und habe immer gedacht, das kann eigentlich jeder.

Henning Scherf zuhause vor einem Bücherregal
Henning Scherf, Bremer Bürgermeister von 1995 bis 2005

Seine Familie ist sein ganzer Stolz

Heute relaxt Scherf beim Singen, Fahrrad fahren oder Lesen. Als er das sagt, schaut er auf ein Sofa neben sich: Rattan mit weißer Matratze und weichen Kissen am Kopfende. Hier verbringt er gerne seine Zeit. Dahinter eine große Bilderwand mit Fotos von seiner Familie. Sein ganzer Stolz. Ihn fasziniert, wie viele Sprachen seine Kinder und Enkelkinder sprechen, von Arabisch bis Ivrit. Das würde er auch gerne können. Zuletzt war er mit seiner Enkeltochter in Moldawien. Eine Reise, die den Sozialdemokraten sehr fasziniert hat.

Bei solchen Reisen werde ich wieder zig Jahre jünger und kann plötzlich ohne Mittagsschlaf durchhalten. Ich zeichne dann auch immer, schreibe Tagebuch und schicke das den Enkelkindern zu.

Henning Scherf
Henning Scherf

Wünsche werden Wirklichkeit

So ein Leben hat sich Scherf immer gewünscht. Dass es jetzt Wirklichkeit ist, überrascht ihn selber. "Das ist mein Glück und dadurch geht's mir gut." Der dreifache Familienvater mit neun Enkelkindern scheint angekommen zu sein.

Henning Scherf umarmt zwei Damen
Er ist buchstäblich Bremens großer Umarmer: Ex-Bürgermeister Henning Scherf (hier 2005 nach seiner letzten Bürgerschaftssitzung). Bild: dpa | Carsten Rehder

Scherf möchte seine Neugier nicht verlieren und sich mit möglichst vielen Menschen austauschen. Das brachte ihm auch den Spitznamen "Oma-Knutscher" ein. Den mag er nach wie vor sehr. In seiner Pubertät – damals in der Bremer Neustadt – war er allerdings noch nicht so kontaktfreudig wie heute. Der 1938 geborene Scherf stotterte und war ziemlich isoliert. Mit dem Amt des Schulsprechers konnte er das überwinden. Seitdem ist der Vorsatz des Sohnes eines Drogisten und einer Apothekerin auf Menschen zugehen, ohne zu unterstellen, dass sie böse Absichten haben.

Schrumpfen im Alter

Heutzutage sieht man den ehemaligen Bürgermeister noch oft auf seinem Fahrrad durch die Innenstadt fahren. Ein fröhliches "Moin" darf nicht fehlen. Die positive Resonanz auf seine Person freut den Sozialdemokraten. Ein Markenzeichen ist seine Größe. Stolze 2,04 Meter misst Scherf von Haus aus. Aber das sei in den vergangenen Jahren weniger geworden. Er würde schrumpfen.

Mit dem Altwerden beschäftigt er sich schon lange, einige Bücher hat Scherf schon darüber geschrieben. Für ihn sind nicht Gebrechlichkeit und Krankheiten das Hauptthema im Alter. "Einsamkeit ist das Hauptproblem am Altwerden." Die kommt bei ihm glücklicherweise nicht vor. Seit mehr als 35 Jahren wohnt er mit seiner Frau Luise in einer Hausgemeinschaft. Über fünf Etagen verteilt leben dort zurzeit sieben Senioren zwischen 80 und 86. Es fühlt sich an wie eine Familie, sagt Scherf, hier fühlt er sich wohl.

Ziel: 100 Jahre alt werden

Mit Familie und Freunden möchte er noch viele Jahre gemeinsam verbringen. Scherf hat den Wunsch, 100 Jahre alt zu werden.

Ich bin so frech, dass ich gerne noch 15 Jahre leben möchte.

Henning Scherf anlässlich des Jedermannrennens der Vattenfall Cyclassics 2007 in Hamburg.
Henning Scherf

"Meine Frau hat da kein Verständnis für, aber ich habe schon eine ganze Reihe von 100-Jährigen kennengelernt, die es geschafft haben. Deshalb werde ich es auch schaffen." Dabei lächelt Scherf und trinkt noch einen kräftigen Schluck heißes Wasser.

Autor

  • Till Kohlwes mit Brille und Bart lächelt in die Kamera
    Till Kohlwes

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 31. Oktober 2023, 10.40 Uhr