Fragen & Antworten

Sie müssen Ihr Elternhaus auflösen? So gelingt es ohne Streit

Einen Haushalt aufzulösen ist keine leichte Aufgabe. Wohin mit dem Porzellan oder dem Teppich? Christina Erdmann hilft Angehörigen beim Auflösen ihres Elternhauses und gibt Tipps.

Kaum eine Aufgabe birgt ein solches Konfliktpotenzial wie die Auflösung eines Haushalts. Das ist besonders der Fall, wenn es um die vier Wände der eigenen Eltern geht. Viele Gegenstände sind mit Erinnerungen verbunden, davon Abschied zu nehmen, fällt schwer – das gilt für die Hinterbliebenen, aber auch für die Eltern, die ins Pflegeheim umgezogen sind.

Wie man die Anzahl der Gegenstände, die man aufbewahrt, reduziert – und wie das ohne Streit unter den Angehörigen gelingt, erklärt Christina Erdmann. Die Diplompädagogin war bei 3nach9 zu Gast und begleitet seit einigen Jahren Angehörige beim Auflösen ihres Elternhauses.

Was darf man wegschmeißen, was nicht? Stichwort "Omas Hochzeitskleid"...

Die Entscheidung liegt bei den Hinterbliebenen. Sie sollten sie so fällen, dass sie damit in den nächsten Jahren gut leben können, rät die Pädagogin. "Wenn Ihre Eltern gewollt hätten, dass Sie mit einer bestimmten Sache etwas Bestimmtes tun, dann hätten sie es Ihnen zu Lebzeiten gesagt oder im Testament festgelegt."

Wenn das nicht der Fall ist, bleibe den Angehörigen keine andere Wahl, als selbst zu entscheiden. "Alles andere führt dazu, dass Sie sich endlos verzetteln, um eine Antwort auf die Frage zu finden, was Ihre Eltern gewollt hätten. Aber diese Antwort kriegen Sie nicht mehr, wenn Ihre Eltern verstorben sind oder im Pflegeheim leben und nicht mehr antworten können."

Es gibt kein Thema, das so leicht zu Streit führt, wie das Auflösen des eigenen Elternhauses.

Diplompädagogin und Autorin Christina Erdmann

Angenommen man findet beim Ausmisten alte Dokumente, die interessant aussehen. Was soll man damit machen?
 

Solche Dokumente könnten für Museen interessant sein, sagt Erdmann. Voraussetzung sei allerdings, dass die Bücher oder Dokumente einzigartig sind. Dies könne der Fall sein, wenn der Inhalt außergewöhnlich oder das Dokument besonders alt ist. Bei Unklarheiten empfiehlt die Expertin eine erste Google-Suche: So könne man prüfen, ob es von dem Buch etwa nur wenige Exemplare gibt. In einem zweiten Schritt sei ein Besuch in einem Museum ratsam. "Man staunt, woran Museen interessiert sind." Sie seien gute Ort, "um sicher zu sein, dass etwas Altes und vielleicht emotional Wertvolles nicht verloren geht". Auch könnte ein Museum im Zweifel eine andere, geeignetere Anlaufstelle nennen.

Sollten die Angehörigen gemeinsam ausräumen?

Ja, rät Erdmann. Bevor es dazu kommt, sei aber ein gemeinsames Gespräch wichtig. Denn: "Es gibt kein Thema, das so leicht zu Streit führt wie das Auflösen des eigenen Elternhauses." In dem Gespräch vorab sollten sich Geschwister über Grundsätzliches verständigen. Das könnte sein: "Wir wollen uns nicht streiten. Wir vereinbaren, auf jeden Fall eine Lösung zu finden", so Erdmann.

Stellen wir uns vor, die Eltern sind ins Pflegeheim gekommen, die Kinder haben sie aber nicht informiert, dass ihr Haus ausgeräumt wurde. Darf man das verschweigen oder muss man das sagen?

Die Antwort auf diese Frage hängt stark davon ab, ob jemand noch in der Lage sei, sich an der Entscheidung zu beteiligen, sagt Erdmann. Wenn die Mutter oder der Vater dazu noch fähig ist, aber wegen körperlichen Gebrechen ins Pflegeheim gekommen ist, sollten so viele Entscheidungen wie möglich gemeinsam besprochen werden. Das sei eine Frage des Respekts und der Fairness, sagt Erdmann. Möglich sei aber, die Mutter oder den Vater im Gespräch davon zu überzeugen, die Sachen abzugeben.

Und wenn die Mutter sich erst bei der Nachfrage wieder an den Gegenstand erinnert und ihn sonst schon vergessen hatte?

Solche Fälle gebe es selbstverständlich auch, sagt Erdmann. Sie rät Angehörigen, den Gegenstand in diesem Fall – falls möglich – für ein Jahr im Keller zu deponieren. Sollte die Mutter in diesem Zeitraum nicht nochmal nach der Sache fragen, könne man sich davon guten Gewissens trennen – und es wegwerfen, spenden oder verschenken.

Wenn Sie nicht der Erbe sind und Sie in ein Haus gehen und etwas wegwerfen, was jemand anderes geerbt hat, dann kriegen Sie ein Problem.

Diplompädagogin und Autorin Christina Erdmann

Inwiefern sind Spenden sinnvoll?

Prinzipiell seien Spenden zu empfehlen, sagt Erdmann. Sie erleichtere den Eltern – sollten sie noch leben – zum einen die Trennung von dem Gegenstand. "Wenn es zum Beispiel einer sozialen Initiative gespendet wird, merken sie, sie können noch etwas Gutes tun." Man müsse aber auch bedenken, dass Initiativen nur Dinge annehmen, die sie nicht schon zig Male auf Lager haben.

Wegwerfen, Spenden oder Verkaufen – wichtige Voraussetzung ist laut der Expertin, dass die Eigentümer verstorben sind und der Hinterbliebene der alleinige Erbe ist. "Wenn Sie nicht der Erbe sind und Sie in ein Haus gehen und etwas wegwerfen, was jemand Anderes geerbt hat, dann kriegen Sie ein Problem."

Dr. Christina Erdmann hat ein Buch über das Auflösen von Elternhäusern geschrieben. Ihr Ratgeber "Adieu Elternhaus: Elternhaus auflösen – sortieren, wertschätzen, loslassen" ist im August 2023 erschienen.

Autor

  • Leon Meyer
    Leon Meyer Onlineredakteur

Dieses Thema im Programm: 3nach9, 8. September 2023, 22 Uhr