Kalter Krieg in Garlstedt: Wie US-Soldaten die Region verändert haben

Der deutsche Bundespräsident Professor Dr. Karl Carstens am 02.06.1982 bei einem Informationsbesuch bei einer in Garlstedt (Bremen) stationierten Panzerdivision der US-Army.
Der deutsche Bundespräsident Karl Carstens im Juni1982 zu Besuch bei der in Garlstedt stationierten Panzerdivision der US-Army. Bild: dpa | Werner Schilling

Die Garlstedter Kaserne gehörte einst dem US-Militär. Die Amis haben dort mit Panzern und Kampfjets Einsätze geübt – und die Menschen mit Hamburgern vertraut gemacht.

Bis in die neunziger Jahre rollten amerikanische Straßenkreuzer in die Garlstedter Kaserne. Heute üben dort Soldaten einer Logistikschule der Bundeswehr Lkw-Fahrten unter Aquaplaning-Bedingungen. Und wo ab Ende der siebziger Jahre Panzer in der Heidelandschaft rollten und schossen, gammeln die Kriegsgeräte jetzt ausgeschlachtet vor sich hin, werden allenfalls gelegentlich zu Übungszwecken in den Matsch geschoben.

Im Zeichen des Kalten Kriegs

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Immer wieder gab es Proteste gegen die Kaserne der Amerikaner in Garlstedt. Unser Foto stammt von einer Demonstration im Jahr 1986. Bild: dpa

Die Geschichte von Garlstedt und dem US-Militär ist eine Geschichte des Kalten Krieges. Die NATO beschließt in den frühen siebziger Jahren, eine US-Division in Norddeutschland zu stationieren – und wählt Garlstedt dazu aus. Begleitet von massiven Bürgerprotesten entsteht dort ab 1975 die Lucius-D.-Clay-Kaserne. Mit ihr zeigen die Amerikaner Präsenz gegenüber Russland, stationieren hier im Oktober 1978 eine Panzerdivision.

Die US-Soldaten lassen die verschlafene Gegend um mehrere Tausend Menschen anwachsen. Der Osterholzer Johann Beckmann hat früher auf dem Kasernengelände gearbeitet. "Hier in der Kaserne war großer Betrieb. Hier und da waren ständig Leute", erinnert er sich mit Blick auf das Kasernengelände. Zu Zeiten der US-Soldaten gibt es auf dem Gelände ein Fitnessstudio, Sporthallen, Proberäume und sogar eine Bowlingbahn. Die Kaserne ist der Lebensmittelpunkt für viele Amerikanerinnen und Amerikaner.

"Das kannten wir alles nicht"

Ein mit der 2. US-Panzerdivision in Deutschland stationierter US-Soldat fährt 1983 mit seiner Frau und Hund in einem Cabrio durch Garlstedt.
Die US-Soldaten prägten das öffentliche Leben Osterholz-Scharmbecks. Unser Foto zeigt einen US-Soldaten im Auto vor einer eigens für Soldanten geschaffenen Wohnanlage. Bild: dpa | Werner Schilling

Doch die amerikanischen Soldaten prägen in diesen Jahren nicht nur das Bild "on base“, also auf dem Kasernengelände. Im benachbarten Osterholz-Scharmbeck werden mehrere Hundert Wohnungen für die Soldaten gebaut.

Stephan Hecht hat die Veränderung des Ortes miterlebt: "Es war schon sehr ungewohnt. Plötzlich fuhren die Straßenkreuzer durch die Stadt. Das kannten wir nicht. Plötzlich waren viele Menschen unterwegs – mit Mountainbikes. Das kannten wir nicht. Und die Riesen-Eisbecher und die Hamburger – das kannten wir alles nicht." Die Amerikaner seien einfach "freier" gewesen, "anders" als die heimische Bevölkerung.

Tiefflüge auch in Überschall-Geschwindigkeit

Auf wenig Gegenliebe in der Bevölkerung stoßen in den achtziger Jahren diverse donnernde Tiefflüge amerikanischer Kampfjets über Garlstedt – in einigen Fällen auch in Überschall-Geschwindigkeit. Sie lassen die Wände der Häusern wackeln, sorgen für Angst und Schrecken unter Anwohnern.

In einer großen Anfrage an den Niedersächsischen Landtag schreibt Jürgen Trittin als Fraktionsvorsitzender der Grünen im Oktober 1989 unter der Dachzeile "Neue militärische Belastungen in Niedersachsen": "Für die Zukunft wird diese amerikanische Präsenz über die Brigade in Garlstedt (…) immer problematischer." Trittin fürchtet zu diesem Zeitpunkt gar, dass es zur Aufnahme eines "regelmäßigen systematischen nächtlichen Tiefflug-Übungsbetriebs durch die US-Luftwaffe" über Niedersachsen kommt.

Doch nur wenige Tage später, am 9. November 1989, fällt in Berlin die Mauer. Die Lage entspannt sich. Mit Beginn der Neunziger Jahre endet der Kalte Krieg. Die Garlstedter US-Brigade wird in den Irak verlegt.

Fast spurlos verschwunden

Viele sichtbare Spuren haben die GIs in Garlstedt und umzu nicht hinterlassen. Die Unterkünfte in der Jan-Gloystein-Straße in Osterholz Scharmbeck stehen zum Beispiel noch, die Amerikaner sind alle ausgezogen. Eine Eiche, die zum zehnjährigen Bestehen der Kaserne im Park gepflanzt wurde, hat Wurzeln geschlagen.

Steven van de Ven erinnert sie an seine Zeit als Verbindungsmann. Er sollte den Deutschen und den Amerikanern dabei helfen, gut miteinander auszukommen: "Ja, der Amerikaner, zumindest dieser Typ Mensch, der in der Auslandsstationierung angekommen ist, der hat sehr leicht, aber sehr ehrliche Freundschaften geschlossen." Gleichwohl sei es den Amerikanern im Vergleich zu den Deutschen leichter gefallen, wieder loszulassen und neue Wege zu gehen.

Wie auch immer man zu den neuen Wegen Garlstedts nach dem Abzug der Amerikaner stehen mag: Ohne die Soldaten von Übersee ist es wieder ruhiger geworden in der Garlstedter Heide.

Diese Garlstedter Kaserne war früher der Lebensmittelpunkt für Amerikaner

Bild: Radio Bremen
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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 14. Mai 2024, 19.30 Uhr