Warum es im Bremer Landgericht Brandspuren gibt – und 4 weitere Fakten

Diese geheimnisvollen Symbole sind im Bremer Landgericht versteckt

Bild: Radio Bremen

Das Bremer Landgericht blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Wir haben die fünf interessantesten Fakten zu dem historischen Gebäude zusammengestellt.

Es ist das älteste und bis heute größte Gerichtsgebäude in Bremen. Das Bremer Landgericht wurde zwischen 1892 und 1895 an der Domsheide erbaut. Mehrere Straßenzüge mussten in der damals engen Altstadt dafür abgerissen werden. Im zweiten Weltkrieg blieb das Gebäude wie durch ein Wunder nahezu unversehrt. Heute ist der Komplex mit der angrenzenden Staatsanwaltschaft eines der am besten erhaltenen historischen Gerichtsgebäude in Deutschland.

1 Warum das Gebäude einer Burg gleicht

Auf dem historischen Gemälde ist die Fassade des Bremer Landgerichts zu sehen
Das historische Gebäude steht seit 1992 unter Denkmalschutz. Bild: Radio Bremen

Im Kaiserreich sollte das Gericht die Bremer vor allem beeindrucken. "Dem Rechte zum Schutz, dem Bösen zum Trutz", steht bis heute an der Fassade. Architektonisch gleicht der Bau einer Burg, mit Türmen an allen Ecken und einem Innenhof. "Man bezeichnet das auch als sprechende Architektur", sagt der Architekturhistoriker Eberhard Syring. "Es gibt keinen Aufforderungscharakter das Gebäude zu betreten. Es verschafft sich in erster Linie Respekt."

Das setzt sich im Gericht fort. Der große Schwurgerichtssaal mit seinen rund zehn Meter hohen Decken ist architektonisch beeindruckend, kann Zeugen oder Angeklagte aber auch einschüchtern. Und das war durchaus so gewollt. Die Plätze sind so positioniert, dass die Angeklagten ins Licht schauen, die Staatsanwälte dagegen das Licht im Rücken haben. Und die Richter sitzen erhöht. Heute würde man ein Gerichtsgebäude ganz anders bauen. Denn die Justiz in der Demokratie soll transparent sein, nicht Macht demonstrieren.

2 Warum es voller biblischer Symbole ist

1895 spielte Religion im Leben der Menschen eine viel größere Rolle als heute – das zeigt sich auch am Gebäude des Landgerichts. Schon auf der Fassade begrüßen den Besucher die zehn Gebote. Manches deckt sich immer noch mit dem Gesetz. "Du sollst nicht töten" und "du sollst nicht stehle" gelten weiterhin. Der Ehebruch dagegen ist längst aus dem Strafgesetzbuch verschwunden.

Im Schwurgerichtssaal blicken die Angeklagten hinter den Richterplätzen auf Holzschnitzarbeiten der sieben Todsünden. Wer hier sitzt, weil er sich zu sehr der Wut oder Habgier hingegeben hat, kann auf der anderen Seite auf den rechten Pfad zurückfinden. Dort sind die sieben Tugenden abgebildet. Glaube, Liebe, Hoffnung, Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. 

3 Warum sich vor dem großen Schwurgerichtssaal Brandspuren finden

Zu sehen sind die dunklen Spuren einer Zigarre im Holz im Gerichtssaal
Die Spuren der Zigarre sind noch deutlich im Holz zu erkennen. Bild: Radio Bremen

Wer genau hinsieht, findet auf der hölzernen Wandleiste vor dem Schwurgerichtssaal Brandspuren. Der Versuch eines Straftäters, das Gebäude anzuzünden? Keineswegs, erklärt Thorsten Prange, der Pressesprecher des Gerichts. "Das kommt aus der Zeit, als im Gebäude noch geraucht werden durfte." In den 1960er-Jahren habe es einen bekannten Verteidiger gegeben, der sei begeisterter Zigarrenraucher gewesen. "Morgens vor der Verhandlung hat er sich eine Zigarre angesteckt und hat sie dann noch brennend vor dem Saal abgelegt." Nach der Verhandlung oder in Sitzungspausen hat der Anwalt sich dann seine Zigarre wiedergeholt und weitergepafft. Ein größeres Feuer ist dadurch glücklicherweise nie entstanden, aber die Brandspuren sind bis heute sichtbar.

4 Warum es lange kaum Sicherheitsvorkehrungen gab

Zu sehen ist der prunkvolle, mit viel Holz verkleidete Saal im Bremer Landgericht
Wer in diesen Saal möchte, muss vorher eine Sicherheitsschleuse passieren. Bild: Radio Bremen

Wer heute ins Gericht will, muss durch eine Sicherheitsschleuse. Wie am Flughafen werden Taschen und Mäntel von Besuchern durchleuchtet. Das war nicht immer so. Bis 2006 gab es keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Das Gericht wollte ein offenes Haus sein. Das bedeutete allerdings auch, dass jedermann mit geladener Waffe hineinspazieren konnte – mit dramatischen Folgen. 1995 kam es vor dem Saal 231 zu einem Mordversuch – aus Rache. Der Bruder eines Mordopfers schoss auf den Angeklagten. Der Mann wurde auf dem Gerichtsflur von zwei Kugeln getroffen und schwer verletzt. Schon ein Jahr zuvor hatte ein Verurteilter auf Freigang versucht, einen Staatsanwalt zu erschießen und verfehlte ihn nur knapp. Trotzdem dauerte es nach diesen Vorfällen noch mehr als zehn Jahre, bis 2006 eine Sicherheitsschleuse eingebaut war.

5 Warum das Gebäude aus allen Nähten platzt

Das Landgericht ist das größte Gerichtsgebäude in Bremen und trotzdem viel zu klein. Das liegt an den vielen Verfahren, die bearbeitet werden müssen. Waren es im Jahr 2012 noch 170 erstinstanzliche Strafverfahren, lag die Zahl im vergangenen Jahr schon bei 280. Verantwortlich dafür sind vor allem die vielen sogenannten Encrochat-Prozesse. Über den Messenger-Dienst hatten Kriminelle kommuniziert. Nachdem Ermittler den Dienst geknackt haben, wird auch das Bremer Landgericht mit Verfahren überschwemmt.

Gerade erst sind drei neue Sitzungssäle in den Räumen der ehemaligen Gastronomie im Erdgeschoss fertig geworden, trotzdem muss das Landgericht immer mal wieder in das benachbarte Amtsgericht ausweichen. Denn die Verfahren werden nicht nur mehr, sondern auch so umfangreich, dass die Geschäftsstellen manchmal nicht wissen, wohin mit den Akten, berichtet der vorsitzende Richter Jan Stegemann. "Wenn man zeitgleich sieben oder acht Verfahren hat, die mehrere Umzugskartons füllen, dann wird es schon eng im Zimmer." Abhilfe könnte zumindest an der Stelle die Digitalisierung schaffen. Doch bis in Strafsachen die komplett elektronische Akte kommt, dauert es noch. 2026 soll es so weit sein.

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Autor

  • Steffen Hudemann
    Steffen Hudemann Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. April 2023, 19:30 Uhr