Interview

Vielfalt in Film und Fernsehen: So divers sind deutsche Produktionen

Zuschauer sitzen mit Abstand in einem Kinosaal (Archivbild)

So divers sind Film- und Fernsehprduktionen in Deutschland

Bild: Imago | UIG

In immer mehr Film- und Fernsehproduktionen werden Rollen divers besetzt. Aber ein realistisches Abbild unseres Alltagslebens gelingt nicht immer.

Die Besetzung von Serien und Filmen wird nach und nach vielfältiger. In Großbritannien werden in Serien zum Teil sogar etablierte Figuren ausgetauscht, um eine möglichst große Diversität zu zeigen. Wie sieht das Thema in Deutschland aus? Und was möchte das Publikum eigentlich? Kulturwissenschaftlerin Karin Schlüter von der Universität der Künste in Berlin erklärt das im Gespräch mit Bremen Zwei.

In vielen neuen Fernsehserien wird bei der Rollenvergabe immer mehr auf Diversität geachtet. Wer bestimmt solche Kriterien für die Besetzung von Fernsehserien? Sind es die Regisseurinnen und Regisseure oder sind es die Landesmedienanstalten?

Natürlich bestimmen das noch die Drehbuchmacher und auch die Regisseurinnen und Regisseure, aber es gab seit 2020 eine sehr große Veränderung und ich glaube das spiegelt Ihren Eindruck ganz gut wieder.

Da haben sich nämlich verschiedene Bündnisse gegründet, zum Beispiel das Bündnis für Medien und Vielfalt von ARD, ZDF, Deutsche Welle, RTL und ProSieben. Die haben sich vorgenommen, diverser zu werden – und Fragebögen eingeführt, die Regisseuren bei der Entscheidung über die Besetzung helfen sollen, um die Realität besser abzubilden.

Besser abbilden ist das Stichwort. Manchmal hat man das Gefühl bei aller Freude darüber, dass die Diversitätsquote steigt, es ist ein bisschen gewollt, oder? Also alte Geschichten mit diverser besetzten Rollen?

Ja, wenn man das so sieht, denkt man sich öfters: Da hat jemand von Zwölf bis Mittag gedacht und diese Liste angewendet, aber nicht richtig darüber reflektiert, was das Ganze bedeutet. Böse ausgedrückt könnte man manchmal von 'Diversity Washing' sprechen. Das bedeutet, dass man im Grunde versucht, diese Quote zu erfüllen, aber sich nicht ändern möchte.

Doch seit zwei Jahren gibt es ja diese Initiativen. Und mit ihnen auch mehr Diskussionen darüber, dass man nicht einfach nur die Rollen besetzen soll. Vielmehr müssen sich auch die Geschichten, die man erzählt, anpassen. Es geht auch darum, andere Narrative zu bedienen. Ich glaube, diese Veränderung kommt jetzt als nächstes.

Jasna Fritzi Bauer beim Fototermin am Set des ARD-Krimis Tatort - Das Ende der Zuversicht in der östlichen Vorstadt.
Jasna Fritzi Bauer spielt eine der weiblichen Hauptrollen im Bremer Tatort. Bild: Imago | xgbrcix/xFuturexImage

Es ist ja auch gut, dass sich etwas tut. Aber wie steht es insgesamt um die Diversität in deutschen Produktionen? Bilden Kino und TV unsere gesellschaftliche Wirklichkeit gut ab?

Da sieht man den Ursprung dieser ganzen Bewegung, denn das ist leider nicht so. Das was wir im Fernsehen sehen, hat mit unserer Wirklichkeit sehr wenig zu tun. Und das kann man an Zahlen ganz gut beweisen.

Ungefähr 26 Prozent aller Menschen die in Deutschland leben haben einen Migrationshintergrund – also im Grunde jeder Vierte. Aber im Fernsehen sind es rund 11 Prozent solcher Rollen, die besetzt werden. Das ist ungefähr jeder Zehnte. Da kann man schon sehen, wie groß der Unterschied ist zwischen dem, was wir jeden Tag auf der Straße, in der Schule und bei der Arbeit erleben und dem, was man dann abends im Fernsehen oder im Kino sieht. Da gibt es eine ganz große Lücke.

Das Thema Geschlechtergerechtigkeit hat ein bisschen aufgeholt. Seit 2020 werden fast 50 Prozent der Hauptrollen in fiktionalen Stoffen mit Frauen besetzt. Das heißt, da gibt es schon Fortschritt, nur im Fernsehen bemerkt man es nicht so richtig, weil es so wahnsinnig viele Wiederholungen gibt. Und das ist natürlich noch das Geschlechterbild von früher.

Nun gibt es durch die Streaming-Dienste auch ausführliche Nutzungsdaten. Die zeigen, dass Produktionen mit vielfältigen Besetzungen von der eher weißen, männlichen und heterosexuellen Zielgruppe häufiger geschaut werden. Sind die Zuschauer am Ende weiter, als die Macher?

Ja, diese Erkenntnis fand ich total überraschend, dass das eigentlich eher ein Quoten-Garant ist, wenn man diverser arbeitet. Es gibt natürlich auch noch andere Argumente dafür, das zu tun. Die Stoffe, die anders und neu sind, sind nicht die Wiederholung des immer Gleichen. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Zuschauenden etwas Neues wollen. Sie wollen gerne mitgenommen werden, spannende Geschichten sehen, die auch anders erzählt werden.

Die Macher sind da glaube ich ein bisschen weiter hinterher. Sie sollten sich vielleicht mal mit ihren Leuten ins Kino setzen.

Was Bremer unter Diversity verstehen

Bild: Radio Bremen

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Autor

  • Keno Bergholz
    Keno Bergholz Moderator

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 23. Januar 2023, 7:30 Uhr