Wie eine Bremerhavenerin Igelleben rettet – trotz Randale und Schreien

In der Wohnung der Igelretterin Susanne Müller

Lissy, Helmut und andere Randalierer: Die Igelretterin von Bremerhaven

Bild: Radio Bremen | Helge Hommers

Susanne Müller hat ihr Esszimmer zu einem Igel-Hospital umgebaut. Ihre erste Begegnung mit einem der Stacheltiere brachte die Bremerhavenerin jedoch selbst ins Krankenhaus.

In der Wohnung der Igelretterin Susanne Müller
Seit rund fünf Jahren kümmert sich Susanne Müller um verletzte oder kranke Igel. Bild: Radio Bremen | Helge Hommers

Mit beiden Händen umfasst Susanne Müller ihre stachelige Patientin. Vorsichtig hebt sie Lissy aus ihrer durchsichtigen Plastikbox und bringt sie zum Behandlungstisch. Denn das dreijährige Igelweibchen ist krank: Obwohl Lissy zumeist nur Insekten und Würmer frisst, hat sie Schnecken gegessen – vermutlich vor lauter Hunger – und sich so mit Lungenwürmern infiziert.

"Jetzt hat sie schlimmen Husten und muss zwei- bis dreimal am Tag inhalieren", erklärt Müller und legt Lissy in eine Schale. Als ein vor ihr aufgestellter Vernebler zischend eine Kochsalz-Wolke ausstößt, schreckt das lungenkranke Tier zusammen. "Das musst Du jetzt mal eben fünf Minuten aushalten", beschwichtigt Müller, während Lissy sich unter ihr Stachelkleid einrollt.

Bis zu 15 Igel pro Nacht

In der Wohnung der Igelretterin Susanne Müller
Igelweibchen Lissy kommt bis zu dreimal täglich zum Inhalieren auf den Behandlungstisch. Bild: Radio Bremen | Helge Hommers

Ihre Igel-Liebe hat Müller vor fünf Jahren entdeckt, damals fand sie zwei schwache Jungtiere in ihrem Garten. Nachdem sie die beiden in eine Aufpäppelstation gebracht hatte, baute sie erste Igelhäuser und Futterstellen bei sich auf. Dass sich der Stadtteil Weddewarden zu einer guten Anlaufadresse entwickelte, sprach sich offenbar herum. "Im Sommer sind dann jede Nacht bis zu 15 Igel gekommen und haben sich sattgefressen", erzählt die 60-Jährige.

Auch in ihrem Haus nahm Müller einige Änderungen vor: Nach und nach baute sie ihr Esszimmer mit Meerschweinchenhäusern, einem Medizinschrank und Futtersäcken in ein, wie sie selbst sagt, "Igel-Krankenhaus" um. Was Müller an den Stacheltieren fasziniert? "Sie sind Überlebenskünstler, possierlich und außerdem sehr nützlich", schwärmt die Bremerhavenerin. Und das, obwohl ihre erste Igel-Begegnung äußerst schmerzhaft endete.

Als Kind haben meine Freundin und ich von einem Bauern einen Igel bekommen. Mit dem haben wir so lange herumgetüddelt, bis der die Nase voll hatte und mich in den Finger gebissen hat. Danach musste ich drei Tage ins Krankenhaus – wegen Tollwutgefahr.

Igelretterin Susanne Müller

"Die randalieren nachts"

In der Wohnung der Igelretterin Susanne Müller
Manchem Igel sind die Stacheln ausgefallen. Bild: Radio Bremen | Helge Hommers

Ihre aktuell rund 20 Patienten halten Müller ordentlich auf Trab: Jeden Morgen um sechs Uhr fängt sie an, die Igel zu behandeln. Bis sie dann die einzelnen Unterkünfte gereinigt und desinfiziert hat, ist es meist schon Mittag. "Die randalieren nachts und wollen nach draußen. Dementsprechend schlimm sieht das dann morgens aus", sagt Müller.

Allein um die Boxen mit Papier auszulegen und die Häuschen mit Schnipseln kuschelig-warm zu halten, benötigt sie rund 25 Zeitungen pro Tag. "Die Igel haben keine Toilette, das Futter wird verteilt und dann laufen die auch noch dadurch", so die Bremerhavenerin.

Morgens duftet das dann immer ordentlich – aber nicht nach Rosen.

Igel-Retterin Susanne Müller

Doch nicht nur der zeitliche, auch der finanzielle Aufwand ist groß: Rund 3,5 Kilogramm Katzenfutter verputzen die Igel täglich. Hinzu kommen Kosten für Mehlwürmer, Medikamente und Tierärzte. Die benötigten Gelder sammelt die Anlaufstelle "Private Igelrettung Bremerhaven/Cuxland" unter anderem über Spenden und den Verkauf selbstgemachter Gegenstände auf Märkten. "Mancher Igel-Finder wirft aber auch noch was in die Klingelbox", sagt Müller.

25 bis 40 Prozent der Tiere sterben

In der Wohnung der Igelretterin Susanne Müller
Die Igel sind in großen Plastikboxen mit eigenen Meerschweinchenhäusern untergebracht. Bild: Radio Bremen | Helge Hommers

Trotz aller Fürsorge kann die 60-Jährige aber nicht allen kranken und verletzten Tieren helfen, die aus Bremerhaven, dem Cuxland oder auch aus Nordenham zu ihr gebracht werden. "25 bis 40 Prozent der Igel sterben", schätzt Müller. Manche Tiere müssen jedoch auch beim Tierarzt von ihrem Leid erlöst werden.

Allein im letzten Jahr umsorgte Müller rund 175 Igel. Darunter waren 80 Jungtiere, von denen fast 50 starben. "Den Igeln geht es immer schlechter", resümiert die Bremerhavenerin.

Sie finden einfach keine Nahrung, die Menschen nehmen keine Rücksicht und die Gärten werden immer steriler.

Igelretterin Susanne Müller

Igel, die überleben, bleiben im Schnitt zwischen vier und sechs Wochen in Weddewarden. Zu manchen baut Müller besondere Bindungen auf, etwa zu Helmut. "Der hatte ein Problem mit den Stacheln", erzählt die 60-Jährige. "Aber jedes Mal, wenn ich ihn angefasst habe, hat er angefangen zu schreien – und zwar ziemlich laut." Einen derart empfindlichen Igel habe die Bremerhavenerin noch nie umsorgt. "Den werde ich nie vergessen", betont Müller.

Helmut ist dann in Loxstedt ausgewildert worden. Ich hoffe, er hat es geschafft – ohne Schreien.

Igelretterin Susanne Müller

So können Bremerinnen und Bremer dabei helfen, den Igel zu retten

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 28. November 2024, 12:35 Uhr