Das bedeutet der Hausärztemangel für die Bremer Gesundheitsversorgung

Im Bremer Stadtteil Woltmershausen droht der Hausärztemangel

Bild: dpa | Christin Klose

Die neu eröffnete Kinderambulanz soll bis März überlastete Kinderarztpraxen in Bremen unterstützen. Könnte die Ambulanz auch Hausarztpraxen unter die Arme greifen?

Wer in jüngster Zeit mal versucht hat, spontan einen Termin beim Hausarzt zu machen? Einige gehen gar nicht mehr ans Telefon, weil sie so überlastet sind. Andere sagen "Ja… das ginge so ab Mitte Februar." So ähnlich sah es im Dezember auch in den Kinderarztpraxen aus, als gerade eine große Infektionswelle über Bremen schwappte.

Zur Entlastung hat das Bremer Gesundheitsressort Anfang des Jahres eine Kinderambulanz gegründet, die bis Mitte März läuft – aber nicht wirklich ausgelastet ist. Aber ist so eine Ambulanz für die allgemeine ärztliche Versorgung auch denkbar?

Hausärztliche Versorgung ist ungleich in Stadtteilen verteilt

Die Lage in den Bremer Hausarztpraxen ist momentan ziemlich angespannt, wie schon seit einigen Monaten. Das liegt daran, dass es einen akuten Hausärztemangel gibt. Es ist in wie so ziemlich allen Lebensbereichen: Die sogenannten Babyboomer gehen nach und nach in Rente und finden keine Nachfolger.

In der Theorie ist Bremen gut versorgt. Laut der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung liegt die Versorgungsquote aktuell bei 105 Prozent. Also über dem gesetzlichen Soll. Das Problem liegt in den einzelnen Stadtteilen. Dort schwankt die Versorgungsquote und das führt zu massiven Schwierigkeiten.

Dieses Problem erlebt auch Hans Mühlenfeld gerade. Er ist Vorsitzender des Hausärzteverbandes in Bremen und hat eine Praxis in Woltmershausen.

Bei uns in der Praxis haben wir die Situation, dadurch, dass ein Kollege im April aufhören wird, dass wir jeden Tag ungefähr 30 Anfragen haben und zwei bis drei Patienten können wir dann sagen, dass wir sie weiterbetreuen können, aber alles andere schaffen wir eben nicht.

Hans Mühlenfeld, Vorsitzender des Hausärzteverbandes in Bremen

Seine drei Kolleginnen und Kollegen und er versorgen in ihrer Praxis aktuell jeden Tag 300 Patienten.

Im Stadtteil Woltmershausen gibt es aktuell drei Praxen, vor ein paar Jahren waren es noch fünf. Und jetzt schließt noch eine dieser drei Praxen. Das hat erhebliche Auswirkungen.

Diese 1.600 Patienten ungefähr, die der Kollege versorgt hat, müssen sich jetzt die beiden verbleibenden Praxen teilen und das wird nicht so gehen. Also ich schätze mal, dass rund 1.000 Patienten erhebliche Probleme haben, einen Hausarzt zu finden.

Hans Mühlenfeld, Vorsitzender des Hausärzteverbandes in Bremen

Ambulanz kann laut Gesundheitsressort nicht die Lösung sein

Ein Arzt behandelt ein Kind in der Bremer Kinderambulanz
Die Kinderambulanz ist lange noch nicht ausgelastet. Bild: dpa | Hauke-Christian Dittrich

Im Dezember 2022 waren auch die Kinderarztpraxen komplett überlastet. Da hat die Stadt Bremen reagiert und eine Kinderambulanz geöffnet. Ausgelegt ist die auf 60 Kinder am Tag. Aber im Moment sind dort oft nur 15 Kinder am Tag. Kann diese Ambulanz also ausgeweitet werden, um auch den Hausärzten unter die Arme zu greifen?

Doch sowohl das Gesundheitsressort als auch die Kassenärztliche Vereinigung sind dagegen.

Für die ambulante Versorgung, egal ob für Kinder oder Erwachsene, ist die Kassenärztliche Vereinigung zuständig. Die Kommune darf nur eingreifen, wenn es eine Unterversorgung oder Krisensituation gibt. Eine Unterversorgung gibt es nicht. Das gilt auch für die Kinder- und Jugendmedizin.

"Drive-In-Mentalität" ersetzt Hausärzte nicht

Weil die Kindermedizin aber im Dezember in einer Krisensituation war, hat es eine Art Sonderermächtigung gegeben, die aber sehr eng gestrickt ist: Denn nur für drei Monate dürfen Kinder und Jugendliche mit Infektionen in der Kinderambulanz am Brill versorgt werden – länger nicht.

Laut Mühlenfeld ersetze so eine Ambulanz nicht die nötige Gesundheitsversorgung in den Stadtteilen, sowohl bei Kinder- und Jugendlichen als auch bei Hausärzten.

Die Versorgung von Patienten in diesem Zentrum würde keine wirkliche Verbesserung der Versorgung bedeuten, sondern es wäre so eine Drive-in-Mentalität: Man fährt dahin, holt sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder kriegt ein Pflaster auf eine Wunde. Aber das hat nichts mit hausärztlicher Versorgung zutun.

Hans Mühlenfeld

Denn bei Hausärztlicher Versorgung geht es auch darum, dass Hausärzte ihre Patientinnen und Patienten über viele Jahre hinweg begleiten und beraten. Außerdem gebe es laut den Ärzteverbänden jedes Jahr Infektionswellen, die die Praxen überlasten. Deshalb muss das System und die Versorgung insgesamt angepasst werden.

Eine Ärztin untersucht das Ohr einer Patientin.

Weiterhin Anspannung in Bremer Hausarztpraxen

Bild: dpa | Klaus Rose

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Autorin

  • Lisa-Maria Röhling
    Lisa-Maria Röhling

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 26. Januar 2023, 19:30 Uhr