Einsatzkräfte tauschen sich aus: Was könnte gegen Gewalt helfen?

In einer Hall stehen Feuerwehrautos  und Garderoben mit Uniformen.

Gewalt gegen Einsatzkräfte: Betroffene suchen Austausch und Lösungen

Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski

Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte – in Loxstedt bei Bremerhaven haben Betroffene den Austausch und Lösungen gesucht. Sie machen erschreckende Erfahrungen.

Viele Rettungssanitäter wurden bereits im Einsatz angegriffen, getreten und niedergeschlagen oder Polizisten mit Raketen beschossen. Ärzte und Pflegekräfte wissen oft nicht, wie der nächste Patient auf sie reagieren wird. Auch sexuelle Übergriffe soll es geben. Die Liste von Vorfällen ist lang, Fälle ähneln und wiederholen sich. Im Loxstedter Präventionsrat haben Betroffene nun Situationen und Strategien diskutiert.

Ein Mann sitzt vor etlichen Bildschirmen in einem abgedunkelten Raum.
Die Leitstelle der Feuerwehr Bremerhaven hat den Überblick. Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski


Wenn in der Leitstelle der Feuerwache in Bremerhaven ein Notruf eingeht, machen sich die Rettungskräfte so schnell sie können auf den Weg – um zu helfen. Was sie genau vor Ort erwartet, wissen sie oft nicht. Sanitäter Florian Kaste rechnet stets mit dem Unerwarteten.

Ich bin selbst nach 25 Jahren noch aufgeregt. Gut, dass ich das bin. Mein Herz liegt bei Empathie und der Arbeit für den Patienten. Ich bereite mich auf den Einsatz vor, auch auf Gewalt, wenn man zum Beispiel zu Schlägereien fährt.

Florian Kaste, Rettungskraft

Auch Krankenhäuser und Praxen von Gewalt betroffen

Dass er Opfer eines Übergriffs werden könnte, hat der Rettungssanitäter immer im Hinterkopf. Diesen Gedanken versucht er aber im Arbeitsalltag bestmöglich zu verdrängen. Denn, so sagt er, Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte sind mittlerweile zur bitteren Normalität geworden. "Ich glaube, ich habe mich daran gewöhnt", sagt er. "Das ist mein Job und auch das Gefahrenpotenzial – natürlich ist das traurig."

Neben Feuerwehrautos liegt eine Uniform auf dem Boden.
Einsatzkräfte haben viele negative Erfahrungen abzustreifen. Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski

Und nicht nur Einsatz- und Rettungskräfte sind von solchen Übergriffen betroffen. Auch in Arztpraxen und Krankenhäusern gehören diese Situationen schon irgendwie dazu. Jörg Vierlings, der Leiter der Notaufnahme im Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide, musste erst kürzlich selbst eine solche Erfahrung machen. Er wurde im Dienst niedergeschlagen.

Ich wurde von einem sehr aggressiven Patienten, der eine Patientin angegriffen hatte, beim Versuch sie zu schützen niedergestreckt. Es ist eine sehr traurige Entwicklung: Da, wo geholfen werden soll, werden Helfer angegriffen, beleidigt oder sexuell belästigt.

Jörg Vierlings, Leiter Notaufnahme Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide

Arzt trägt Gehirnerschütterung davon

Mehrere Personen stehen mit Mikrofonen in einer Turnhalle an Stehtischen.
Der Loxstedter Präventionsrat lud zur Diskussion. Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski

Vierlings wurde von einem Moment auf den anderen vom Helfer zum Opfer: "So schnell geht es – Gehirnerschütterung, einen Tag im Krankenhaus und danach noch fünf Tage krank." Zur Anzeige werden längst nicht alle Vorfälle gebracht – teilweise aus Angst, Scham oder Resignation. Aber auch, weil im Arbeitsalltag schlicht keine Zeit dafür da ist, sagt Vierlings. Deshalb soll auf das Thema aufmerksam gemacht werden.

Der Loxstedter Präventionsrat hat sich dem Thema nun verschrieben. Zur Veranstaltung kamen rund 160 Interessierte. Es wurde berichtet und nach Lösungen gesucht. Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) glaubt, jeder könne etwas beitragen. Sie hofft auf ein Umdenken in der Bevölkerung.

Das ist nichts, wo man einfach einen Hebel verändern kann. Wir müssen in der Gesellschaft darüber sprechen, wie wir respektvoll miteinander umgehen, was jeder tun kann. Ein Präventionsrat, wie hier in Loxstedt, ist im Grunde die Keimzelle von so einem Prozess. Deswegen finde ich es toll, dass man sich dem hier gestellt hat.

Daniela Behrens, Innenministerin Niedersachsen

Polizei regt "Blaulichttag" an

Auch bei der Polizei sind Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten nahezu an der Tagesordnung. Übergriffe auf Einsatzkräfte werden quasi direkt mit aufgenommen. Das ist der Arbeitsalltag der Beamten. Dem Leiter der Polizeidirektion Cuxhaven, Michael Hasselmann, liegt das Thema sehr am Herzen. Er schlägt eine Aktion vor, die einerseits wachrütteln, aber auch Wertschätzung den Rettungs- und Einsatzkräften gegenüber zeigen soll – ein sogenannter "Blaulichttag".

Die Idee wäre, dass wir alle im Landkreis Cuxhaven unter dem Motto "Respekt für die Einsatzkräfte" zu einer bestimmten Zeit ein blaues Licht ins Fenster stellen – als Ausdruck für den Respekt für die Blaulicht-Menschen.

Michael Hasselmann, Leiter Polizeidirektion Cuxhaven

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Autorin

  • Porträt Sina Derezynski
    Sina Derezynski Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Tag, 12. April 2024, 14:40 Uhr