Trinken Sie zu viel Alkohol? Das sagen Bremer Experten

Nach der Sucht: So ist das Leben ohne Alkohol für diesen Bremer

Bild: dpa | empics/Johnny Green

Ein Bier zum Fußballspiel oder ein Glas Wein im Restaurant: Alkohol ist oft mit Genuss verbunden, aus medizinischer Sicht aber ein Risiko. Dann wird Ihr Konsum zum Problem.

Alkohol ist ein Genussmittel, das man sich gerne gönnt und das gesellschaftlich weitgehend akzeptiert ist. Im Vergleich zu manchen europäischen Nachbarn stehen hierzulande bunte Spirituosen in Supermarktregalen und Kioskfenstern. Nicht selten sammeln Jugendliche schon früh ihre ersten Erfahrungen mit der Substanz – und ab 16 Jahren sind Bier, Wein und Sekt sowieso erlaubt.

Wer ab und zu trinkt, schadet seiner Gesundheit normalerweise nicht, oder? Lange galt der Grenzwert von zwölf Gramm Alkohol pro Tag für Frauen. Das entspricht etwa einer 0,33-Liter Flasche Bier. Für Männer galt das Doppelte. Wissenschaftlich ist das inzwischen überholt, meinen Bremer Experten. Und erst kürzlich hat die WHO ihre Haltung zum Alkoholkonsum korrigiert. Das Fazit der Organisation ist ernüchternd: Alkoholkonsum ohne Risiko gibt es nicht.

"Problematisch wird es, wenn Alkohol eine Funktion bekommt"

Anstoßen mit Sekt
Feste laden zum Anstoßen ein, dazu wird gerne auf ein Glas Sekt zurückgegriffen. Bild: dpa | Anastasiya Amraeva

Alkohol ist letztendlich ein Nervengift, das unter anderem die Leber sehr stark beschädigen und zu Folgeerkrankungen wie Depressionen oder Nervenschäden führen kann. Wer regelmäßig eine bestimmte Trinkmenge überschreitet, habe einen riskanten Konsum und setze sich diesen gesundheitlichen Risiken aus, erklärt die geschäftsführende Leiterin der Ambulanten Suchthilfe Bremen, Beatrix Meier. Auch das Risiko, in eine Abhängigkeit zu geraten, steige dann. Aber: "Nicht jeder, der am Wochenende Alkohol trinkt, entwickelt eine Abhängigkeit", beruhigt Meier.

Von riskantem Konsum zu Abhängigkeit gibt es eine Brücke. Aber es ist nicht gleich so, wenn jemand riskant konsumiert, dass die Person eine Abhängigkeit hat.

Beatrix Meier, Geschäftsführende Leiterin der Ambulanten Suchthilfe Bremen

Viel mehr könnten bestimmte Lebensumstände dazu führen, von einem riskanten Konsum über eine längere Zeit in die Sucht abzurutschen. Gefährlich werde es dann, wenn der Alkohol eine bestimmte Funktion bekomme, meint Eileen Strupat, Leiterin der Bremer Fachambulanz für Sucht bei der Caritas: "Wenn ich also nicht mehr trinke, weil ich das Glas Wein bei der Pizza genieße, sondern um meinen stressigen Alltag zu vergessen." Trinken, um die Hemmungen zu verlieren, um kommunikativer zu werden oder zu entspannen – das könne ein erstes Alarmzeichen sein.

Ab wann gilt man als abhängig?

Auf tausend Einwohner kommen im Land Bremen 22 Alkoholkranke. Laut einer Barmer-Studie von 2021 steht Bremen mit dieser Quote bundesweit an der Spitze. Expertin Strupat befürchtet allerdings, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. "Es gibt immer noch viele Menschen, die wir mit dem Hilfesystem bisher nicht erreichen", sagt die Leiterin der Suchtambulanz.

Gerade wenn Menschen mit einer Abhängigkeit im Alltag noch gut zurechtkommen, würden diese sich selbst oft nicht eingestehen, dass ihr Konsum problematisch ist. "In vielen Fällen brauchen Menschen zunächst negative Konsequenzen des Konsums, um sich das eingestehen zu wollen."

Alkoholproblem einfach ansprechen?

Alkoholabhängigkeit sei noch immer stigmatisiert, sagt Beatrix Meier. "Interessanterweise denken wir immer, dass wir jemandem auf die Füße treten." Das mache es schwierig, jemanden auf dessen Sucht anzusprechen. Dabei habe es eine Wirkung, weiß die Expertin, selbst wenn der Betroffene das Thema erst nicht an sich heranlasse.

Jemanden als Alkoholiker zu bezeichnen, ist gesellschaftlich immer noch schwieriger als jemanden als depressiv zu beschreiben.

Beatrix Meier, Geschäftsführende Leiterin der Ambulanten Suchthilfe Bremen

Die Expertin rät: Einfach ansprechen, denn wenn man nichts mache, dann verändere sich auch das Verhalten nicht. Als passenden Einstieg in das schwere Thema eigneten sich Ich-Botschaften, die die eigene Beobachtung in den Vordergrund stellen, ohne sich dabei wertend zu äußern, erklärt Meier. "Wenn ich einfach klar jemandem sage: Ich nehme wahr, wenn du unter Alkohol bist, dass du es nicht hinbekommst zu stoppen. Ich nehme war, dass dein Konsum gestiegen ist."

Eigenen Konsum reflektieren

Die Erkenntnis, dass der Konsum problematisch ist, sei der erste Schritt, meint Martin Zinkler, Chefarzt für Suchtmedizin beim Bremer Klinikverbund Geno. Um an diesen Punkt zu kommen, könnten Konsum- bzw. Trinktagebücher und Apps helfen. Sie würden dabei unterstützen, das eigene Konsumverhalten einzuordnen. Der zweite Schritt, so der Chefarzt, sei der Entschluss, etwas dagegen zu unternehmen und sich dabei Hilfe zu holen.

Das sehen auch Beatrix Meier und Eileen Strupat so. "Eine Beratungsstelle hilft nicht erst, wenn eine Abhängigkeit da ist, sondern auch eine zu verhindern." Manchmal läge die Lösung darin, einfach weniger Alkohol zu trinken, um gesundheitliche Risiken zu senken, gibt Meier zu bedenken.

Abstinenz ist der sicherste Weg, aber wenn man merkt, dass eine Reduktion der betroffenen Person hilft, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, dann ist das okay.

Beatrix Meier, Geschäftsführende Leiterin der Ambulanten Suchthilfe Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 3. Dezember 2023, 19:30 Uhr