Ein totes Kind im Kühlschrank – der Fall Kevin

Collage zeigt Dirk Blumenthal und Jochen Grabler, daneben der Schriftzug Mord Nordwest

Ein totes Kind im Kühlschrank – der Fall Kevin

Bild: Radio Bremen | Josefine Gotzes, Grafik: Christina Loock und Sabina Weinrich

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Im Kühlschrank eines Drogenkranken liegt eine Kinderleiche – der kleine Kevin wurde totgeprügelt. Ein Fall von Behördenversagen, der Deutschland erschüttert.

Kind Kevin sitzt zuhause in seinem Kinderstuhl, im Hintergrund seine Mutter.
Kevin im Alter von etwa einem Jahr. Bild: Radio Bremen | privat

"Es war ein Unfall", sagt der Mann, nachdem die Polizei gewaltsam in seine Wohnung eingedrungen ist. "Er ist in der Küche", sagt er weiter. "Er", das ist Kevin, zwei Jahre alt. Die Polizisten finden ihn im Kühlschrank, eingewickelt in Müllsäcke und eine Decke. Er ist seit mehreren Monaten tot. Woran genau er gestorben ist, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen. Bei der Obduktion werden 24 Knochenbrüche festgestellt, an Armen, Beinen, Rippen, am Schädel, dazu zahlreiche Blutergüsse. Kevin wurde zu Tode geprügelt. Und der Täter, da gibt es keinen Zweifel, ist eben der Mann, in dessen Kühlschrank er gefunden worden ist: sein Vater, oder jedenfalls der Mann, der als sein Vater galt, solange Kevin lebte. Dass er nicht der Vater ist, wird erst später festgestellt.

Tod unter amtlicher Aufsicht

Ein roten Plüschherz, Kerzen und selbstgemalte Schilder stehen vor dem Bremer Landgericht.
Mahnung zum Prozessauftakt vor dem Bremer Landgericht. Bild: dpa / Picture Alliance / AP | Jörg Sarbach

Am Tag nach dem schrecklichen Fund, am 11. Oktober 2006, tritt Bremens Sozialsenatorin zurück. Sie fühlt sich mitverantwortlich für den Tod des Kindes. Kevin hat nämlich seit seiner Geburt unter Aufsicht des Jugendamtes gestanden und seit dem Tod seiner Mutter im November 2005 sogar unter Amtsvormundschaft. Seine Eltern waren beide drogensüchtig und mehrfach vorbestraft. Immer wieder hat es schwere Zweifel daran gegeben, dass sie in der Lage sind, sich angemessen um das Kind zu kümmern. Aber die zuständigen Beamten lassen Kevin trotz aller Bedenken bei den Eltern, selbst nachdem er – gerade mal neun Monate alt – mit schweren Verletzungen in eine Kinderklinik eingeliefert worden ist. Erst im Herbst 2006 finden die Behördenvertreter dann doch, dass "das Kindeswohl gefährdet" und die "Inobhutnahme" nötig ist. Da ist Kevin aber längst tot.

Kollektives Versagen in der Behörde

Kevins Vater ist später zu zehn Jahren Gefängnis wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden. Und es hat einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu der Sache gegeben. In dessen Abschlussbericht heißt es:

Der Tod von Kevin ist […] von vielen Zuständigen nicht verhindert worden, obwohl sie die Möglichkeit hatten.

Auszug aus dem Bericht, Bremischen Bürgerschaft

Dies sei "in hohem Maße auf individuelles Fehlverhalten mehrerer beteiligter Personen zurückzuführen." Darüber hinaus kommt der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass "politischer und verwaltungsinterner Spardruck stark auf den Bereich der Jugendhilfe gewirkt hat."

Autoren

  • Dirk Blumenthal
    Dirk Blumenthal Autor
  • Jochen Grabler
    Jochen Grabler Redakteur und Autor