Werder-Legende Rehhagel feiert Geburtstag: "König Otto" wird 85

Otto Rehhagel hält 1988 die Meisterschale hoch.
Der große Coup: Mit Werder gewann Otto Rehhagel 1988 erstmals die Deutsche Meisterschaft.
Bild: dpa | Thomas Wattenberg

Aus Werder formte Otto Rehhagel einst ein Spitzenteam, mit dem er gleich fünf große Titel gewann. Eine Legende ist "König Otto" jedoch weit über die Bremer Grenzen hinaus.

Kaum ein Trainer hat den Fußball in Deutschland so geprägt wie Otto Rehhagel. Gleich 14 Jahre am Stück trainierte Rehhagel einst Werder und avancierte dabei an der Weser zur Legende. Diesen Status besitzt er nicht nur in Bremen, sondern auch in Kaiserslautern und Griechenland. Auch dort gelang es ihm trotz kleiner Mittel große Titel zu gewinnen.

Dass der nun 85-Jährige einmal derart erfolgreich wird, zeichnete sich zunächst nicht ab. Rehhagel war als Fußballer zwar talentiert, als beinharter Verteidiger in seinem Können allerdings auch limitiert. Aufgewachsen ist der Sohn eines Bergmanns in Essen, wo er auch mit dem Fußballspielen begann. Die ehrlichen und einfachen Bergleute haben ihn in seinem Leben geprägt. "Wer korrekt mir gegenüber ist, der wird von mir korrekt behandelt. So war das immer", gab der gelernte Maler und Anstreicher einst als Devise seines Handelns aus.

Als Spieler wechselte Rehhagel 1960 mit 21 Jahren vom TuS Helene Essen zu Rot-Weiss Essen. Drei Jahre später riefen mit der Gründung der Bundesliga Hertha BSC und die Hauptstadt. Direkt am ersten Spieltag, dem 24. August 1963, stand er beim 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg in der Startelf der Berliner. "Am gleichen Abend habe ich mich verlobt", verriet Rehhagel später. Seine Ehefrau Beate ist seit jeher seine treue Begleiterin im Leben.

Rehhagel war erst ein klassischer Feuerwehrmann

201 Partien bestritt Rehhagel in der Beletage für die Berliner und den 1. FC Kaiserslautern. Die letzte davon im September 1971, ehe der damals 33-Jährige aufgrund einer Knorpelabsprengung im Knie seine Karriere beenden musste. Rehhagel hatte jedoch vorgesorgt und bereits einen Trainerlehrgang absolviert. Schon als Spieler in Kaiserslautern trainierte er parallel den Bezirksligisten FV Rockenhausen. Im Sommer 1972 übernahm er den Regionalligisten 1. FC Saarbrücken. Nachdem er bei Kickers Offenbach zunächst Erfahrungen als Assistenztrainer gesammelt hatte, agierte er am Bieberer Berg ab März 1974 erstmals als Cheftrainer in der Bundesliga.

Der Beginn einer steilen Karriere war dies allerdings nicht. Die Zeit in Offenbach endete, weil er Schiedsrichter Walter Eschweiler vorwarf, bestochen worden zu sein. Der DFB verurteilte den damals 37-jährigen Rehhagel im November 1975 zu einer zweimonatigen Strafe. Direkt im Anschluss trennten die Kickers sich von ihm.

Otto Rehhagel feiert den DFB-Pokal-Sieg 1980.
Der erste große Titel als Trainer: Mit Fortuna Düsseldorf gewann Otto Rehhagel 1980 den DFB-Pokal. Im Finale gab es einen 2:1-Sieg gegen den 1. FC Köln. Bild: dpa | Sven Simon

Bei seinen weiteren Stationen in Bremen, wo er erstmals im Februar 1976 übernahm und Werder bis zum Sommer zum Klassenerhalt führte, bei Borussia Dortmund (Juli 1976 bis April 1978), in Ostwestfalen bei Arminia Bielefeld (Oktober 1978 bis Oktober 1979) und bei Fortuna Düsseldorf (Oktober 1979 bis Dezember 1980) erarbeitete Rehhagel sich den Ruf des klassischen Feuerwehrmanns, der schnell für Erfolg sorgt. Mit den Düsseldorfern gewann er 1980 sogar den DFB-Pokal. Nachgesagt wurde ihm jedoch, dass er es nirgendwo lange aushält und stets rasch zum nächsten Verein weiterzieht.

Bei Werder wurde Rehhagel zu "König Otto"

Niemand hätte seinerzeit gedacht, dass Rehhagel bei einem Klub mal eine Ära prägt, wie er es ab April 1981 dann bei Werder tat. Weil der bisherige Trainer Kuno Klötzer einen Autounfall erlitt, übernahm der seinerzeit 42 Jahre alte Rehhagel erneut an der Weser.

Willi Lemke, Dr. Franz Böhmert und Trainer Otto Rehhagel posieren 1981 vor einem Flipchart.
Mit Manager Willi Lemke (rechts) und Präsident Dr. Franz Böhmert (links) bildete Otto Rehhagel bei Werder ein erfolgreiches Trio. Bild: Imago | Schumann

Mit den Bremern schaffte er aus der 2. Liga den direkten Wiederaufstieg und formte aus Werder gemeinsam mit Manager Willi Lemke und Präsident Dr. Franz Böhmert ein echtes Spitzenteam. Nach drei Vize-Meisterschaften (1983, 1985, 1986) gelang 1988 mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft erstmals der große Wurf.

Mannschaft und Fans liebten Rehhagel in Bremen. "Ich muss Sie kritisieren, aber als Menschen sind Sie mir heilig", sagte er einst zu seinen Spielern, die er stets siezte. Die Fans tauften ihn "König Otto". Nur mit den Journalisten, die für ihn allesamt "bösartige Leute" waren, haderte er in seiner gesamten Karriere. "Wer Erster ist, hat immer recht. Ich habe also recht. Und wenn ich Fünfter bin, können Sie wieder mit mir reden", gab er diesen einst mit auf den Weg.

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    Als Werder-Trainer holte er fünf Titel. Die Bremer liebten Otto Rehhagel, und er liebte die Bremer. Nur sein Verhältnis zu den Journalisten war schwierig.

Rehhagel räumte mit den Bremern die Titel ab

Erster war Rehhagel jedoch oft. Nach der Meisterschaft 1988 gewann er mit Werder 1991 den DFB-Pokal, 1992 den Europapokal der Pokalsieger, 1993 erneut die Deutsche Meisterschaft und 1994 noch einmal den DFB-Pokal. Es ist die bis heute erfolgreichste Phase des Klubs.

Im Februar 1995 sorgte Rehhagel jedoch für einen Schock in Bremen und verkündete seinen Wechsel zum FC Bayern. Nach 14 Jahren verließ er Werder, um nochmal etwas Neues zu erleben. "König Otto von Bremen, hast so lang und gut regiert. Warst mehr als ein Trainer, wusstest immer, was passiert", sangen seine Spieler zum Abschied des damals 56-Jährigen.

Die böse Schmach bei den Bayern in München

An der Isar sollte Rehhagel wie zuvor an der Weser eine Ära prägen. Es endete jedoch in einem Intermezzo. Die Bayern und Rehhagel, das war ein einziges großes Missverständnis. Mit dem Starensemble in München wurde er nie warm. Mehmet Scholl ätzte öffentlich gegen ihn. "Wir spielen seit acht Wochen und haben noch immer keine Taktik", schoss der Mittelfeldspieler damals gegen seinen Trainer. Auch mit der erheblich größeren Medienlandschaft in München kam er nicht zurecht. Als diese heraus fand, dass an seiner Haustür der Name "Rubens" stand, spottete der Boulevard: "Vom Malermeister zum Meistermaler."

Otto Rehhagel und Franz Beckenbauer tragen Kappen mit der Aufschrift "Otto find ich gut".
Ein König unterm Kaiser? "Otto find ich gut" galt bei Franz Beckenbauer nur ganz am Anfang. Rasch legte er bei den Bayern mit öffentlicher Kritik an Otto Rehhagel los. Bild: Horstmüller

In Bremen genoss Rehhagel zudem immer die Rückendeckung der Vereinsführung. Ganz anders war es nun bei den Bayern. Präsident Franz Beckenbauer übte immer wieder öffentlich Kritik und soll ihm sogar in die Mannschaftsaufstellung reingeredet haben. Nach einer 0:1-Niederlage gegen Hansa Rostock entließen die Münchner ihn im April 1996 schließlich. Fünf Tage vor dem Uefa-Cup-Finale gegen Girondins Bordeaux, bei dem dann Beckenbauer auf der Trainerbank saß und mit dem Team den Titel holte.

Mit Aufsteiger Kaiserslautern holte Rehhagel die Meisterschale

Kleinkriegen ließ Rehhagel sich davon jedoch nicht. Stattdessen ging er im Sommer 1996 zurück nach Kaiserslautern. Mit "Hier darfst du wieder Otto sein" lockte ihn Präsident und Freund Jürgen Friedrich zum Zweitligisten in die Pfalz. Im beschaulichen Kaiserslautern fand er sich auf Anhieb wieder zurecht und schaffte mit den "Roten Teufeln" prompt den Wiederaufstieg. Zurück in der Bundesliga holte er mit den Lauterern in der Saison 1997/98 direkt einen 1:0-Sieg bei den Bayern, den Rehhagel genussvoll mit einem Jubellauf durch das Olympiastadion feierte.

Otto Rehhagel hält die Meisterschale 1998 hoch.
Die Sensation: Mit Aufsteiger Kaiserslautern gewann Otto Rehhagel 1998 die Deutsche Meisterschaft. Sowas ist in der Bundesliga zuvor und bis heute keinem anderen Trainer gelungen. Bild: Imago | Oliver Behrendt

Es war der Beginn einer Sensation. Mit dem FCK marschierte Rehhagel durch die Bundesliga. Am Ende schnappten die Pfälzer sich am 33. Spieltag durch einen 4:0-Sieg gegen den VfL Wolfsburg die Meisterschale. Ein Aufsteiger als Deutscher Meister – so etwas gab es in der Bundesliga zuvor noch nie. Am Betzenberg baute Rehhagel wieder eine Spitzenmannschaft auf, geriet aber auch mit dem ein oder anderen Star aneinander. Als die Stimmung gegen ihn kippte, trat er nach mehr als vier Jahren im Oktober 2000 zurück.

Aus "König Otto" wurde bei den Griechen "Rehakles"

Auch mit 62 Jahren hatte Rehhagel allerdings noch lange nicht genug vom Fußball. Erstmals übernahm er bei den Griechen einen Job als Nationaltrainer. Schon die Qualifikation für die EM 2004 war ein riesiger Erfolg. Was dann kam, hatte zuvor niemand für möglich gehalten. Rehhagel ließ nicht "modern", aber erfolgreich spielen. Statt auf eine Viererkette setzte er mit seinem Team auf klassische Manndecker und einen Libero. "Modern ist, wer gewinnt", unkte Rehhagel damals.

Otto Rehhagel feiert den EM-Titel 2004.
Aus "König Otto" wurde "Rehakles": Die Griechen wussten, was sie Otto Rehhagel zu verdanken haben. Bild: dpa | Thanassis Stavrakis

Der Erfolg gab dem seinerzeit 65-Jährigen beim Turnier in Portugal recht. Mit dem krassen Außenseiter schaltete er die Topteams Spanien, Frankreich und Tschechien aus, ehe die Griechen im Finale gegen Portugal den europäischen Fußball-Olymp erklommen. Wie Rehhagel das schaffte? "Die Griechen haben die Demokratie erfunden. Ich habe eine demokratische Diktatur eingeführt", scherzte er über seine Art der Mannschaftsführung. Der DFB wollte ihn nach dem Coup mit Griechenland als Nationaltrainer für die WM 2006 verpflichten, doch Rehhagel lehnte dankend ab. Stattdessen blieb er noch bis 2010 bei den Griechen und ging nach der WM in Südafrika.

Das Ende seiner Laufbahn war dies indes noch nicht. Im Februar 2012 kehrte er noch einmal nach Berlin zurück. Dorthin, wo in der Bundesliga 49 Jahre vorher für ihn einst alles begann. Hertha BSC sollte er als Feuerwehrmann vor dem Abstieg retten. Dass dies nicht gelang, nahm ihm am Ende keiner übel. 832-mal stand Rehhagel insgesamt in der Bundesliga als Cheftrainer an der Seitenlinie. Damit setzte der nun 85-Jährige eine Rekordmarke, die kaum zu knacken ist.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 9. August 2023, 7:40 Uhr