Interview
Dieser Mann ist Bremens Sportler des Jahres – aber wer ist er?
Im Tischtennis ist Mattias Falck Weltklasse und doch der nette Schwede von nebenan. Wir sprachen mit Werders Star übers Glücklichsein, schräge Frisuren und Langzeitbeziehungen.
Mattias Falck ragt heraus und das nicht nur, weil der Schwede 1,92 Meter groß ist. Im Tischtennis ist seine enorme Reichweite sicher kein Nachteil, abseits der Platte aber mag der 31-Jährige lieber nicht so gerne im Rampenlicht stehen. "Ich bin ganz froh, dass ich in Bremen auf der Straße nicht erkannt werde", erzählt Falck im Interview mit dem Sportblitz.
Das könnte sich nun ändern, denn Falck wurde gerade zu Bremens Sportler des Jahres gewählt. Wir haben mit dem Welt- und Europameister darüber gesprochen, warum Schweden die glücklichsten Menschen sind, weshalb er kein Haarfärbemittel mehr anrührt und wieso er der Typ für Langzeitbeziehungen ist.
Mattias Falck, wenn wir an Schweden denken, dann denken wir an Ikea, ABBA, Astrid Lindgren, Marabou-Schokolade, Elche und Greta Thunberg. Aber was ist denn wirklich typisch schwedisch?
Ja, an Ikea und Marabou-Schokolade denken wohl viele bei Schweden als Erstes, das sind unsere bekanntesten Marken. Und ich mag die Schokolade ehrlich gesagt auch gerne (lacht). Aber um uns zu beschreiben, würde ich sagen, Schweden sind freundlich, aber eher ruhiger und zurückhaltender.
Inwieweit zurückhaltender?
Also bei uns sagt man: Wenn vier Leute in einen Fahrstuhl gehen, dann stellt sich jeder von ihnen in eine Ecke. Wir stehen nicht dicht zusammen, wir mögen unseren persönlichen Freiraum. Oder in einem Bus muss es wirklich schon sehr voll sein, damit wir uns neben jemanden setzen, den wir nicht kennen.
Der persönliche Freiraum scheint aber gut zu tun, Schweden zählen ja zu den glücklichsten Menschen der Welt. Warum ist das so?
Ich wünschte, ich hätte eine gute Antwort darauf. Ich kenne die Studie auch, aber ich weiß nicht, warum wir glücklicher sind als andere.
Hat es vielleicht mit "Fika" zu tun? Die häufigen Kaffeepausen, die Schweden gerne am Tag einlegen?
Das könnte tatsächlich sein. Die meisten Schweden trinken täglich wirklich sehr viel Kaffee, wir brauchen unsere Pausen. Vielleicht macht das entspannter und glücklicher. Ich trinke auch sehr viel Kaffee, aber schlafen kann ich gut. Selbst nach einem doppelten Espresso am Abend.
Sie sind mit Ihrer Frau zusammen seit Sie 17 Jahre alt sind, Ihre Tochter ist drei. Dann sind Sie also der Prototyp des glücklichen Schweden?
(lacht) Ja, das stimmt, ich bin wirklich ein Glückspilz. Ich habe eine tolle Familie, die mich sehr unterstützt. Ich bin ja sehr oft unterwegs und es ist ein schönes Gefühl, dass sie für mich da sind. Wir sprechen dann viel per Video, das ist nicht immer leicht. Aber es ist das Leben, das ich mir ausgesucht habe.
Sie haben sich schon sehr früh für Tischtennis entschieden. Wie kam das?
Mein Vater hat Tischtennis gespielt, zwar nicht im Nationalteam, aber in der höchsten schwedischen Liga. Ich war schon immer mit ihm in der Halle, mit vier Jahren habe ich dann angefangen, mit ihm zu spielen und mit sieben Jahren war ich im Verein. Wegen meines Vaters fing alles an.
Sie hatten Ihre Tochter auch schon beim Training dabei, als sie noch im Kinderwagen lag. Wächst da die nächste Tischtennis-Generation heran?
Wir werden sehen, sie soll selbst entscheiden, was sie machen möchte. Vielleicht hat sie auch mal Spaß daran. Inzwischen versteht sie schon ein bisschen, dass das mein Beruf ist. Oder zumindest, dass ich sehr viel Tischtennis spiele.
Wann fiel die Entscheidung, dass Sie Profi werden wollen?
Das war mit 16 Jahren, da bin ich dann für vier Jahre auf ein Tischtennis-Internat gegangen. Das war zwar 550 Kilometer von zu Hause weg, aber mir gefiel es dort. Das waren meine ersten Schritte als Profi und ich hatte in meiner Karriere auch mal sehr schwierige Phasen. Bereut habe ich meine Entscheidung für Tischtennis aber nie.
Also haben Sie nie bereut, nicht doch Fußball-Profi geworden zu sein? Sie sind ja großer Fan von Manchester United.
Das stimmt, ich bin ein großer Fußball-Fan und schaue mir viele Spiele an. Manchester United war schon immer mein Lieblingsverein, aber auch Djurgårdens aus Stockholm. Und seit ich in Bremen spiele, verfolge ich natürlich auch Werder. Bis ich 14 Jahre alt war, habe ich selbst noch Fußball gespielt. Meistens als Verteidiger, wegen meiner Größe. Aber dann musste ich mich für eines entscheiden und wählte Tischtennis.
Mit Zlatan Ibrahimovic gibt es ja einen berühmten Fußball-Rebellen aus Schweden. Waren Sie auch einer als Teenager oder wie sind Ihre bunten Haare damals zu erklären?
Nein, ich habe mit 16, 17 Jahren einfach sehr viel ausprobiert. Da war ich noch auf der Suche nach meinem Style (lacht). Ich habe mal schwarz, gelb, weiß und anderes blond probiert. Ungefärbt gefällt es mir jetzt besser. Nur die Fotos gibt es leider noch im Internet.
Ihr Doppelpartner Kristian Karlsson war damals zumindest bei den Frisuren weniger experiementierfreudig. Sie spielen zusammen seit Sie beide 15 Jahre alt waren. Warum passt es mit Ihnen so gut?
Stimmt, ich glaube, er hat sich noch nie die Haare gefärbt. Da war er feige (lacht). Aber ich würde sagen, wir sind uns schon ähnlich. Kristian schaut zwar nicht ganz so viel Fußball wie ich, aber wir haben gemeinsame Interessen. Und im Tischtennis verstehen wir uns blind. Durch das viele Reisen zu den Turnieren sind wir über die Jahre die besten Freunde geworden.
Und er war Ihr Trauzeuge bei Ihrer Hochzeit – aber offenbar nicht perfekt vorbereitet. Was ist denn da mit Ihren Krawatten schief gelaufen?
(lacht) Wir hatten beide absolut keine Ahnung, wie man eine Krawatte bindet. Das hätten wir wirklich vorher üben sollen. Wir mussten uns also noch schnell ein Youtube-Tutorial auf dem Handy anschauen. Aber es hat dann zum Glück noch geklappt.
Sie beide haben fünf Weltmeisterschaften gemeinsam gespielt und zuletzt in Houston endlich den Titel gewonnen. Die Goldmedaille als Sheriff-Stern haben Sie mitgenommen – aber wo sind die Cowboyhüte geblieben?
Die Cowboyhüte haben wir tatsächlich in Houston gelassen, unser Taschen waren schon zu voll. Die waren nicht ganz mein Stil, mit 17 hätte ich den vielleicht noch getragen (lacht). Aber der WM-Titel hat sich richtig gut angefühlt, endlich, im fünften Anlauf. Für uns als Europäer ist es in unserem Sport nicht leicht. Dass wir danach auch noch EM-Gold geholt haben, bedeutet mir unheimlich viel.
Aber Sie haben bei den European Championships in München im Sommer nicht nur Gold im Doppel, sondern auch Bronze im Einzel gewonnen – und mussten bei der Siegerehrung keine bayrischen Lederhosen tragen...
Zum Glück nicht – nein, im Ernst, es war ein tolles Event. Und mein Sieg gegen Truls (Möregardh, Anmerkung der Redaktion) war mein Highlight, er war ja einer der großen Titelfavoriten. Ich habe ein fantastisches Match gespielt und es fühlte sich gut an, zu zeigen, dass der Ältere eben manchmal doch der Bessere ist.
Für Gold im Einzel hat es am Ende nicht gereicht. Überwiegt da die Enttäuschung?
Das Turnierende war nicht so schön. Erst meine Halbfinalniederlage gegen Dang Qiu und Kristian hatte sich während seines Halbfinals die Hand an der Tischkante aufgeschnitten und musste ins Krankenhaus. Das war ein Dämpfer.
In Schweden sind Sie für Ihren Erfolg in München bereits ausgezeichnet worden, nun wurden Sie auch zu Bremens Sportler des Jahres gewählt. Was bedeutet Ihnen das?
Das ist eine große Ehre und es ist immer schön, ausgezeichnet zu werden. Mir bedeutet das viel, denn es zeigt, dass wahrgenommen wird, was man tut. Und es bedeutet, dass ich ein fantastisches Jahr hatte.
Werden Sie in Bremen auf der Straße eigentlich erkannt?
Nein, bisher nicht, aber das gefällt mir besser. So sind wir Schweden ja (lacht).
Ihren Freiraum lässt man Ihnen also in Bremen. Demnach gefällt es Ihnen hier…
Ich bin sehr gerne in Bremen, es fühlt sich nach vier Jahren bei Werder wie mein zweites Zuhause an. Die Leute hier sind sehr nett, im Verein fühle ich mich auch sehr wohl. Es ist sehr familiär.
Sie leben im hübschen Küstenort Halmstad im Süden Schwedens, etwa 600 Kilometer entfernt. Hat es Ähnlichkeiten mit Bremen?
Es ist auf jeden Fall schön für mich, dass Bremen recht nah an meinem Heimatort liegt. Halmstad ist zwar deutlich kleiner als Bremen, aber das Wetter ist hier sehr ähnlich, das gefällt mir. Auch etwas kälter – wie schwedisches Wetter.
Sie sind ja ganz offenbar der Typ für Langzeitbeziehungen. Ihr Vertrag läuft noch ein Jahr. Bei Werder Bremen heißt der Vereinsslogan "Lebenslang Grün-Weiß" – wäre das etwas?
Also lebenslang könnte schwierig werden, meinen Lebensabend würde ich doch gerne in Schweden verbringen (lacht). Aber wir werden sehen, ich fühle mich total wohl bei Werder. Und ich bin in Bremen glücklich. Erst einmal die nächste Saison und hoffentlich werden es dann noch ein paar Jahre mehr.
Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 9. März 2023, 18:06 Uhr