Fragen & Antworten

Zurück ins überschwemmte Haus? Was Bewohner vorher machen müssen

Sandsäcke liegen in Borgfeld bei Bremen bereit. Hier ist die Wümme über die Ufer getreten.
Häuser wie diese in Bremen-Borgfeld, die unter Wasser stehen, tragen vielfältige Schäden davon. Bild: dpa | Markus Hibbeler

In vielen Häusern steht das Wasser. Schäden an der Statik, den Rohren und Leitungen können die Folge sein. Ein Sachverständiger sagt, was Bewohner tun müssen.

So lange das überschwemmte Haus tatsächlich unter Wasser steht, geht gar nichts. Erst, wenn das Wasser weitgehend abgeflossen und das Haus von den Behörden freigegeben ist, können die Aufräumarbeiten beginnen – beziehungsweise können die Bewohner zunächst die Schäden analysieren. Sie sollten keine Zeit verlieren. Denn je länger Wasser Unheil im Haus anrichten kann, desto größer fallen die Schäden in der Regel aus.

Umso wichtiger ist ein planvolles Vorgehen, bei dem die Betroffenen sich und andere nicht gefährden dürfen, wie Verbraucherschützer betonen. buten un binnen hat mit einem Bremer Sachverständigen für Schäden an Gebäuden und mit der Verbraucherzentrale Bremen darüber gesprochen, was man in welcher Reihenfolge machen sollte, wenn man nach einer Überschwemmung in sein Haus zurückkehren möchte.

Karl Tischer pumpt Wasser aus dem Keller seines Hauses im Bremer Stadtteil Borgfeld.
Der Bremer Karl Tischer pumpt Wasser aus seinem Keller in Borgfeld. Pumpen sind das Mittel der Wahl, sobald sichergestellt ist, dass man ungefährdet Strom nutzen kann. Bild: dpa | Sina Schuldt

Was geschieht mit einem Haus, das überschwemmt wird?

Der Bremer Architekt Heiko Dörre-Wendorff, Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, sagt: "Wenn ein Haus erheblich im und unter Wasser steht, dann kann es – je nach Gewicht – wie ein Boot aufschwimmen." Fließe das Wasser wieder ab, könne es passieren, dass der tragfähige Boden unterhalb der Gründung des Gebäudes weggeschwemmt wird. Es könnten etwa auch Grundleitungen unter der Bodenplatte des Hauses betroffen sein.

Doch auch für den Fall, dass das Ausmaß der Schäden nach dem Abfließen des Wassers nicht offensichtlich ist, empfiehlt Dörre-Wendorff, dass ein Statiker oder Bodengutachter die Gründung des Hauses betrachtet, ehe man es wieder nutzt: "Es geht darum, Folgeschäden zu vermeiden." Dörre-Wendorff denkt dabei beispielsweise an Risse an Wänden und in der Bodenplatte.

Welche möglichen Schäden neben jenen an der Statik des Gebäudes sollten Betroffene im Blick haben?

Um zu überprüfen, ob die Grundleitungen unter dem Gebäude in Ordnung sind, empfehle es sich, ein Fachunternehmen wie beispielsweise einen Sanitärbetrieb damit zu beauftragen, diese Grundleitungen mit einer Kamera zu untersuchen, sagt Dörre-Wendorff. Auch rät der Sachverständige dringend davon ab, die Elektrik des Gebäudes wieder in Betrieb zu nehmen, bevor ein Fachbetrieb die elektrischen Anlagen wie die Anschlüsse, die Verteilung und die Zähler überprüft hat. Ohnehin müsse das Wasser vorher abgeflossen sein.

Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser im Haus von Familie Krauss im Bremer Stadtteil Borgfeld.
Wie hier im Haus der Borgfelder Famlie Krauss hinterlässt Hochwasser Spuren der Verwüstung. Bild: dpa | Sina Schuldt

In welcher Reihenfolge sollten Betroffene vorgehen?

Dörre-Wendorff empfiehlt, nach Möglichkeit alles zunächst mit der Versicherung abzuklären. Denjenigen, die keine geeignete Versicherung abgeschlossen haben, rät er, zunächst einen Fachbetrieb für Elektrik zu beauftragen: "Damit ich Strom habe und Kondensattrockner und Heizgeräte einsetzen kann." Bevor die Elektrik in dem betreffenden Gebäude überprüft ist, sollten auch Wasserpumpen nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie mit einem Stromaggregat betrieben werden, wenn man dazu also nicht auf die Stromversorgung des Hauses zurückgreifen muss.

Im nächsten Schritt würde Dörre-Wendorff den Statiker bestellen, um die Statik des Gebäudes zu untersuchen, und anschließend ein Fachunternehmen zur Überprüfung der Grundleitungen. "Alles natürlich möglichst zeitnah", fügt Dörre-Wendorff hinzu.

Im Falle der überschwemmten Gebäude in Borgfeld, Lilienthal oder in anderen ländlichen Regionen ist es mit einem Elektriker, einem Statiker und einer Kamerauntersuchung der Grundleitungen unter Umständen jedoch noch nicht getan, sagt der Sachverständige: "Wasser, das ins Gebäude gelangt ist, ist häufig kontaminiert." Entsprechend müsse man herausfinden, ob mit dem Wasser Schadstoffe ins Gebäude gelangt sind, etwa Öle oder Abwässer aus Tanks und Kanalisation oder auch Düngemittel, Pestizide und Fungizide aus der Landwirtschaft. "Das muss ein Schadstoff-Gutachter klären", sagt Dörre-Wendorff.

Porträt von Heiko Dörre-Wendorff
Der Bremer Architekt Heiko Dörre-Wendorff ist Sachverständiger für Schäden an Gebäuden und Mitglied im Bund Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter (BDSF). Bild: privat

Was gilt es zu tun, wenn das Haus vom Wasser befreit ist und vorerst keine Gutachter mehr benötigt werden?

Jetzt kommt es darauf an, dafür zu sorgen, dass das Haus schnell wieder trocken wird. Hierzu kommt man nicht umhin, über lange Zeiträume diverse Kondensatoren einzusetzen, um der Raumluft und den Wänden Feuchtigkeit zu entziehen, sagt Roland Stecher von der Verbraucherzentrale Bremen.

Noch aufwändiger ist das Austrocknen der Böden. "Das ist der Hauptpart", sagt Dörre-Wendorff dazu: "Die Böden kann man nicht einfach so mit Luft trocknen. Da muss eventuell der Estrich raus." Denn meistens befänden sich unter dem Estrich Dämmstoffe – die nach einer Überschwemmung nass seien und erneuert werden müssten.

Wie findet man seriöse Gutachter und Handwerker, die die Hochwasserschäden an Häusern beurteilen können?

Dörre-Wendorff empfiehlt Betroffenen, sich beispielsweise bei der Ingenieurkammer nach entsprechenden Experten zu erkundigen. "Gerade, wenn es um die Statik geht, würde ich über die Kammer gehen", fügt er hinzu. Wer geeignete Handwerker sucht, dem rät die Verbraucherzentrale Bremen, sich an Berufsverbände zu halten. Auf keinen Fall solle man einfach über eine Suchmaschine im Internet "irgendwen" anheuern.

Was müssen Betroffene des Hochwassers außerdem beachten?

Roland Stecher von der Verbraucherzentrale Bremen betont, dass die Bewohner überschwemmter Wohnungen und Häuser alle Schäden genau dokumentieren sollten, am besten auch mit Fotos. Die Dokumentation sei wichtig, um im Nachgang mögliche Fördermittel beantragen zu können oder auch, um gegenüber der Versicherung Schäden nachzuweisen.

Um auch die Kommunikation mit der Versicherung gut zu dokumentieren, empfiehlt die Verbraucherzentrale, die Versicherung schriftlich, etwa per Email oder Fax, zu kontaktieren und um Eingangsbestätigungen der Mails zu bitten. Wer sich für das Fax entscheidet, sollte den Sendebericht abwarten. Sollte es einmal unerlässlich sein, die Versicherung telefonisch zu informieren, so rät die Verbraucherzentrale dazu, das entsprechende Gespräch vor einem Zeugen zu führen.

Weitere Informationen zum Vorgehen bei Hochwasserschäden, auch mit Blick auf Versicherungen, geben die Verbraucherzentralen auf dieser Website sowie, noch detaillierter, auf dieser Website.

Das rät eine Versicherungsmaklerin bei Hochwasser-Gefahr

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Januar 2024, 19.30 Uhr