Hintergrund
Wie zwei Pioniere vor 100 Jahren den Flugzeugbau nach Bremen brachten
Die ersten kleinen Flugzeuge rollten im Sommer 1924 aus den Bremer Werkshallen. Doch was damals euphorisch begann, endete für die Pioniere Henrich Focke und Georg Wulf tragisch.
Der Flugzeugbau in Bremen begann mit einem japanischen Papierschmetterling. Gefaltet und geleimt hatte ihn ein an Masern erkrankter Junge. Per Gummiband aufgezogen, mit Propellerflügeln angetrieben, ließ der ans Bett gefesselte Sechsjährige den Flieger wieder und wieder durch sein Kinderzimmer fliegen. Und seine Mutter brachte ihn aus den Zimmerecken zurück ans Bett.
Diese Episode schrieb der Bremer Luftfahrtpionier Henrich Focke später in seinen Erinnerungen nieder. Seine Fiebererkrankung überwand er schnell. Das Fieber für die Fliegerei blieb.
Auf die japanischen Schmetterlinge folgten weiter Flugmodelle aus Papier, später größere aus Bambus. Dann machte sich der Bremer Schüler und Teenager auch an erste Gleitkonstruktionen. Im Selbstversuch wagte er am Osterdeich mit seinem älteren Bruder Flüge – knapp über dem Boden.
Er tüftelte schließlich auch mit Motoren und begann deshalb 1908 ein Maschinenbaustudium in Hannover. Unterbrochen vom Ersten Weltkrieg, wo er seit 1915 zur Fliegertruppe gehörte, baute er während des Studiums gemeinsam mit Gleichgesinnten Flugzeuge – darunter auch der ebenfalls flugverrückte Bremer, Georg Wulf.
Bürgerschaft beschließt 1920 Flugplatzbau
Nachdem der Krieg 1919 verloren war, verboten die Siegermächte den Deutschen zwar zunächst den Bau von Motorflugzeugen. Focke und Wulf taten es trotzdem, heimlich im Keller des damals noch im Stephaniviertel gelegenen Focke-Museums.
Von den Bremer Behörden hatten sie wenig zu befürchten. Denn die Bürgerschaft selbst beschloss im Herbst 1920 parteiübergreifend den Ausbau des schon seit einigen Jahren für Flugversuche genutzten Neuenlander Felds zu einem modernen Flugplatz.
So warb beispielsweise die SPD damals damit, dass die Luftfahrtindustrie dort bald "Hunderte, wenn nicht Tausende von Arbeitern beschäftigen wird", zitiert der Weser-Kurier in einem Rückblick aus den damaligen Sitzungsprotokollen. Auch die Kommunistische Partei stimmte, halb Augenzwinkernd, für die Investition von drei Millionen Reichsmark – "schon mit Rücksicht darauf, dass auf diese Weise schließlich auch eine Verbindung mit Moskau und dem Auslande hergestellt wird".
Erstflug im November 1921
Im selben Jahr begannen die Planierungs- und Entwässerungsarbeiten. Und mithilfe des Norddeutschen Lloyds und weiteren Bremer Firmen und Geschäftsleuten, die an der Flughafenbetriebsgesellschaft beteiligt waren, entstand auf dem Gelände die erste Flugzeughalle des Bremer Vereins für Luftfahrt. Schon bald darauf landeten Flieger der niederländischen Fluggesellschaft KLM auf dem Rollfeld.
Focke und Wulf werkelten währenddessen weiter. Im November 1921 gelang ihnen schließlich der Durchbruch. Ihr Prototyp, die A 7 "Storch", flog über das Neuenlander Feld. Dies sorgte für so viel Aufmerksamkeit, dass sich wohlhabende Bremer Persönlichkeiten wie der Kaffee-Unternehmen Ludwig Roselius für die jungen Luftfahrtpioniere zu interessieren begannen – und investierten.
Zulassung im Oktober 1922
Nach weiteren Testflügen gelang Focke und Wulf die amtliche Zulassung ihres Eindeckers mit 50-PS-Motor im Oktober 1922. Es war das erste in Bremen gebaute Flugzeug, das für den öffentlichen Luftverkehr zugelassen wurde.
Ein weiteres Jahr später unterschrieben die beiden Flugpioniere die Gesellschafterverträge für ein gemeinsames Unternehmen, in das sie ihr Wissen und ihre Werkstatt einbrachten. Von den Investoren zur Seite gestellt wurde ihnen der Bremer Bankier Werner Naumann als kaufmännischer Direktor.
Betriebsstart im Januar 1924
Zunächst firmierte das Startup noch als "Bremer Flugzeugbau A.G.". Im Januar 1924 nahm es dann allerdings als "Focke-Wulf Flugzeugbau A.G." den Betrieb auf. Auf die A 7 "Storch", die vor allem als Schulungsmaschine genutzt wurde, folgten bald weiterentwickelte Modelle.
Den ersten kommerziellen Erfolg feierte das Unternehmen mit dem Schulterdecker Focke-Wulf A 16. Die ersten Exemplare des Kleinverkehrsflugzeugs für bis zu drei Passagiere rollten im Sommer 1924 aus den Werkshallen. Sie wurden zunächst auf der von der Bremer Luftverkehr GmbH beflogenen Strecke Bremen – Wangerooge eingesetzt. Auch die 1926 gegründete "Luft Hansa" kaufte fünf der Maschinen für ihre Flotte.
Focke-Wulf bald ohne Wulf und Focke
Bremen war somit als Standort für den Flugzeugbau kein weißer Fleck mehr. Und mehr noch: Die Focke-Wulf Flugzeugbau AG wurde zum Synonym für Fluggeräte aus Deutschland. Focke galt als genialer Konstrukteur, Wulf als unerschrockener Pilot – der jedoch 1927 bei einem Testflug in einem Prototyp der F 19 A "Ente" abstürzte und starb.
Auch Henrich Fockes Träume lösten sich bald in Luft auf. Zwar lieferte er bis 1933 rund 150 Verkehrsmaschinen, Schul-, Post- und Militärflieger aus. Als die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland übernahmen, wollten sie das Unternehmen jedoch zu einem reinen Rüstungsbetrieb umbauen. Focke wehrte sich dagegen. So drängten ihn die Machthaber aus dem Unternehmen. Später baute Focke Hubschrauber.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bauten die Focke-Wulf-Werke daraufhin Tausende Jagdflugzeuge für den Krieg. Das bekannteste war der seit 1941 eingesetzte und fast 20.000 Mal gebaute Jäger FW 190. Auch er wurde nach einer Vogelart benannt – dem auf das Aufspießen seiner Beute spezialisierten "Würger".
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. Januar 2023, 19:30 Uhr