Interview

Sind die Bauernproteste berechtigt? Das sagt ein Agrarökonom

Agrarexperte: Anforderungen gestiegen, Existenzen eher nicht gefährdet

Bild: dpa | Bastian

Vor allem kleinere Betriebe stehen unter Druck, sagt der Wissenschaftler Alfons Balmann. Doch die kürzlich beschlossenen Kürzungen sind nicht das eigentliche Problem der Branche.

Alfons Balmann ist Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien der Universität Halle-Wittenberg. Im Interview erläutert er, warum die kürzlich beschlossenen – und teilweise zurückgenommenen – Kürzungen nicht das eigentliche Problem der Branche sind.

Herr Balmann, das ganze Land ist lahmgelegt, weil die Bundesregierung den Agrardiesel nicht mehr subventionieren will. Trifft die Bauern das wirklich so hart?

Die Kürzung des Agrardiesels wird kein wirklicher Grund sein für die jetzigen Proteste. Es ist eher ein Anlass, ein Aufhänger um noch mal tiefergehende Probleme deutlich zu machen und diese tiefergehenden Probleme mit den großen Herausforderungen des Umwelt-, Tier und Klimaschutzes, die auf die Landwirtschaft zukommen. Aber genauso der demografische Wandel und auch die Digitalisierung.

Aber die Landwirte sagen ja, dass es sie hart treffe und im Prinzip eine weitere Kürzung am Ende vieler weiterer Kürzungen sei. Stimmt denn diese Darstellung?

Es ist sicherlich eine schmerzhafte und plötzliche Kürzung, aber man kann nicht von einer weiteren Kürzung sprechen. Im Rahmen der EU-Agrarsubvention gab es einfach letzten Jahres einige Umschichtungen. Das war aber keine echte Kürzung. Was aber natürlich in den vergangenen Jahren vermehrt auf die Landwirtschaft zugekommen sind, sind höhere Anforderungen beispielsweise mit Blick auf den Tier- oder Umweltschutz. Und hier musste dann auch viel auch zusätzliche Bürokratie etabliert werden. Und das alles sorgt schon natürlich gewisse Frustrationen. Aber die Dieselbeihilfe selber ist letztlich etwas, was natürlich spürbar ist, aber es ist verschmerzbar.

Geht es der Landwirtschaft denn tatsächlich so schlecht? Und kann man von der Landwirtschaft überhaupt sprechen – oder muss man da differenzieren?

In den letzten beiden Jahren hat die Landwirtschaft sehr gut verdient, vor allen Dingen infolge der gestiegenen Lebensmittelpreise. Das sieht jetzt im Moment schon wieder etwas anders aus, aber ein eigentliches Problem ist in der Tat, dass man nicht von der Landwirtschaft sprechen kann. Der größte Teil der Dieselbeihilfe geht an überdurchschnittlich große und überdurchschnittlich erfolgreiche Betriebe.

Alfons Balmann während einer Videokonferenz
Alfons Balmann ist Agrarökonom und kommt aus dem Emsland. Bild: Alfons Balmann

Kleinere Betriebe, die weniger Fläche bewirtschaften, erhalten auch pro Hektar Fläche weniger Dieselbeihilfe. Diese Betriebe sind ohnehin nicht besonders rentabel und sie haben auch keine wirkliche dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit. Sie profitieren teilweise von besonderen Vergünstigungen für kleine Betriebe und werden dadurch künstlich am Leben erhalten. Aber diese Betriebe wird es auch treffen, aber auch bei dem ist es letztlich etwas, was nicht etwa zu Insolvenzen führen wird, sondern eher zu gewissen Einkommenseinbußen.

Die Proteste richten sich also in Wahrheit eher gegen die allgemeinen Herausforderungen, vor der die Landwirtschaft steht. Wird die Landwirtschaft tatsächlich im Stich gelassen und protestiert zu Recht?

Die Landwirtschaft protestiert zu Recht in dem Sinne, dass wir seit Langem eine Agrarpolitik haben, die an Symptomen herumdoktort, anstatt die tieferliegenden Probleme anzugehen. Das heißt: Die Subventionsabhängigkeit der Landwirtschaft zu reduzieren. Langfristige Strategien zu entwickeln, wie man die Tierschutzprobleme oder die Klimaschutzprobleme der Landwirtschaft adressieren kann. Und das ist nicht nur die jetzige Regierung, sondern es waren auch Vorgängerregierungen.

Eine Rolle spielte auch die Sorge der Bauern vor einer Ideologisierung der Agrarpolitik, weil beispielsweise das Ziel 30 Prozent Öko-Landbau bis zum Jahr 2030 illusorisch ist – dafür haben wir gar nicht die Nachfrage nach Bio-Produkten.  Oder auch die Abwehrhaltung gegen neue Züchtungstechnologien oder gegen die Verlängerung des Glyphosateinsatzes. Das sind alles ideologische Baustellen, die Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) innerhalb seiner Partei und auch innerhalb der Umweltverbände hat. Und das ist sicherlich Spezialaspekt der jetzigen Situation.

Autor

  • Felix Krömer
    Felix Krömer

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. Januar, 19:30 Uhr