Kommentar

Werder-Stimmung ist viel zu schlecht – Bremer, bleibt entspannt

Abstiegskampf: Werder vor entscheidenden Spielen

Bild: Imago | Nordphoto

Trotz der schlechten Heimbilanz und der aktuellen Schwächelphase macht Werder einen guten Job, meint Sportredakteur Karsten Lübben. Die aktuelle Kritik findet er übertrieben.

Ole Werner war nach dem 1:2 gegen den SC Freiburg genervt. "Ich weiß nicht, ob Freiburg dieses Jahr irgendwann schon einmal weniger als dreimal aufs Tor geschossen hat", ärgerte sich der Bremer Coach. Werder hatte das Topteam über weite Strecken im Griff, ging aber als Verlierer vom Platz. Mal wieder. Es war bereits die neunte Heimpleite in dieser Saison. So viele hat kein anderes Team kassiert.

Das passt nicht zum Bremer Selbstverständnis. Werders Heimspiele sind in dieser Stadt Festtage und das Weser-Stadion soll für das Team dank der Unterstützung der Fans eine Festung sein. Häufig gehen diese jedoch mit Frust nach Hause. Spürbar wird dies derzeit auch anhand der Stimmung um Werder, die merklich schlechter geworden ist. Natürlich gibt es dafür nachvollziehbare Gründe. Die schlechte Ausbeute zu Hause nervt viele ebenso sehr wie die Tatsache, dass das Team nur eins der vergangenen sechs Spiele in der Bundesliga gewonnen hat.

Alles eine Frage der Erwartungshaltung

Ich finde jedoch, dass etwas mehr Realismus herrschen sollte. Die Stimmung nehme ich im Moment als viel zu schlecht wahr. Werder mischt mit nahezu der gleichen Startelf wie zuvor in der 2. Liga in der Bundesliga gut mit. Einzig in der Dreierkette gab es zu Beginn einen Wechsel. Für Ömer Toprak spielt dort nun Amos Pieper oder Niklas Stark. Manchmal dürfen auch beide gemeinsam ran. Jens Stage hat einige Zeit gebraucht, um an der Weser anzukommen. Viel Geld, um den Kader aufzumotzen, war im Sommer nicht da. Mal ehrlich: Welche Bremerin oder welcher Bremer hätte da vor der Saison nicht das Angebot unterschrieben, dass Werder sechs Spieltage vor dem Saisonende acht Punkte vor dem 16. Platz steht?

Niklas Stark und Amos Pieper stehen auf dem Platz.
Niklas Stark und Amos Pieper kamen vor der Saison ablösefrei zu Werder. Bild: dpa | Sven Simon / Anke Waelischmiller

Mittlerweile hat sich als Folge des Erfolgs jedoch die Erwartungshaltung verändert. Wenn Werder nach einer dauerhaft engen Saison und einem seit Monaten nervenaufreibenden Kampf um den Klassenerhalt, den viele erwartet hatten, am 33. Spieltag im Heimspiel gegen den 1. FC Köln oder am 34. Spieltag bei Union Berlin den Bundesliga-Verbleib klargemacht hätte, wäre die Freude riesengroß gewesen. Die Fans hätten sich in den Armen gelegen und die Sielwall-Kreuzung wäre einmal mehr zum grün-weißen Party-Hotspot geworden.

Durch Werders stabile Saison hatten viele nun jedoch bereits innerlich einen Haken an den Klassenerhalt gemacht. Dass es nun zäh oder vielleicht gar nochmal eng wird, nervt deshalb schnell. Und sobald der Ligaverbleib dann womöglich bald fix ist, werden viele wohl erstmal nicht die riesengroße Freude, sondern eher ein Gefühl der Erleichterung verspüren.

Schalke zeigt, wie hart es sein kann

All dies ist menschlich. All dies sollten die Bremer Fans sich jedoch auch vergegenwärtigen. Es ist nicht selbstverständlich, dass Werder bisher so eine geruhsame Saison hingelegt hat. Wie strapaziös es sein kann, zeigt Mitaufsteiger Schalke 04. Für die Königsblauen war es im Heimspiel am vergangenen Freitag gegen Hertha BSC schon eine kleine "Alles-oder-Nichts"-Partie.

Die Bremer reisen nach der Negativserie nun auch mit etwas Druck in die Hauptstadt. Läuft es blöd, rutscht Werder vielleicht nochmal in den Abstiegskampf hinein. Das kann passieren. Aber: Die Mannschaft vermittelt einen viel gefestigteren Eindruck als in der Saison 2019/20 und 2020/21 und ist auch fußballerisch auf einem ganz anderen Level. Damals waren die Bremer in vielen Spielen heillos unterlegen.

Gegen Freiburg hingegen konnten die Bremer auch ohne Füllkrug mithalten und verloren letztlich, weil zweimal das Abwehrverhalten nicht passte. Das ist kurzfristig ärgerlich, denn es wäre für den betriebenen Aufwand mehr drin gewesen. Dass die Fans an der Weser nach einer knappen Niederlage gegen den Tabellenfünften enttäuscht sind, belegt jedoch, wie gut trotz der Rückschläge zuletzt die mittelfristige Entwicklung des Aufsteigers ist.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 16. April 2023, 18 Uhr