Warum Naturschützer Moore rund um Bremen "beimpfen"

Eine der Torfabbaukanten mit Blick auf ein bereits wiedervernässtes Gebiet des Teufelsmoors bei Worpswede.
Eine Torfabbaukante mit Blick auf ein bereits wiedervernässtes Gebiet des Teufelsmoors bei Worpswede. Im Teufelsmoor wird bis heute Torf abgebaut. Bild: dpa | Ingo Wagner

Eine Woche lang hat sich buten un binnen mit Böden beschäftigt. Der Klimawandel lenkt den Blick auch auf die Moore. Der Grund: In ihrem Torf schlummern Millionen Tonnen CO2 – noch.

Es gibt viele Schauermärchen von Hexen, Kobolden und Riesen, die einst im Teufelsmoor ihr Unwesen getrieben haben sollen. Die furchterregendste Geschichte ist allerdings eine andere. Sie basiert auf wissenschaftlichen Fakten. Denn im Teufelsmoor schlummern bis heute viele Millionen Tonnen Kohlenstoff. Gebunden in meterdicken Torfschichten auf einer Fläche von rund 350 Quadratkilometern.

"Das Torf setzt sich rund zur Hälfte aus Kohlenstoff zusammen", sagt Hans-Gerhard Kulp, Moorschutzexperte und Leiter der Biologischen Station Osterholz.

Das sind drastische Mengen.

Hans-Gerhard Kulp, Leiter der Biologischen Station Osterholz

Das Problem: Nur ein lebendiges Moor, dessen Pflanzen und Gräser Jahr um Jahr neues Torf bilden, gibt nichts von diesem Kohlenstoff als Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre ab. Anders ist es bei mit Kanälen und Rohrsystemen entwässerten, landwirtschaftlich genutzten Moorflächen. "Dort ist die Vegetation nicht torfbildend", sagt Kulp. Im Gegenteil dringe durch sie sogar Luft in die Torfschichten ein. "Und dann beginnt das unter der Oberfläche liegende Torf sich zu zersetzen wie in einem Komposthaufen."

Ein Viertel der Emissionen des Stahlwerks

Eine sogenannte Torfkahn-Armada befindet sich 2014 auf der Hamme auf ihrem Weg vom Teufelsmoor bei Worpswede nach Bremen.
Torfkähne sind im Teufelsmoor heute eine Touristenattraktion. Früher wurde mit ihnen der Torf nach Bremen transportiert. Bild: dpa | Ingo Wagner

In einem entwässerten Moor wie dem Teufelsmoor gingen Experten von ungefähr 30 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr aus, die durch Torfzersetzung in die Atmosphäre gelangten, sagt der Biologe. "Damit können sie als Flugpassagier dreimal um die Welt fliegen", sagt Kulp. Allein für das Teufelsmoor kalkuliert er mit einem jährlichen Ausstoß von rund 900.000 Tonnen, die durch landwirtschaftlich genutzte Moorflächen freigesetzt würden. Das entspricht grob einem Viertel dessen, was das Bremer Stahlwerk ausstößt, das wiederum für rund die Hälfte der Bremer CO2-Emissionen steht.

Und ein Ende der Emissionen des Teufelsmoors ist – anders als beim Bremer Stahlwerk – nicht in Sicht. Denn bei einer ungefähren Fläche von 350 Quadratkilometern und einer Torfschicht von im Schnitt rund zwei Metern schlummern im Teufelsmoor rechnerisch noch immer gut 80 Millionen Tonnen CO2. Und was für das Teufelsmoor gilt, lässt sich ebenso auf andere Moore anwenden. Weniger als zehn Prozent von ihnen sind noch intakt, setzen also kein Kohlenstoffdioxid frei.

Torf wird bis heute abgebaut

In einigen trockengelegten Mooren wird bis heute sogar noch Torf mit Baggern abgebaut, zum Beispiel im Huvenhoopsmoor, das ebenfalls zum Teufelsmoor-Komplex zählt. Im benachbarten Gnarrenburg, wo das wohl größte Torfwerk im Elbe-Weser-Dreieck angesiedelt ist, wird der braune Rohstoff allerdings nicht wie früher zu Brennmaterial verarbeitet und per Torfkahn nach Bremen geschafft, sondern landet als Dünger in Baumärkten und Gärtnereien.

Anderswo hat sich mittlerweile hingegen der Naturschutz durchgesetzt. Im nicht weit vom Huvenhoopsmoor gelegenen Günnemoor im Landkreis Osterholz wurde der industrielle Torfabbau auf Bestreben von Naturschützern und des Landkreises hin 2013 beendet.

Musterprojekt östlich von Bremerhaven

Moorgraben im Ahlenmoor
Im Ahlenmoor im Cuxland soll die Renaturierung ab 2023 in großem Maßstab gelingen. Bild: dpa | picture alliance / blickwinkel/G. Franz

Im östlich von Bremerhaven gelegenen Ahlenmoor – es gehört neben dem Teufelsmoor zu den größten Hochmooren Niedersachsens – planen Naturschützer jetzt sogar noch größer. Der Naturschutzbund (Nabu) will dort ab dem kommenden Winter beweisen, dass sich ein bis vor Kurzem noch für den Torfabbau vorgesehenes Moor großflächig restaurieren lässt. Rund 200 Hektar, das entspricht einer Fläche von 280 Fußballfeldern, sollen dort stattdessen wieder in ein wachsendes Hochmoor verwandelt und so als "Klimamoor" gesichert werden.

"Die Idee ist nicht neu, aber das Vorgehen ist neu", sagt Felix Grützmacher, Moorschutz-Experte beim Nabu. Bei bisherigen Schutzprojekten seien die Moore im Wesentlichen unverändert wiedervernässt worden. Darüber hinaus plant der Nabu bei diesem Projekt allerdings, den Boden großflächig bis auf den nüchternen Torf abzutragen. Der Grund: Der mit landwirtschaftlichen Nährstoffen und moorfremden Pflanzen belastete Oberboden würde die schnelle Regeneration des Moores verhindern.

"Beimpfung" soll Moor lebendig machen

Von 30 Zentimetern bis zu 60 Zentimetern der Bodendecke könnten so abgetragen werden. "Danach werden die Flächen beimpft", sagt Grützmacher. Das bedeutet, die Naturschützer pflanzen eigens herangezüchtete, heimische Torfmoose sowie hochmoortypische Begleitpflanzen wie Rosmarinheide, Moosbeere und Sonnentau.

Sollte alles wie von uns erhofft laufen, wäre die Wiederherstellung eines lebenden Hochmoors auf einer so riesigen Nutzfläche die erste Maßnahme dieser Art überhaupt in diesem Maßstab.

Felix Grützmacher, Referent für Moorschutz beim Nabu

Schnelle Erfolge sollte allerdings niemand erwarten. Für die erste Hälfte der 200 geplanten Hektar werde die Renaturierung wohl bestenfalls ein Jahrzehnt dauern, sagt Grützmacher.

Und auch ein anderer Aspekt spricht gegen schnelle Erfolge im Moorschutz. Denn für die Landwirte, die die bislang noch trockengelegte Flächen bewirtschaften, gibt es kaum Alternativen. Mit den Torfmoosen in nassen Hochmooren lässt sich kaum Geld verdienen. Und auch eine alternative Viehhaltung, wie sie vor allem in den Niedermooren Ostdeutschlands getestet wird, ist in den Hochmooren rund um Bremen nur selten umsetzbar. "Zwar gibt es auch zwei Wasserbüffelherden im Teufelsmoor", sagt Biologe Hans-Gerhard Kulp. Das sei allerdings nur eine Nische. "Das kann man nicht als Patentrezept machen."

Landwirten bleiben kaum Alternativen

Neben dem Gehweg führt ein Entwäserungsgraben entlang im Fehrmoor
Kleine Hochmoore gibt es auch in Bremen-Nord sowie in Bremerhaven das Ahnhammsmoor und Fehrmoor (im Bild). Letzteres soll ebenfalls wiedervernässt werden. Bild: Carolin Henkenberens/Radio Bremen

Die Landwirte, mit denen er im Teufelsmoor zu tun habe, seien daher stark verunsichert, sagt Kulp. "Sie sehen zwar, dass es nicht mehr lohnt, in die bisherige Bewirtschaftung zu investieren." Sie hätten aber noch nicht die Möglichkeit, wirklich umzustellen. Auch die Förderprogramme kämen derzeit noch nicht auf den Höfen an. "Das muss man auch politisch organisieren", sagt Kulp.

Erste Schritte sind Bund und Länder im November 2021 inzwischen gegangen. In einer gemeinsamen Zielvereinbarung gehen sie davon aus, dass rund 6,7 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen auf entwässerte Moorböden zurückgehen, was rund 53 Millionen Tonnen pro Jahr entspricht. Bis 2030 sollen diese Emissionen um fünf Millionen Tonnen gesenkt werden. Dafür soll Geld bereitgestellt werden. Für Naturschützer, aber auch für Landwirtinnen und Landwirte, dürfte zumindest das eine gute Nachricht sein.

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Bild: Radio Bremen
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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. Juni 2022, 19:30 Uhr