Archäologen machen erstaunlichen Fund bei Bauarbeiten in Bremer City

Baugrube des neuen Essighauses in der Langenstraße

Historische Gegenstände in der Baugrube des neuen Essighauses gefunden

Bild: Lisa-Maria Röhling

Bei Bauarbeiten in Bremen wurden so viele historische Gegenstände an einem Ort gefunden wie es nur selten vorkommt. Die Grube gibt einen Einblick in 1000 Jahre Stadtgeschichte.

Hinter den hohen Bauzäunen an der Langenstraße in der Bremer Innenstadt herrscht auf den ersten Blick Baustellen-Chaos. Ein Bagger steht inmitten einer knapp vier Meter tiefen Grube. Am Rand ragen Stahlstreben aus Betonblöcken, der Boden der Grube ist mit Sand aufgeschüttet. Aber wer den Blick zur hinteren Ecke der Baustelle schweifen lässt, sieht Bremer Geschichte: Zwei große, massive Steinpfeiler ragen aus der Erde, im Sand sind Reste einer Ziegelsteinmauer zu sehen.

Geschirr-Reste in ehemaliger Toilette gefunden

Archäologin steht vor der Baugrube des neuen Essighauses
Kennt sich gut aus mit Bremer Stadtgeschichte: Ausgrabungsleiterin Claudia Maria Melisch. Bild: Radio Bremen

Claudia Maria Melisch leitet die archäologischen Ausgrabungen auf der Baustelle und zeigt auf die Ziegelsteine im Boden: "Hier unten stehen wir am Fuß der alten Kloaken." Melisch erzählt: "Im 17. Jahrhundert hat hier der Kaufmann und Ratsherr Herr Wachmann ein Haus gebaut. Wir finden aus dieser Zeit viele Gegenstände, besonders aus den Latrinen, den Toiletten von damals."

Die Toiletten zeigen uns, dass es denen nicht schlecht ging. Die Toiletten hatten venezianische Gläser und holländische Kacheln an der Wand.

Claudia Maria Melisch

Nach der Kaufmannsfamilie Wachmann ist in Bremen auch eine Straße benannt – und ihre Backstein-Toilette ist heute eine echte Goldgrube: Weil sie so tief in den Boden führt, haben Geschirr-Reste die Jahrhunderte überdauert und Weltkriege sowie vorherige Bauarbeiten überstanden.

Funde zeigen, wie wichtig die Straße war

Archäologische Funde aus der Baugrube des neuen Essighauses
Sie sind mehrere hundert Jahre alt: die Reste einer Sektflöte. Bild: Lisa-Maria Röhling

Das archäologische Team hat die Funde am Rande der Baugrube auf einem Tisch ausgestellt. Melisch hebt eine kleine Plastiktüte hoch, die mit Wasser gefüllt ist und holt ein Stück Glas heraus, an dessen Rändern hellblaue Spitzen zu sehen sind. In der Mitte ist ein Symbol aus gedrehtem, weiß-rotem Glas. Es sind die Reste einer Sektflöte, die wahrscheinlich im 17. Jahrhundert in Venedig hergestellt wurde.

Dieser Fund zeige, was für eine bedeutende Straße die Langenstraße einmal war, sagt Dieter Bischop von der Bremer Landesarchäologie. Denn bis ins 19. Jahrhundert sei entlang der Langenstraße die Balge durch Bremen geflossen, erklärt er. Deswegen lebten hier um 1600 viele Kaufleute. Doch auch schon im frühen Mittelalter hätten sich Kaufleute hier angesiedelt.

Genau das zeigten auch die zwei Steinpfeiler, die unweit der ehemaligen Kloake aus der Erde ragen, erklärt Claudia Maria Melisch. "Wir sehen Reste einer Steinkammer aus dem Mittelalter, aus dem 12. Jahrhundert. Das muss man sich wie so einen Steinturm vorstellen, wo die Bremer Kaufleute unten ihre Waren drin hatten und auch gewohnt haben."

Viele historische Gegenstände an einem Ort

Archäologische Funde aus der Baugrube des neuen Essighauses
Selten haben Bremer Archäologen so viele historische Gegenstände an einem Ort entdeckt wie in der Langenstraße. Bild: Lisa-Maria Röhling

Funde aus so vielen Jahrhunderten seien ungewöhnlich, da sind sich die Archäologen einig. Zwar seien in Bremen schon ähnliche und auch ältere Gegenstände oder Fundamente entdeckt worden – aber selten so viele an einem Ort. 1000 Jahre Bremer Geschichte in einer Baugrube. Während die Archäologen die Fundstücke heben, wird an dem neuen Haus in der Langenstraße weiter gebaut.

Das technisch Herausfordernde ist, dass die Gründungsarbeiten für das neue Gebäude und die Ausbauarbeiten für den neuen Gebäudekeller direkt mit der archäologischen Arbeit verzahnt sind. Wir haben auch nicht alle Zeit der Welt, sondern wir müssen uns beeilen, damit das Haus hier auch gebaut werden kann.

Claudia Maria Melisch

Ausgrabungen müssen zügig voran gehen

Noch bis Ende November will ihr Team hier weiterarbeiten, dann überlassen sie das Gelände an der Langenstraße wieder den Bauarbeitern. Ende 2024 soll dort das neue Essighaus stehen, das zum neuen Balgequartier gehört, benannt nach dem Fluss, der einmal die City kreuzte.

Die Geschirrfunde werden wohl im Museum ausgestellt. Ob die historischen Fundamente in den Neubau integriert werden oder vielleicht durch eine Fensterscheibe im Boden auch künftig zu sehen sind, das muss jetzt der Investor entscheiden.

Wie die Fassade des alten Bremer Essighauses gerettet wird

Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Lisa-Maria Röhling
    Lisa-Maria Röhling Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 25. Oktober 2023, 15:38 Uhr