Überfälle am Bremer Hillmannplatz: "Brutalität ist unbeschreiblich"

Angst und Unsicherheit am Bremer Hillmannplatz nehmen zu

Bild: Radio Bremen

Zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt liegend könnte der Platz eine Visitenkarte Bremens sein. Doch viele Menschen, die dort wohnen oder arbeiten, haben latent Angst. Eine Spurensuche.

Tatort Hillmannplatz: Etwa zweieinhalb Wochen ist es her, da berichtete die Polizei in einer Pressemitteilung von folgendem Geschehen: "Gegen 06:55 Uhr wurden Einsatzkräfte zum Hillmannplatz gerufen, weil es dort eine körperliche Auseinandersetzung gegeben haben sollte. Vor Ort fanden sie den mit mehreren Messerstichen verletzten 20-Jährigen am Boden liegend vor." Nur dank eine sofortigen Notoperation überlebte der junge Mann.

Es war der bisherige Höhepunkt einer Entwicklung, die seit Monaten am und rund um den Platz zwischen Wallanlagen und Hauptbahnhof zu beobachten ist. Kriminelle Migranten, Dealer, verwahrloste Drogenabhängige nahmen den Hillmannplatz zuletzt sehr häufig in Beschlag und machen vielen Anwohnern und Geschäftsleuten Angst.

Die Polizei erhebt nach eigenen Angaben keine Zahlen, die sich nur auf den Hillmannplatz konzentrieren. Ihre Statistik umfasse Stadtteile. Aktuelle Zahlen der Innenbehörde zeigen, dass es einen sprunghaften Anstieg der Straftaten im Bereich der Innenstadt gibt. In diesem Jahr sind es den Angaben zufolge dort bereits 172 Delikte, 49 davon wurden aufgeklärt.

Anwohner meiden nächtliche Ausflüge

Seit fast zehn Jahren wohnt Karin Kemper mit ihrem Mann in direkter Nähe zum Hillmannplatz. Früher betrieb sie hier sogar eine Bar. "Da war noch alles gut, wir konnten uns frei bewegen", so Kemper. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie den Laden dann vor einigen Jahren abgeben. "Gott sei Dank", sagt sie heute angesichts der Zustände. "Wir trauen uns hier abends nicht mal mehr raus", meint Kemper. Und mit dieser Angst sei sie keineswegs allein. Auch ihren Nachbarn gehe es so, und die seien viel jünger als sie und ihr Mann.

Wenn die abends von der Arbeit aus Richtung Bahnhof kommen, dann gehen die nicht mehr über den Hillmannplatz. Die fahren mit der Bahn bis zum Herdentor, weil von dort bis zur Wohnung mehr Leben ist.

Karin Kemper, Anwohnerin

Ängste, die ihre Gründe haben. Andere Nachbarn seien nachts erst vor kurzem angegriffen worden. Am liebsten würde Kemper wegziehen. Doch ihr Mann sei dagegen.

Zuletzt hat die Polizei ihre Präsenz vor Ort offenbar erhöht. Diesen Eindruck bestätigt auch Houman Hadavi, der Betreiber einer Tapasbar. Sicher trage auch der Freimarkt dazu bei, dass es in diesen Tagen am Hillmannplatz etwas ruhiger zu geht als sonst. Doch das sei wohl nur eine Momentaufnahme.

Drei Personen sitzen an einem Tisch.
Friseuerin Claudia Ahmed, Anwohnerin Karin Kemper und Gastronom Houman Hadavi berichten von ihren Erlebnissen am Hillmannplatz. Bild: Radio Bremen

Die Ereignisse der Vergangenheit sitzen tief bei ihm. "Vor drei Wochen wurde ein Mann vor unserem Laden brutal auf den Boden geschmissen." Die Täter hätten ihm dann das Portemonnaie und das Handy geklaut, berichtet der Gastronom. Und auch der Einsatz von Waffen sei keine Seltenheit: Vor zwei Wochen, erzählt er, wurde ein Mann auf dem Hillmannplatz am Kreisverkehr überfallen. Da seien die Täter mit einer Machete auf das Opfer losgegangen.

Diese Aggressivität, diese Brutalität ist unbeschreiblich.

Houman Hadavi, Tapasbar-Betreiber

Die Forderung: Langfristig mehr Polizei

Die latente Angst sei nicht nur ein Phänomen der Nacht. Auch tagsüber fürchtet sich Claudia Ahmed, die einen Friseursalon am Platz betreibt. Man habe ihr grundlos Pfefferspray in den Laden gesprüht. Darauf habe sie nun reagiert: "Ich muss am Tage meine Tür abschließen. Die Kunden müssen klingeln. Also das ist schon gruselig." Den Laden verlasse sie nach Feierabend inzwischen auch nur noch durch die Hintertür. Auch Kunden hätten Angst: Inzwischen fühle sie sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht.

Dass sich die Zustände auf die Einnahmen auswirkt, weiß auch Sven Seling von der Bar Drinkery Hill's zu berichten. "Es kommen weniger Gäste, weil die verständlicherweise Angst haben." Es werde nun überlegt, einen privaten Sicherheitsdienst zu beschäftigen. Das Dorint-Hotel habe diese Maßnahme bereits ergriffen. Und er fordert von Politik, Polizei und Justiz, dass eine harte Linie gefahren werde, vor allem gegenüber den Personen, die rauben und überfallen. So sieht es auch sein Bar-Nachbar Hadavi. Er wisse durchaus, dass sich die Polizei bemühe. Aber so gehe es nicht weiter. Eine Sicht, die offensichtlich sehr viele Menschen teilen, die am Hillmannplatz arbeiten oder wohnen.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 19. Oktober 2023, 15:10 Uhr