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Bremens Drogenszene verlagert sich immer weiter – mit diesen Folgen

Ein Junkie raucht Heroin von einer Folie in einer U-Bahn-Haltestelle.

Bremens Drogenszene verlagert sich – und sorgt für Ärger

Bild: dpa | Christoph Hardt/Geisler-Fotopress

Am Hauptbahnhof verdrängt die Stadt die Drogenszene. Die Abhängigen ziehen weiter, was in Vierteln wie der Neustadt für Konflikte sorgt. Das sagen Anwohner und Abhängige zur Lage.

Es wurden immer mehr. In der Bremer Neustadt auf dem Lucie-Flechtmann-Platz hielten sich teilweise bis zu 100 Drogenabhängige und Wohnungslose im Laufe eines Tages auf. Dreck, Dealerei, Konsum und Lärm sorgten für Beschwerden und Kritik. Aus diesem Grund hat der Beirat Neustadt Mitte März am Hohentorspark in den Neustadtswallanlagen einen Container aufgestellt und einen neuen Treffpunkt geschaffen. Doch auch dort beklagen sich die Anwohner. Es ist ein Beispiel für die schwierige Suche nach Akzeptanzorten, Hilfsangeboten und dem Umgang mit der Drogenszene.

Ein Einsatzfahrzeug der Polizei steht vor dem Bremer Hauptbahnhof.
Am Bremer Hauptbahnhof kontrolliert die Polizei verstärkt und versucht, die Drogenszene zu zerschlagen. Bild: dpa | Sina Schuldt

Wie verändert sich die Bremer Drogenszene und wohin wandert sie?

Der bisherige Drogen-Hotspot ist am Bremer Hauptbahnhof. Doch dort versuchen Polizei und Behörden die Szene zu zerschlagen. Kontrollen und Verbote wie das Alkohol- und Drogenverbot sollen Abhängige und Dealer vertreiben.

Viele Suchtkranke halten sich an einer sogenannten Akzeptanzfläche an der Friedrich-Rauers-Straße beim Findorff-Tunnel auf. Einige treffen sich im Nelson-Mandela-Park hinter dem Antikolonialdenkmal Elefant neben der ÖVB-Arena. Die hohe Polizeipräsenz am Hauptbahnhof hat aber offensichtlich auch dazu geführt, dass viele Suchtkranke in die Stadtteile ziehen.

So zum Beispiel in Gröpelingen am "Szene-Unterstand" neben dem Straßenbahndepot, in verschiedenen Orten im Bremer Viertel und in Bremen-Vegesack am Unterstand im Aumunder Heerweg – oder eben bislang vor allem am Lucie-Flechtmann-Platz in der Neustadt und neuerdings am Hohentorspark.

Warum gibt es Ärger um den "Akzeptanzort" am Hohentorspark?

Eine Anwohnerin, die anonym bleiben möchte, berichtet von offenem Drogenkonsum, Dealerei und Müll. Der Container steht an einem Wendekreis, hinter dem Zollamt zwischen einem Parkplatz und dem Hohentorspark am Neustadtswall. Dort liegen nicht nur Zigarettenstummel, Flaschen und Dosen, sondern auch Sperrmüll, Spritzen und immer wieder auch Fäkalien. Die in der Nähe wohnende Frau hat Fotos von Erbrochenem und einem Container mit Plastikkanülen gemacht.

Ein Anwohner, der ebenfalls unbekannt bleiben möchte, berichtet von drei Polizeieinsätzen innerhalb von 48 Stunden. Dabei habe er mitbekommen, wie ein Mann aus Versehen Ammoniak getrunken habe. Nachdem er Blut erbrochen habe, "war der Mann dem Tode nahe", sagt der Anlieger. Seine Freundin traue sich nachts nicht mehr alleine raus, Freunde wollten sich nicht mehr mit ihm im Park aufhalten. Ihn ärgert, dass er nicht vom Beirat über den Container informiert wurde. Nun will er umziehen, Bremen sogar ganz verlassen.

Ein grüner Container am Hohentorsplatz in der Bremer Neustadt für Drogenabhängige
Am Hohentorsplatz in der Bremer Neustadt hat der Beirat einen Container für Drogenabhängige aufgestellt. Bild: Radio Bremen, Pascal Faltermann

Was sagen die Drogenabhängigen zu der Situation in der Neustadt?

30 bis 40 Personen sind es, die sich am Hohentorspark aufhalten. Viele wollen sich nicht gegenüber buten un binnen äußern. Einige mögen den neuen Ort. Auf dem Lucie-Flechtmann-Platz seien Kinder und Eltern gewesen, die das überhaupt nicht gut fanden, sagt Dennis, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte. Er setzt sich dafür ein, dass die Menschen, die sich hier aufhalten, ihren Müll selbst wegräumen und nicht klauen. Aber er weiß auch, dass das nicht immer klappt. Der Abhängige wünscht sich, dass die Mülltonne häufiger geleert wird. Natalie, die ebenfalls am Hohentorspark unterwegs ist und ihren Nachnamen nicht angibt, sagt, dass der Container zu klein sei, eine weiteres Dixi-Klo fehle und es einen Wasseranschluss geben müsste.

Wie schätzen der Beirat und die Innere Mission die Lage ein?

Nach vielen Gesprächen haben sich Innere Mission, Beirat, Gesundheitsamt und Polizei auf den neuen Platz geeinigt. "Es ist ein Versuch, der auf ein Jahr befristet ist", sagt Johannes Osterkamp, Beiratssprecher in der Neustadt. Ihm sei zurückgemeldet worden, dass die Polizeieinsätze zurückgegangen sind und es weniger Streit unter den Suchtkranken gibt. Das kann auch die Polizei bestätigen.

Die Szene habe sich somit etwas verlagert und entzerrt. Und: Wichtig sei gewesen, dass der Treffpunkt nicht direkt in der Nähe einer Kita oder einer Schule liegt. "Es ist aber auch klar, dass Anwohnende das nicht alles super finden", zeigt Osterkamp Verständnis. Auch Streetworker Christian Claus von der Inneren Mission bewertet das neue Angebot eher positiv. "Für den Anfang haben wir mit Bänken und einem Dixi-Klo eine relativ gute Infrastruktur". Es fehle aber ein Trinkwasserbrunnen.    

An der Friedrich-Rauers-Straße steht ein Container für Suchtkranke
An der Friedrich-Rauers-Straße steht ein Container für Suchtkranke. Bild: Radio Bremen

Verschiebt oder verlagert sich das Drogenproblem nur?

"So eine Dezentralisierung ist politisch auch gewollt", sagt Streetworker Claus. Die Szene habe sich verschoben, weil es am Hauptbahnhof starke Kontrollen gab. Jetzt fokussiere sich nicht mehr alles zentral um den Hauptbahnhof. Doch mit den Hilfsangeboten sei man noch nicht ganz hinter hergekommen. So gebe es nur einen mobilen Drogenkonsum-Container am Bahnhof. "Wir brauchen aber definitiv in den Stadtteilen auch Angebote, Einrichtungen und offene Cafés", sagt Claus.

Wann kommt der geplante Drogenkonsumraum?

Die Arbeiten am Drogenkonsumraum nahe des Bremer Hauptbahnhofs sollen in der zweiten Jahreshälfte beginnen. Das hat eine Sprecherin der Gesundheitsbehörde bestätigt. Für den Raum muss eine Immobilie in der Nähe des Hauptbahnhofs in der Friedrich-Rauers-Straße umgebaut werden. Dort sollen dann in einem Drogenhilfezentrum auch weitere Hilfsangebote gebündelt werden. 

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 8. Mai 2024, 15:40 Uhr