Was Bremen in der Corona-Sommerwelle plant – und vom Bund fordert

Zahlreiche Menschen sitzen in Bremen an der Schlachte und genießen ihre Mittagspause im Schatten.
Die Sieben-Tage-Inzidenz hat sich im Land Bremen im Juni schon mehr als verdoppelt. Bild: dpa | Carmen Jaspersen

Dass die nächste Corona-Welle schon jetzt Bremen erreicht hat, zeigen die Zahlen. Was Epidemiologen raten und wie die Gesundheitssenatorin nun vorgeht, verraten wir hier.

"Die angekündigte Sommerwelle ist leider Realität geworden", sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Und in der Tat zeigen die aktuellen Corona-Infektionszahlen, dass der Sommereffekt im Gegensatz zu den zwei Vorjahren bereits verpufft ist. So stieg die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland von 230 am 31. Mai auf aktuell 480. In Bremen legte der Wert, der die Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche misst, von 247 am 1. Juni auf mittlerweile 546 (Stand: 16. Juni) zu. Zum Vergleich: Am 16. Juni 2021 lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Bremen bei 11, zwölf Monate zuvor sogar nur bei 9.

Viele Gründe führen zum Infektionsanstieg

Die Gründe dafür sind vielfältig. So hat sich dem Robert-Koch-Institut zufolge seit Ende April deutschlandweit die Verbreitung der Virusvarianten BA.4 und BA.5 Woche für Woche auf zuletzt knapp 28 Prozent in der zweiten Juni-Woche verdoppelt.

Ein rotes Schild in Würfelform mit einem Pfeil nach links und der Aufschrift "Omikron BA.5" sowie ein Piktogramm eines Corona-Virus vor einem neutralen, blauen Himmel mit Schleierwolken.
Die Verbreitung der Omikron-Variante BA.5 hat sich zuletzt Woche für Woche verdoppelt. Bild: dpa | Sulupress.de/Torsten Sukrow

Zwar seien viele Menschen geimpft und bereits mit der noch immer dominierenden Virusvariante BA.2 infiziert gewesen, sagt der Epidemiologe Hajo Zeeb von der Uni Bremen. "Nun nimmt die Immunität aber langsam ab, die Reisetätigkeit und Kontakthäufigkeit wieder zu." Neue Impfungen kämen zudem vermutlich erst im Herbst. Darüber hinaus gebe es derzeit nur wenige Corona-Maßnahmen. "Alles zusammen ist das eine sehr günstige Umgebung für eine frühere Ausbreitung als erst im Winter", sagt Zeeb.

Der Epidemiologe rechnet daher vor allem in der Ferienzeit mit erhöhtem Krankenstand. "Die Auswirkungen sind aber schwer vorauszusehen", sagt Zeeb. Zwar seien die Krankenhäuser derzeit eher wenig belastet. Das werde sich aber voraussichtlich allmählich wieder ändern.

Mehr Menschen mit als wegen Corona im Krankenhaus

"Im Vergleich zum letzten Pandemieherbst machen wir seit einigen Monaten die Erfahrung, dass mehr Personen mit Corona hospitalisiert sind als wegen Corona", sagt Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Das ändere zwar nichts an den Schutzvorkehrungen, die in den Kliniken getroffen würden. Es zeige aber auch, dass weniger Menschen wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus behandelt werden müssten.

Wir müssen die Entwicklung jetzt aber sehr eng begleiten, um frühzeitig feststellen zu können, ob sich die Lage in den Krankenhäusern verändert.

Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke)

Aus Sicht des Epidemiologen Zeeb ist dafür dringend eine Surveillance, also eine Überwachung, der verschiedenen Virusvarianten wichtig. Dafür sei es nötig, weiterhin zu testen. "Für richtig halte ich aber nicht das breite, unsystematische Testen, sondern auf symptomatische Fälle ausgerichtete Testungen", sagt Zeeb. "Mit PCR-Tests nach positiven Selbst- oder Schnelltest."

Bremen setzt auf Impfkampagne und Scouts

Sollte sich die Sommerwelle weiter ausbreiten, würde auch Bremens Gesundheitsressort klare Schwerpunkte setzen. "Eine zentrale Maßnahme ist und bleibt das Impfen", sagt Gesundheitssenatorin Bernhard. In Bremen sei die Impfkampagne derzeit so aufgesetzt, dass sie bei steigenden Fallzahlen oder Änderungen der Impfempfehlungen durch die Ständige Impfkommission (Stiko) jederzeit hochgefahren werden könne. Sei es durch den Einsatz weiterer Impfstraßen in den Impfzentren, dem Kinder-Impfzentrum oder durch den stärkeren Einsatz der mobilen Teams, Impfbusse und Impftrucks in den Stadtteilen.

Gelbes Hinweisschild mit der Aufschrift "Infektionsschutzgesetz" vor dem Berliner Reichstagsgebäude (Symbolbild)
Die Rechte, die Bundesländern Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandsregeln oder 3G-Maßnahmen ermöglichen, laufen am 23. September aus. Bild: dpa | Torsten Sukrow/sulupress

"Darüber hinaus sind auch unsere Gesundheitsämter so aufgestellt, dass sie auch über den Herbst hinaus sehr engmaschig mit Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern bei Corona-Ausbrüchen zusammenarbeiten können", sagt Bernhard.

Auch die Containment-Scouts zur Kontaktnachverfolgung für vulnerable Einrichtungen seien nach wie vor im Einsatz und würden bei einer möglichen nächsten Welle auch verstärkt in der Nachverfolgung der Kontakte eingesetzt werden.

Bundesweite Rechtsgrundlagen drohen auszulaufen

Je nach Entwicklung der Pandemie würden weitere Schritte und Maßnahmen folgen, sagt die Senatorin. "Allerdings müssen wir hier auch noch auf die rechtliche Grundlage warten." Denn viele der bisher beschlossenen Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz würden bald auslaufen. "Dementsprechend ist es auch schwierig, einen Pauschalplan in der Schublade zu haben", sagt Bernhard.

Bereits Ende Juni läuft beispielsweise, Stand jetzt, die Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums aus, auf deren Grundlage kostenlose Bürgertests möglich sind. Zum 23. September fallen zudem die im Infektionsschutzgesetz geregelten Schutzmaßnahmen weg, sollten Bund und Länder sich nicht vorher auf eine Verlängerung oder Anpassung einigen. Ohne eine Verlängerung könnten Länder wie Bremen im Herbst weder allgemeine Maskenpflichten, noch Abstandsgebote oder 3G- und 2G-Regeln verhängen. Nicht zuletzt läuft, Stand jetzt, auch die Impfverordnung nach dem 25. November aus. Das würde bedeuten, dass der Bund sich nicht mehr an den Kosten für Impfzentren und mobile Impfteams beteiligt. "Hier wünschen wir uns schnell klare Lösungen", sagt Bremens Gesundheitssenatorin.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. Juni 2022, 19:30 Uhr