Bremer im Corona-Sachverständigenrat: Wie wirksam waren die Maßnahmen?
Der Bremer Physiker Werner Bergholz hat gemeinsam mit anderen die Corona-Maßnahmen untersucht. Ihm fehlen eindeutige Evidenzen, um etwa die Maskenpflicht bewerten zu können.
Der Corona-Sachverständigenrat der Bundesregierung mit dem Bremer Experten Werner Bergholz hat eine gemischte Bilanz der Corona-Maßnahmen in Deutschland gezogen. Diese müssten sich auf den Schutz besonders gefährdeter Gruppen konzentrieren, schreiben die Experten in ihrer Analyse. Außerdem müssten sie sicherstellen, dass das Gesundheitswesen nicht überlastet wird. Das Gutachten war im Vorfeld umstritten, das Gremium sei nicht ausreichend qualifiziert, die Datenlage dünn.
Der Bremer Bergholz ist Physiker und Experte für Qualitäts- und Risikomanagement. Er hält die Kritik an dem Gremium für nicht gerechtfertigt. Bei Fragen, die außerhalb der Kompetenzen der Mitglieder lagen, habe man sich von anderen Experten eine Einschätzung geholt. Im Gespräch mit buten un binnen kritisiert aber auch er, dass die Datenlage mangelhaft sei und macht den Bund dafür verantwortlich.
"Ich habe Zweifel"
Es müsse viel getan werden, bis man wirklich handefeste Evidenzen zu den Maßnahmen wie Maskenpflicht in Innenräumen oder Lockdowns zu Beginn einer Pandemie hat, sagte Bergholz weiter. "Ich habe große Zweifel, dass die Wirksamkeit der Maßnahmen so ist, wie sie vielleicht im Gutachten dargestellt werden." Dennoch könne das Gutachen als Grundlage für zukünftige politische Entscheidungen genutzt werden, weil es Hinweise darauf gebe, wie Daten gründlicher erhoben werden und eine bessere Risikokommunikation gelingen könne.
Die Ergebnisse des Gutachtens im Überblick:
1 Maskenpflicht
Der Expertenrat empfiehlt, dass künftig eine Maskenpflicht nur noch in Innenräumen verhängt werden soll. Dort gelte ein höheres Infektionsrisiko. Masken in Innenräumen hätten auf jeden Fall einen deutlichen Effekt beim Eindämmen der Pandemie. Allerdings habe eine schlecht sitzende und nicht eng anliegende Maske einen verminderten bis gar keinen Effekt, sagte der Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, Hendrik Streeck. "Die Effektivität hängt daher vom Träger oder der Trägerin ab."
2 Lockdown
Die Experten stellen auch fest, dass Lockdowns am stärksten wirken, wenn erst wenige Menschen infiziert sind. Je länger allerdings ein Lockdown dauere und je weniger Menschen bereit seien, die Maßnahme mitzutragen, desto geringer sei die Wirkung und umso schwerer wiegen die nicht beabsichtigten Folgen. Zu den Schulschließungen äußerte sich das Gremium kritisch: Die genaue Wirksamkeit dieser insgesamt 38 Wochen dauernden Maßnahme sei weiterhin offen. Daher sollte eine Expertenkommission die negativen Folgen unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls genauer untersuchen und bewerten.
3 2G-/3G-Regelung
Den Effekt von 2G- und 3G-Maßnahmen beurteilt die Kommission bei den derzeitigen Virus-Varianten in den ersten Wochen nach der Boosterimpfung oder der Genesung als hoch. "Der Schutz vor einer Infektion lässt mit der Zeit jedoch deutlich nach", erklärte das Gremium. Corona-Tests seien dann zu empfehlen, wenn es erforderlich sei, Zugangsbeschränkungen einzuführen – und zwar unabhängig vom Impfstatus der einzelnen Person.
4 Impfungen
Der Impfschutz sei nur für eine gewisse Zeit gegeben, sagten die Experten. Einige Wochen nach der Impfung lasse der Schutz vor Infektion jedoch deutlich nach.
Dem Sachverständigenausschuss gehören Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen an. Die Evaluation sollte im Auftrag des Gesetzgebers vor allem die Vorgaben im Rahmen der "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" beleuchten. Diese vom Bundestag laut Infektionsschutzgesetz festgestellte Lage bestand über mehrere Monate bis Ende November 2021 und ermöglichte Schließungen zahlreicher Einrichtungen sowie Alltagsauflagen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. Juli 2022, 19.30 Uhr