Fragen & Antworten

Streit um AKW: Diese Rolle spielt Atomstrom in Bremen

Ein Atomkraft-Zeichen hängt an einem Absperrband.
Kann Atomkraft bei der Gaskrise helfen? Bild: Imago | imagebroker/Oskar Eyb

Auf Bundesebene wird wieder über die Nutzung von Atomkraft diskutiert, um Energie-Engpässe auszugleichen. In Bremen hält man wenig von Markus Söders Vorschlag.

Plötzlich wird wieder über ein Thema gesprochen, das lange geklärt schien: Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Wir haben Bremer Akteure gefragt, wie sie die Debatte einschätzen und welche Rolle Atomstrom für Bremen überhaupt spielt.

Worum geht es in der Debatte?

Drei Atomkraftwerke (AKW) gibt es noch in Deutschland und diese sollen, wenn es nach Unions- und FDP-Politikern des Bundestages geht, nicht wie geplant zum Jahresende vom Netz gehen, sondern weiterlaufen. Grund dafür sei die drohende Gasknappheit. Markus Söder (CSU) hatte im Sommerinterview mit der ARD die Debatte erneut angestoßen.

In den vergangenen Wochen brachte die Union immer wieder Atomenergie ins Gespräch, auch als Alternative zu den Kohlekraftwerken. Diese sollen teilweise wieder ans Netz gehen, um das fehlende Gas aus Russland auszugleichen, sie sind für das Klima allerdings besonders schädlich.

Die Bundesregierung stellt sich gegen den Vorschlag, verweist hier unter anderem auf die geringe Menge an Strom, die überhaupt noch mithilfe von Kernkraftwerken produziert wird. Hinzu komme das Problem bei der Wärmeversorgung, die ohnehin nicht so einfach durch Strom gewährleistet werden könne. Die Beschaffung der Brennstäbe sei ebenfalls eine Hürde, und ein Atomkraftwerk könnte ohnehin nicht so flexibel auf unterschiedlichen Strombedarf reagieren wie Kohle- oder Gaskraftwerke. Hinzu kommen Risiken, wegen der die Abschaltung der AKW eigentlich beschlossen wurde: Die Endlagerung des Atommülls bleibt ein ungelöstes Problem und die Gefahr eines Super-GAUs, also eines Unfalls, der wie in Fukushima 2011 oder Tschernobyl 1986 für Zehntausende Tote sorgte, bleibt bestehen. Auch die Abhängigkeit von Russland würde nicht gelöst, da das Uran in der EU größtenteils ebenfalls aus Russland komme.

Wie positionieren sich der Bremer Senat und die Bremer CDU in der Debatte?

Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) hat eine klare Haltung zu den Aussagen von Markus Söder und anderen Bundespolitikern, die für das Festhalten an Atomkraft argumentieren.

Die CSU blockiert die Energiewende und führt eine Scheindebatte. Die AKW-Laufzeiten zu verlängern würde in der aktuellen Gaskrise kaum dazu beitragen, dass wir unabhängiger von russischen Gasimporten werden. Das schafft nur eine schnelle Energiewende.

Bremens Umweltsenatorin Maike Schaefer während eines Interviews.
Maike Schaefer, Bremer Umweltsenatorin (Die Grünen)

Die Atomenergie sei eine Hochrisikotechnologie von gestern und die Endlagerfrage noch immer ungeklärt.

Die Bremer CDU steht allerdings auch nicht hinter einer Laufzeitverlängerung der AKW und hat damit bei der Debatte teilweise eine andere Haltung als die Parteispitze in Berlin und Markus Söder von der CSU.

Wir halten am Ausstieg aus der Atomenergie und der Kohleverstromung fest. Zur Überbrückung der aktuellen Energiekrise halten wir einen vorübergehend verlängerten Betrieb von Kohlekraftwerken für eher vertretbar als eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken.

Porträt von Martin Michalik, klimapolitischer Sprecher der Bremer CDU-Fraktion.
Martin Michalik, Sprecher für Klimaschutz, Umwelt und Energie der CDU Bremen

Gleichzeitig wirft er allerdings der Bremer Regierung Versäumnisse vor, um die Energieversorgung in Bremen zu garantieren.

Welche Rolle spielt Atomstrom in Bremen?

Nach Angaben von Statista waren 2021 stammten etwa elf Prozent der gesamten bundesweiten Stromerzeugung aus Kernenergie. Damals waren allerdings noch sechs AKW am Netz. Aktuell wird über die verbliebenen drei AKW diskutiert. Diese würden laut Bremer Umweltressort dann nur noch fünf Prozent der Stromproduktion abdecken.

Da Bremen kein Atomkraftwerk besitzt, wird zumindest keine "eigene" Kernenergie produziert. "Wir produzieren auch Strom, aber den müssen wir an der Börse verkaufen und kaufen dann für unsere Kunden wieder Strom ein", erklärt Angela Dittmer, Pressesprecherin der swb AG Bremen. Gekauft wird ein Energiemix, der aus verschiedenen Energieträgern besteht – auch Kernenergie. Wenn Verbraucher die Ökostromvariante gekauft haben, würde für sie allerdings nur Strom aus erneuerbaren Energien eingekauft. Mit einem Marktanteil von 80 Prozent ist der swb die wichtigste Quelle für Strom in Bremen.

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Elektrizität ist nur ein Teil der Energie, die tatsächlich verbraucht wird. Beispielsweise spielt Strom beim Heizen nur eine geringe Rolle. Und das Heizen verbraucht die meiste Energie.

Die Energie, die beim Bremer Verbraucher insgesamt ankommt, nennt sich "Endenergie". In der Übersicht über die "Endenergie" sind die Quellen wie Kernenergie oder auch die erneuerbaren Energien bereits umgewandelt in "Strom" und werden darunter geführt.

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Der Länderarbeitskreis veröffentlicht im Rückblick für ein Jahr die entsprechenden Bilanzen. Die Bilanzen von 2021 sind derzeit noch in der Berechnung, da es sich um einen sehr zeitaufwendigen Prozess handelt.

Kann Atomstrom beim Heizen wirklich helfen?

Die Argumente der Regierung sind klar: Das meiste Gas wird für das Heizen gebraucht. Und hier wird Atomstrom nicht weiterhelfen, oder? Der Bremer Nachhaltigkeitsforscher Professor Armin von Gleich erklärt: "Strom kann in mehrerer Hinsicht eine Rolle beim Heizen spielen. Die Baumärkte verkaufen gerade ganz viele Radiatoren, also klassische, mit Öl gefüllte Heizkörper, die man elektrisch betreibt. Das ist natürlich nicht das Effizienteste, wenn auch effizienter als Heizlüfter. Aber: Beides sind zumindest mögliche Notlösungen. Um effizient mit Strom zu heizen, bräuchte man eine Wärmepumpe." Allerdings gehe es nicht nur um Wärme von Gebäuden. "Wir brauchen Gas noch mehr für Hochtemperatur-Prozesse, gerade in der Industrie. Dafür wäre Strom keine Lösung, zumindest eine sehr ineffiziente. Und daher wären hierfür auch Atomkraftwerke keine Hilfe."

Außerdem habe der Einsatz von Kohlekraftwerken statt Atomkraft auch einen anderen Nutzen, denn: "Kohlekraftwerke können auch gedrosselt und wieder hochgefahren werden. Genau das kann ein Kernkraftwerk nicht. Wenn ein Kernkraftwerk erst hochgefahren ist, dann muss es strikt durchlaufen."

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Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Nachrichten, 13. Juli 2022, 7 Uhr