Ticketerstattung: Das sagt Werder zur verpatzten "Kurvenheld"-Kampagne
Die Bremer hofften, dass viele Fans dem Klub das Geld für die Tickets im Weser-Stadion überlassen. Die "negative Resonanz" darauf ist auch dem Präsidenten nicht entgangen.

Das Happy End in Heidenheim sorgte bei Werder für erlöste Gesichter. Haarscharf waren die Bremer dem Abstieg aus der Bundesliga noch einmal entkommen. In den Tagen danach haben sie die vergangene Saison aufgearbeitet. Vor allem Chefcoach Florian Kohfeldt ging dabei hart mit sich ins Gericht.
Fehler haben die Bremer aber nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz gemacht. Vor allem mit der "Kurvenheld"-Kampagne haben sie sich ein Eigentor geschossen. Aufgrund der Corona-Pandemie durften nach dem Neustart im Mai in den letzten sechs Heimspielen keine Zuschauer mehr in das Weser-Stadion kommen. Die Inhaber von Dauer- und Tageskarten hatten daher ein Recht auf Erstattung für die bereits gezahlten Tickets.
Werder hoffte, dass viele auf ebenjene Erstattung verzichten würden – und das Geld somit beim Verein bleibt. "Hier standen acht Millionen Euro für uns im Feuer", stellte Präsident Hubertus Hess-Grunewald am Freitag klar. Eine Summe, die auch die möglichen Ausfälle bei den Tickets für Business-Kunden beinhalte. Im Vorfeld habe es von den Fans "Ausdrücke der Solidarität" gegeben. Viele hätten zuvor ihre prinzipielle Bereitschaft auf einen Verzicht signalisiert.
Herbe Kritik in den sozialen Medien
Was Werder den Fans im Gegenzug dann anbot, stieß vielen aber vor den Kopf. Mit viel Pathos, aber wenig Empathie wollte Werder diese dazu überreden, dem Klub das bereits gezahlte Geld zu überlassen. Wer verzichte, sei für Werder ein "Kurvenheld". Für ihren Verzicht auf die Erstattung sollten die Fans aber nur einen kleinen Stoffbadge, einen Stadionbecher und einen 6er-Träger Bier erhalten. Das Bier mussten sie dabei zudem noch bei einem Getränkehändler, der Werder sponsert, abholen. Zugleich sollen die "Kurvenhelden" nach der Corona-Pandemie noch zu einem Event mit der Mannschaft eingeladen werden.
Vor allem in den sozialen Medien stieß die Aktion bei den Werder-Fans auf herbe Kritik. Und auch betriebswirtschaftlich scheint sie nicht das eingebracht zu haben, was der Klub sich erhofft hatte. Über genaue Zahlen spricht Werder nicht. Eine entsprechende Anfrage von buten un binnen ließ der Klub unbeantwortet.
Hess-Grunewald: "Dann kommen wir in eine Dysbalance"
Dass die Kampagne letztlich ein Schuss in den Ofen war, ließ Hess-Grunewald aber durchblicken. Intern sei diese mittlerweile kritisch aufgearbeitet worden. "Wir haben natürlich mitbekommen", erklärte der Werder-Präsident, "dass es eine negative Resonanz auf das gegeben hat, was wir eigentlich positiv zum Ausdruck bringen wollten." Zugleich stellte der Werder-Präsident, der Mitglied der Geschäftsführung ist, klar, dass einige Fans bezüglich der Gegenleistung für einen Verzicht auf Rückzahlung wohl zu hohe Erwartungen gehabt hätten.
Wenn man anfängt abzuwägen und sagt: 'Wenn ich hier auf 150 Euro verzichte, dann will ich aber auch ein Trikot haben, das 90 Euro kostet', dann komme ich in eine Dysbalance.
Hubertus Hess-Grunewald
Das von Werder angebotene Paket sei als "kleine Form der Anerkennung" gedacht gewesen und sollte somit vielmehr einen Symbolcharakter besitzen. Die Wertschätzung gegenüber den Fans habe der Klub zudem dadurch zum Ausdruck bringen wollen, diese persönlich anzuschreiben und diese Schreiben auch allesamt persönlich zu unterzeichnen. "Wir haben hier über das Wochenende jeder von uns 4.000 Briefe per Hand unterschrieben", so Hess-Grunewald. Gebracht hat es nichts. Am Ende leisteten die Bremer sich mit der "Kurvenhelden"-Kampagne ein kommunikationspolitisches Desaster. In einer historisch schwachen Saison an der Weser bildet auch diese ein unrühmliches Kapitel.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen mit Sportblitz, 12. Juli 2020, 19:30 Uhr