Waffe statt Schach-Brett für Werder-Spieler: "Wissen nicht, was kommt"
Statt am Wochenende für Werder Bremen in der Schach-Bundesliga zu spielen, muss der 19-jährige Großmeister Kirill Shevchenko in der Ukraine im Krieg kämpfen.
Sein Schachbrett hat Kirill Shevchenko mit auf die Flucht aus Kiew genommen. Doch statt zum Bundesliga-Start am Wochenende für den SV Werder Bremen zu spielen, sitzt der 19 Jahre alte Großmeister im Westen der Ukraine mit seiner Familie inmitten von russischen Raketen-Angriffen fest und muss um sein Leben fürchten. "Gestern haben wir Waffen gekauft", sagte der Ukrainer am Freitag.
In der Nähe der ukrainischen Stadt Winnyzja trainiert Shevchenko nun weiterhin täglich so gut es eben geht, auch wenn um ihn herum der Krieg wütet und immer wieder Sirenen heulen. "Wir wissen nicht, was morgen kommt", sagte Shevchenko. Er sei ein bisschen traurig, dass er zum Bundesliga-Start nicht antreten könne. Doch jetzt gelte es, sein Land zu verteidigen, versicherte der 19-Jährige.
"Das Sportliche ist absolut nachrangig"
Der Internationale Schachverband Fide listet Shevchenko auf Platz 91 der 100 weltbesten Spieler. Er habe hohes Potenzial und sei in Deutschland einer der Top-Bundesliga-Spieler, sagt ein Liga-Sprecher. Der SV Werder Bremen hatte zum Saisonstart große Hoffnung in den jungen Großmeister gesetzt. Nach langer Corona-Pause sei die Vorfreude auf die Spiele groß gewesen, teilte Oliver Höpfner, Schach-Abteilungsleiter in Bremen, mit.
"Wir haben uns gefreut, dass es wieder so ein bisschen in Richtung Normalität geht", sagte der 51-Jährige. Die Freude sei nun vollkommen der Angst um die ukrainischen Spieler und der Sorge wegen der aktuellen Ereignisse in der Ukraine gewichen. "Das Sportliche ist jetzt absolut nachrangig."
Solidarität: Werder lässt 2 Bretter frei
Neben Shevchenko wären auch die Ukrainer Alexander Areshchenko und Zahar Efimenko für den Verein angetreten. Doch die Regierung in Kiew hat ukrainischen Männern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise untersagt, sie unterliegen der Wehrpflicht und dürfen das Land nicht verlassen. Als Zeichen gegen Russlands Krieg und für die Solidarität mit der Ukraine will der SV Werder am Wochenende zwei Bretter freilassen.
Die Gegner am Wochenende, Meister OSG Baden-Baden und Vizemeister Schachfreunde Deizisau, schließen sich an, indem sie am zweiten und dritten Brett ebenfalls niemanden aufstellen, statt kampflos Punkte zu kassieren. Das könnte nach dem herkömmlichen Regelwerk dazu führen, dass beide Teams am Ende als Verlierer gewertet werden. Um dies zu verhindern, kündigte die Schach-Bundesliga am Freitag eine abgeänderte Siegregelung an.
Historische Regeländerung
Insgesamt gibt es nach Angaben der Schach-Bundesliga mindestens neun ukrainische Spieler in den deutschen Teams. Der Bundesliga-Vorstand empfahl allen Mitgliedsvereinen, bis auf weiteres keine russischen oder belarussischen Spieler einzusetzen, die den russischen Angriff nicht aktiv ablehnten.
In naher Zukunft könnten ukrainische Spieler sogar per elektronischem Schachbrett aus ihrer Heimat zugeschaltet werden. "Das ist eigentlich nicht in der Bundesliga vorgesehen", sagte ein Liga-Sprecher. Die in der Ukraine festsitzenden Bundesligaprofis könnten nun einen kurzfristigen Wandel bewirken. "Das werden wir wahrscheinlich dieses Wochenende noch nicht sehen, aber ich will nicht ausschließen, dass das am dritten oder vierten Spieltag zum ersten Mal in der Bundesliga auftaucht", sagte der Liga-Sprecher. Ein aus der Ferne elektronisch zugeschalteter Spieler wäre in der Schach-Bundesliga ein Novum.
Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 2. März 2022, 18:06 Uhr