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Antrag auf Asyl – was in Bremen mutmaßlich schief lief
Migranten müssen Voraussetzungen erfüllen, um Asyl oder den Status als Flüchtling zu erhalten. In Bremen lief dabei anscheinend nicht alles nach dem Gesetz.
1. Einreise
Asyl können Flüchtlinge nur dann beantragen, wenn sie die EU-Grenzen bereits überschritten haben. Dies passiert in seltenen Fällen per Flugzeug. Im Zuge der Flüchtlingskrise gelangten die meisten Menschen jedoch illegal auf dem Landweg nach Deutschland, beispielsweise über die Balkanroute.
In diese Zeit fielen auch die mutmaßlich missbräuchlich bearbeiteten Asylanträge der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Mehr als 2.000 Verdachtsfälle in den Jahren 2013 bis 2016 werden derzeit von der Staatsanwaltschaft Bremen untersucht.
2. Meldung und Erstaufnahme
Wer Asyl sucht, muss sich in Deutschland in einer Erstaufnahmestelle melden. Dort werden die Menschen registriert und ärztlich versorgt. Anschließend werden sie in vorübergehenden Wohnstätten untergebracht, bevor sie dann in Asylbewerberheime oder andere mittelfristige Unterkünfte verlegt werden.
Wie in vielen anderen Orten auch mussten in Bremen Notunterkünfte eingerichtet werden als besonders viele Flüchtlinge gleichzeitig kamen, beispielsweise die Zelte in der Überseestadt und an der Uni. Auch das Bundeswehr-Hochhaus und mehrere Bremer Turnhallen wurden dafür genutzt.
3. Verteilung
Ein Computerprogramm namens "EASY" entscheidet, in welchem Bundesland ein Flüchtling seinen Asylantrag stellen muss. Das Programm soll dafür sorgen, dass die Anträge gleichmäßig auf die Bundesländer verteilt werden. Städte wie Bremen, Hamburg oder Berlin sollen so entlastet werden.
In Bremen besteht der Verdacht, dass diese Zuteilung in den Jahren 2013 bis 2016 in zahlreichen Fällen von der Außenstelle des BAMF umgangen wurde. Laut Bremer Staatsanwaltschaft sind mehr als 2.000 Migranten in Bremen als Antragsteller zugelassen worden – eigentlich hätten ihre Asylanträge aber in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen behandelt werden müssen. Tatsächlich zuständig wäre Bremen offenbar nur in rund 100 Fällen gewesen.
4. Antragstellung

Flüchtlinge können einen Antrag auf Asyl stellen, wenn sie auf Grundlage der Genfer Konvention "durch wen auch immer“, zum Beispiel wegen ihrer Ethnie, Religion oder politischen Überzeugungen verfolgt werden. In der Europäischen Union regelt allerdings die Dublin-Übereinkunft, dass Menschen formal nur dort einen Asylantrag stellen können, wo sie erstmals einen sicheren Drittstaat betreten haben. Da Deutschlands Nachbarländer durchweg als sichere Drittstaaten gelten, sind deshalb hierzulande in der Regel nur politisch Verfolgte asylberechtigt, die mit dem Flugzeug eingereist sind.
Während der Flüchtlingskrise wurde die Dublin-Verordnung allerdings praktisch ausgesetzt, da sich nicht alle EU-Staaten an die Regelung hielten. Als die Zahl der Migranten nach Europa ihren Höhepunkt erreichte, wurden daher auch sehr viele Anträge in Deutschland gestellt, obwohl diese rechtlich in Ländern wie Griechenland oder Italien hätten gestellt werden müssen.
5. Anhörung
Bei einer Anhörung treffen die Asylantragsteller in einem persönlichen Gespräch auf den Entscheider sowie meist auch einen Dolmetscher. Die Entscheider sind in der Regel auf die Herkunftsländer spezialisiert, also beispielsweise Syrien oder den Irak. Sie sollen ihre Entscheidung im Hinblick auf das Einzelschicksal des Asylbewerbers treffen.
Der Bremer Staatsanwaltschaft zufolge hat die Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle zwischen 2013 und 2016 offenbar jedoch in Eigenregie über Anträge entschieden. Dabei soll sie mit drei Anwälten aus Bremen, Oldenburg und Hildesheim zusammengearbeitet haben. Die Juristen sollen systematisch Asylbewerber an die Frau "vermittelt" haben, die deren Anträge dann in Bremen durchwinkte. Auch ein Dolmetscher soll beteiligt gewesen sein.
Die Außenstellenleiterin ist inzwischen suspendiert. Dass während ihrer der Amtszeit auffällig viele Asylanträge genehmigt worden waren, ist in den vergangenen Jahren bereits mehrfach thematisiert worden.
Dies lässt sich auch durch Zahlen untermauern. Recherchen von buten un binnen zufolge stieg die Gesamtschutzquote – also der Anteil der Antragsteller, denen aus verschiedenen Gründen Aufenthalt gewährt wird – im Land Bremen von 43,6 Prozent im Jahr 2013 auf jeweils mehr als 70 Prozent in den Jahren 2014 bis 2016 an. In den ersten drei Monaten 2018 liegt sie indes bei nur noch 36,1 Prozent.
Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt lagen die Gesamtschutzquoten laut BAMF im Jahre 2013 bei 26 Prozent, 2014 bei 33,4 Prozent, 2015 bei 50,6 Prozent sowie 2016 bei 62,7 Prozent – also jeweils deutlich unter den Bremer Quoten. In den ersten drei Monaten 2018 lag die bundesweite Quote bei 33,8 Prozent.
6. Asyl und Schutz
Wenn ihr Asylantrag positiv beschieden wird, erhalten Flüchtlinge ein Bleiberecht von zunächst drei Jahren in Deutschland. Die meisten Asylsuchenden haben in den vergangenen Jahren jedoch zunächst kein Asyl, sondern einen so genannten "Flüchtlingsschutz" erhalten. Der Grund in den meisten Fällen: Sie werden nicht von einem Staat verfolgt, sondern von einer Miliz wie den Taliban oder dem so genannten "Islamischen Staat" bedroht. Auch diese Menschen erhalten zunächst drei Jahre Bleiberecht in Deutschland.
Ebenfalls als schutzbedürftig gelten Asylbewerber, die beispielsweise vor Blutrache in ihrem Heimatland flüchten müssen oder so schwer erkrankt sind, dass eine Ausreise nicht zumutbar wäre.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. April 2018, 19:30 Uhr