Brutal bis absurd: Theater Bremen zeigt Stück geschrieben von K.I.

Auf einer Bühne stehen und sitzen Menschen in die Kamera schaut ein Mann in Badehose mit Sonnenbrille

Brutal bis absurd: Theater Bremen zeigt Stück geschrieben von K.I.

Bild: Jörg Landsberg

Es ist ein Experiment. Ermöglicht es einen Blick in die Zukunft? Eine Künstliche Intelligenz hat ein Theaterstück geschrieben. Es nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise.

Ein Tonstudio mitten in den verschlungenen Gängen des Theaters Bremen. Hier sprechen Shirin Eissa und Siegfried W. Maschek den Text ein, den die Künstliche Intelligenz (K.I.) GPT-3 entwickelt hat. Klar und ruhig hallen die Stimmen durch den Raum: "Es riecht nach frischem Gras und Blumen. Eine grüne Wiese inmitten eines Parks. Die Sonne ist warm." Das Setting des Stücks ist ein Picknick im Park, vorgegeben waren die Figuren: Beispielsweise eine Joggerin, eine Mutter oder ein Mann vom Ordnungsamt. Was mit ihnen passiert, entscheidet die K.I. Und das geht von absurden bis zu brutalen Wendungen.

Die vereinfachte Software gehört für viele von uns schon zum Alltag

Für den Plot greift GPT-3 auf das gesamte Internet zu, also Nachrichten oder Wikipedia. "Sie ist im Endeffekt ein Spiegel von uns und dem, was wir im Internet sehen", erklärt Dramaturgin Theresa Schlesinger, "es ist keine eigene Persönlichkeit, auch wenn wir sie manchmal so wahrnehmen."

GPT-3 ist eine Sprachsoftware, die versucht, den Menschen so gut es geht zu imitieren. Ein wenig simpler findet sich so eine Software auf den meisten Smartphones: Sie macht uns Vorschläge in Nachrichten und Messengerdiensten, wenn es um Antworten in Chats geht. Zeigt uns Wörter, die wir nutzen können und passt sich dabei Stück für Stück an unsere persönliche Rhetorik an. "Wir realisieren oft nicht, wie sehr unser Leben durch Algorithmen und K.I.s bestimmt wird. Welche Serien wir streamen oder was wir in den sozialen Medien sehen. Mich hat die K.I. fasziniert, wie sie versucht, menschliches Verhalten zu begreifen und damit so kraftvolle Entscheidungen trifft", erzählt Regisseur Felix Rothenhäusler, der zusammen mit Schlesinger und GPT-3 den Text entwickelt hat.

Ersetzt die K.I. auch die kreative Arbeit?

Ganz ohne menschlichen Input geht es aber nicht. Die Arbeit mit der K.I. lief eher ab wie ein Dialog. Dramaturgin und Regisseur gaben Stichworte oder Halbsätze ein und GPT-3 erzählte darauf aufbauend die Geschichte. "Wir waren dabei auch oft mit dem konfrontiert, was im Internet so vorzufinden ist. Es gab auch sehr unangenehme Narrative und Stereotypen", so Schlesinger.

Aber kann so eine K.I. tatsächlich ein kulturelles Angebot schaffen, das menschliche Künstler oder Autoren ersetzt? Dass sie so ihre Arbeit verlieren, befürchten Schlesinger und Rothenhäusler allerdings nicht. "Den Dialog zwischen Mensch und K.I. wird es sicher öfter geben. Aber ersetzt werden kann man nicht so schnell, die K.I. braucht den Menschen." Außerdem seien die Entwicklungen doch teilweise sehr absurd. Die Regie wollte aber damit experimentieren, sie wirklich eins zu eins auf die Bühne zu bringen, so Schlesinger.

Das Stück behandelt die Natur aus Sicht der K.I.

Die Kontrolle über die Geschichte so abzugeben, sei allerdings schon eine interessante und faszinierende Erfahrung gewesen, berichtet der Regisseur von der Arbeit in den letzten Monaten. "Wir beschäftigen uns in dem Stück ja mit Natur und wie die K.I. sie sieht. Mir ist aufgefallen, dass die K.I. von der Natur gar nicht so weit entfernt ist, wie man denkt. Der Planet ist uns gegenüber gleichgültig, wie die K.I. auch. Er reagiert auf uns. Und man kann die K.I. als Teil der menschlichen Evolution betrachten."

Die Tonspur, die die Schauspieler in dem Studio des Theaters aufnehmen, soll beim Stück im Hintergrund laufen. Sie beschreibt, was den Figuren auf der Bühne passiert. Sachlich, ruhig und hypnotisch – als wäre es kein Mensch, der dort spricht. Sondern ein Wesen, das uns mitnimmt auf eine Reise in seine Sicht auf die Natur, die Menschen und den Tod.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 1. April 2022, 15:10 Uhr