Exklusiv
Bremer Studie zeigt: Frauen und Männer ticken bei Klimafragen anders
Frauen und Männer haben oft ein unterschiedliches Verständnis von guter Klimapolitik. Das zeigt eine Umfrage der Uni Bremen zu Forderungen der Enquete-Kommission.
Wie es Bremens Bürgerinnen und Bürgern mit der Energiewende halten, hat jetzt die Bremer Universität in einer Umfrage mit dem Titel "Zukunftsperspektive Energiewende" ermittelt. Die 330 befragten Menschen aus Bremen und Bremerhaven sollten in Interviews ihre Einschätzung zu den im Dezember präsentierten Vorschlägen der Enquetekommission "Klimaschutzstrategie für das Land Bremen" abgeben. Das Besondere der Umfrage, die buten un binnen exklusiv vorliegt: Sie weist die Haltung von Männern und Frauen zum Klimaschutz gesondert aus. Im Ergebnis zeigt sich, dass beide Geschlechter zu einigen Fragen signifikant unterschiedliche Auffassungen haben.
Beispiel Energiewende: Hier fragten die Meinungsforscher unter anderem, wie konsequent die Bürgerinnen und Bürger andere Ziele wie zum Beispiel Kosten der Energiewende unterordnen würden. So lautete eine der Fragen: Sollten benötigte Rohstoffe so schnell wie möglich nur noch in Europa abgebaut und verarbeitet werden? Dem stimmten nur 16 Prozent der männlichen Befragten zu, bei den weiblichen Interviewten waren 30,4 Prozent dieser Meinung.
"Benötigte Rohstoffe sollten nur noch in Europa abgebaut werden"
Außerdem stimmten fast die Hälfte der Frauen (48,4 Prozent) der Aussage zu, dass Naturschutz auch im eigenen Land beachten werden müsse. Bei den Männern war es nur gut ein Drittel (36,3 Prozent).
Männer setzen auf sichere Energieversorgung
Dass das oberste Ziel die Versorgungssicherheit sein muss und die dafür genutzten Energiequellen zweitrangig sind, dem stimmte in der Umfrage jeder dritte Mann (35,1 Prozent) zu. Bei den Frauen war es nur jede Fünfte (21,6 Prozent).
Auch bei der Frage, wie schnell die Energiewende gehen soll, gibt es offenbar unterschiedliche Perspektiven. So konfrontierten die Meinungsforscher die Befragten mit der Aussage: "Eine schnelle Umsetzung der Energiewende ist alternativlos. Dafür muss Deutschland auch Abhängigkeiten von autoritär regierten Ländern akzeptieren." Ein Fünftel der Männer (20,8 Prozent) stimmten dem zu, aber nur ein Zehntel der Frauen (10,5 Prozent).
"Schnelle Umsetzung der Energiewende ist alternativlos"
Auch im Hinblick auf die Sichtweisen verschiedener Altersgruppen gab es zum Teil deutliche Unterschiede. So halten nur 18,6 Prozent der 18 bis 30-jährigen Männer eine schnelle Umsetzung der Energiewende für alternativlos. Bei den 60- bis 70-jährigen Männern sind es hingegen 43,8 Prozent. "Das hat auch mich überrascht", sagt Umfrageleiter Uwe Engels, der vor allem bei jungen Menschen mit einer Forderung zu einer schnelleren Energiewende gerechnet hätte.
Einigkeit bei der autofreien Innenstadt
Bei der Verkehrswende liegen die Geschlechter bezüglich der energiepolitischen Optionen laut Umfrage fast durchweg eng beieinander. So halten das Modell einer autofreien Innenstadt 21,4 Prozent der männlichen und 22,8 Prozent der weiblichen Befragten für richtig.
"Das Modell einer autofreien Innenstadt sollte verfolgt werden"
Ein annähernd signifikanter Unterschied ergibt sich bei der Verkehrswende nur bei einer Frage: Sollte bezahlbare Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen ermöglicht werden? Hier stimmten 61,9 Prozent der Männer zu. Bei den Frauen waren es 71,4 Prozent.
Künftige Wärmeversorgung wird unterschiedlich eingeschätzt
Wie Bremerinnen und Bremer angesichts der Energiewende künftig wohnen wollen, wird von Männern und Frauen wiederum durchaus unterschiedlich beurteilt. Hier präsentierten die Meinungsforscher unterschiedliche Szenarien.
In einem heißt es: Ein Kraftwerk versorgt Haushalte in innenstadtnahen Wohngebieten über ein Fernwärmenetz mit Erdgas. Daneben versorgen sich die Haushalte in Wohngebieten mit vielen Einfamilien- und kleinen Mehrfamilienhäusern in der Regel selbst mit Energie (z. B. durch Heizen mit Strom). Diesem klimapolitischen Szenario stimmen 23,1 der Männer zu, jedoch nur 14,2 Prozent der Frauen.
In einem anderen Szenario geht es um Wasserstoff. Dort heißt es: Bremen stellt künftig sein ganzes Erdgasnetz auf die Nutzung von klimafreundlichen ("grünen") Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen um. Wohnungen, die bislang mit Erdgas heizen, können dann später mit klimafreundlichem Wasserstoff heizen oder von Gasheizung auf Stromheizung umstellen. Ein Szenario, das 40,8 Prozent der männlichen Befragten so sehen, aber nur 29 Prozent der Frauen.
Verkehrsmittelwahl beeinflusst die Sichtweise deutlich
Insgesamt betont Umfrageleiter Engel jedoch, dass zwar sowohl Geschlecht wie auch Alter einen gewissen Einfluss auf die Beurteilung der Befragten haben. Mindestens ebenso entscheidend seien aber andere Faktoren. So sei auch abgefragt worden, welche Verkehrsmittel die Teilnehmer typischerweise nutzten. "Einiges deutet darauf hin, dass dies einen großen Einfluss hat", sagt der Soziologe. Sobald etwa bei emissionsfreier Mobilität das Auto ins Spiel komme, sei entscheidend, ob die Befragten selbst mit dem Auto unterwegs seien – oder Fahrrad fuhren.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, der Morgen, 6. Mai 2022, 8:40 Uhr