Punk-Pioniere: Das Bremer Magazin "Trust" feiert seine 200. Ausgabe

1986 kam die erste Ausgabe heraus. Mit 34 Jahren und 200 Heften ist das "Trust" das am längsten existierende Punk-Fanzine der Welt. Das wird mit Livemusik gefeiert.

Bild: Radio Bremen

"Wir haben uns einfach gedacht, dass das Trust notwendig ist" – mit diesen selbstbewussten Worten geht es 1986 los. In Augsburg gründet eine Gruppe Punks ein Heft, wie es damals noch nicht existiert in Deutschland: Ein überregionales, regelmäßig erscheinendes Magazin aus der Szene für die Szene. Vorbild ist "Maximumrocknroll" aus Kalifornien, damals die Bibel für viele Punkrocker. Die Macher sind keine Journalisten, sondern Fans – daher auch der Begriff "Fanzine".

Dolf Hermannstädter vom Magazin Trust sitzt am Computer.
Dolf Hermannstädter arbeitet an der 200. Trust-Ausgabe, die am 4. Februar erscheint. Bild: Radio Bremen | Jens Otto

"Es gab hier bei uns einfach kein Medium, das unsere Musik und unsere Ideen repräsentiert hat", erinnert sich Dolf Hermannstädter. Er ist bis heute der Macher hinter dem Trust, der das Heft im Dachgeschoss seiner Wohnung in Peterswerder produziert. Mit ihm zog das Magazin im Sommer 1998 aus privaten Gründen nach Bremen und hier erscheint es auch heute noch alle zwei Monate.

Mit positivem Idealismus gegen den Kommerz

Die Macher stehen damals und auch heute noch auf Musik aus dem Untergrund. Sie interessieren sich aber auch für gesellschaftspolitische Fragen wie den Umgang mit Rechtsextremismus und überbordenden Konsum. Im Trust können sie offen darüber schreiben und Denkanstöße geben. "Wir wollten in den Achtzigern weg von der stumpfen, destruktiven Art, die Punkrock damals viel zu oft hatte, die Szene war verdrogt und sehr intolerant", sagt Dolf Hermannstädter, "da musste eine positivere Attitüde her."

Regale mit verschiedenen Ausgaben des Magazins Trust.
Das komplette Trust-Archiv lagert in Dolf Hermannstädters Wohnung. Bild: Radio Bremen | Jens Otto

Seine Ideale hat das Trust bis heute behalten. Ganz wichtig ist es, von der Musikindustrie unabhängig zu bleiben. "Bei uns gibt es keine sogenannten Kopplungsgeschäfte, wir versprechen keine Artikel über eine Band im Gegenzug für eine große Werbeanzeige." Bei kommerzielleren Magazinen komme das immer wieder vor, sagt der Trust-Gründer: "Wir berichten nur über das, was wir mögen – nicht über die Bands, deren Plattenfirmen das meiste Geld haben." Bands, die bereits groß und bekannt sind, spielen im Trust eher selten eine Rolle. Es ist ein Heft für Spezialisten, für Leute, die tief drin stecken in der Materie – und die es ertragen können, wenn es neben dem üblichen Punkrock und Hardcore auch mal um Free Jazz oder andere experimentelle Spielarten der Musik geht.

In Zeiten des Internets relevant bleiben

Wichtige Ideale, ein Sprachrohr für die Szene – alles schön und gut, aber braucht es in Zeiten des Internets, wo Informationen über Bands und ihre Musik auf unzähligen Seiten zu lesen sind, noch ein altmodisches Print-Magazin? Ein Heft, das bis heute alle zwei Monate komplett in schwarz-weiß erscheint – mit News, die zum Druckzeitpunkt oft schon Wochen alt sind?

"Mich darfst du nicht fragen", lacht Dolf Hermannstädter, "von mir aus braucht es das Trust natürlich noch – alleine deshalb, um heutzutage noch etwas zum Lesen anzubieten, das nicht auf einem Bildschirm ist." Und offenbar gibt es auch noch genug Andere, denen ein absichtlicher Anachronismus wie das Trust etwas bedeutet: Die Auflage liegt bei 2.000 Exemplaren – wenig im Vergleich mit den großen Mitspielern auf dem Markt der Musikmagazine, aber genug zum Überleben.

Jubiläumsfeier im Schlachthof

Dieses Überleben von 1986 bis heute, die 200 Hefte über dreieinhalb Jahrzehnte, das soll gefeiert werden – natürlich mit Musik. Drei Punkbands hat das Trust für den 8. Februar in den Magazinkeller des Bremer Schlachthofs eingeladen: Die Joseph Boys kommen aus Düsseldorf und Lügen reisen aus Dortmund an, dazu gibt’s einen Auftritt der Lokalmatadore Postford.

Dolf Hermannstädter vom Magazin Trust vor einem CD-Regal.
Das Trust ist sein Lebenswerk: Magazin-Mitgründer Dolf Hermannstädter. Bild: Radio Bremen | Jens Otto

Und wenn die Party vorbei ist, wie lange geht es dann noch weiter mit dem Trust? Dolf Hermannstädter denkt nach, mit 54 Jahren kommt das Rentenalter langsam in Sichtweite, stellt er fest, aber ein Trust-Ende definitiv noch nicht: "Ich habe noch Bock, die Schreiber haben noch Bock – und unsere Leser anscheinend auch. Ich sehe momentan überhaupt kein Problem." Bei 200 Ausgaben wird es also ganz sicher nicht bleiben.

Autor

  • Jens Otto
    Jens Otto Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. Januar 2020, 19:30 Uhr

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