Interview

Meteorschauer über Bremen: Warum Sie diesmal gut hinhören sollten

Von Ende Mai bis Anfang Juli zieht ein Meteorstrom an der Erde vorbei. Aber es gibt keine Sternschnuppen am Himmel. Warum nicht, erklärt Andreas Vogel vom Olbers-Planetarium.

Der Meteorstrom "Arietiden" ist ein wiederkehrendes Weltall-Phänomen. Er zieht jedes Jahr im Sommer an der Erde vorbei. Die Meteore prallen in den Morgenstunden bis zum Mittag auf den europäischen Himmel. Der Leiter des Bremer Olbers-Planetariums erklärt das Phänomen und erzählt, wie man die Meteore bemerken kann, auch wenn sie im Taghimmel nicht sichtbar sind.

Herr Vogel, was sind Meteore?

Meteore sind kleine Leuchterscheinungen. Die Erde ist ja sehr schnell im Weltraum unterwegs, mit ungefähr 30 Kilometern pro Sekunde. Und wir kollidieren ständig mit Meteorteilchen, die auch mit ähnlicher Geschwindigkeit unterwegs sind. Wenn die Teilchen die Erdatmosphäre treffen entstehen Reibung und enorm hohe Temperaturen. Diese Teilchen sind nur wenige Millimeter bis zu wenigen Zentimetern groß. Die Teilchen selbst sehen wir gar nicht, sondern nur die Leuchtspuren der Teilchen, die an der Atmosphäre verglühen.

Andreas Vogel
Andreas Vogel, Leiter des Olbers-Planetariums, erklärt die Gründe für die Meteorschauer. Bild: Radio Bremen | Justus Wilhelm

Was ist der Unterschied zu anderen Himmelskörpern wie Meteoriten, Kometen oder Asteroiden?

Ein Meteorit ist etwas größer als ein Meteor. Meteoriten sind tatsächlich auf der Erde gelandet. Meistens sind sie millimeter- bis faustgroß. Dass Meteoriten auf der Erde landen kommt immer mal wieder vor. Hier in der Nähe, in Oldenburg gab es zum Beispiel 1930 einen Meteoriteneinschlag.

Kometen sind große Schneebälle, die normalerweise einen Durchmesser von zwei bis 20 Kilometern haben. Hin und wieder kommen sie in die Nähe der Sonne. Sie enthalten leicht flüchtige Elemente, die dann verdampfen. So bildet sich dann hinter den Kometen ein Schweif, den man teilweise von der Erde beobachten kann. Das Gegenstück dazu wären Asteroiden, die zwar ähnlich groß wie Kometen sind, aber weniger leicht flüchtige Elemente enthalten. Sie bilden deshalb keinen Schweif und bestehen zum Beispiel zum größten Teil aus Gestein oder Eisen.

Es gibt zum Beispiel die Meteorströme der Arietiden und Perseiden. Warum gibt es diese Phänomene durch Meteorströme nur zu bestimmten Jahreszeiten?

Das hängt mit einigen Kometen und ihrer Flugbahn zusammen. Die Kometen verlieren auf ihrer Bahn Material, die wie eine Staubspur durchs Weltall fliegt. Während sich die Erde um die Sonne bewegt, fliegt sie in die Bahn der Meteore hinein.

Woraus bestehen Meteore?

Es gibt da verschiedene Klassen: Stein- und Eisenmeteoriten: Steinmeteoriten bestehen aus Gestein, beziehungsweise Silikaten. Sie können aber auch einen gewissen Eisenanteil haben. Eisenmeteoren oder -meteoriten haben einen ganz hohen Anteil an Eisen. Eisenmeteoriten waren wohl schon mal Teil von größeren Himmelskörpern wie Asteroiden, weil sie nur in größeren Körpern entstehen können. Dort haben sich die schweren Elemente durch den Druck im Kern abgesetzt. Deshalb hat die Erde zum Beispiel auch einen Eisenkern.

Und es gibt noch eine dritte Klasse von Meteoren, sogenannte Kohlige Chondrite. Das sind Meteore mit einem hohen Kohlenstoffanteil. Sie kommen aus der Urzeit des Sonnensystems und haben sich bei ihrer Entstehung nicht in andere, schwerere Körper umgeformt.

Wenn Meteoren der Arietiden durch die Atmosphäre rauschen, entsteht ionisiertes Gas, das Radiowellen erzeugt. (...) Pro Stunde wären dann um den Morgen und Vormittag maximal 30 Meteore zu erwarten, in Bremen etwas weniger. Da könnte man das Rauschen ungefähr acht bis zehn Mal pro Stunde hören.

Andreas Vogel, Olbers Planetarium Bremen

Kann ich die Meteoren, die gerade durch die Arietiden über Europa fliegen, sehen?

Mit bloßem Auge, also Ferngläsern oder Teleskopen klappt das überhaupt nicht, weil sie tagsüber auf die Atmosphäre prallen. Aber man kann sie nachweisen: Wenn Meteoren der Arietiden durch die Atmosphäre rauschen, entsteht ionisiertes Gas, das Radiowellen erzeugt. Die Wellen kann man schon mit Amateurfunkgeräten abhören, in dem man die Frequenzen auf eine weitere Entfernung einstellt. Man würde dann plötzlich ein kurzes Rauschen durch die reflektierten Radiowellen hören. Pro Stunde wären dann um den Morgen und Vormittag maximal 30 Meteore zu erwarten, in Bremen etwas weniger. Da könnte man das Rauschen ungefähr acht bis zehn Mal pro Stunde hören.

Gibt es denn auch Himmelskörper aus anderen Sonnensystemen, die durch unser Sonnensystem fliegen können?

Hin und wieder gibt es „kosmische Besucher“, also Kometen oder Asteroiden aus anderen Sonnensystemen, die durch unser Sonnensystem fliegen und dann wieder verschwinden. Das kann passieren, wenn Himmelskörper entweder zusammenstoßen oder von anderen Körpern aus ihrer Bahn abgelenkt werden und dann für Millionen Jahre ziellos durch das Universum fliegen, bis sie auf ein anderes Sonnensystem treffen. Allerdings gibt es davon zum Beispiel keinen Meteorstrom, weil diese kosmischen Besucher keine feste Umlaufbahn haben.

Ab welcher Größe landen Meteore auf der Erde, ohne dass sie verglühen?

Das kann man nicht pauschal beantworten, das hängt vom Material ab. Bei einer Größe von 20 Zentimetern bis zu einem halben Meter landen die Objekte ziemlich sicher auf der Erde. Kleinere Teilchen verglühen, größere zerplatzen meistens, weil es sie regelrecht in der Luft zerreist. Erst, wenn die Teile dann wieder deutlich größer werden, können sie ungehindert durchschlagen. Bis zu einer Größe von drei bis vier Zentimetern kann man aber davon ausgehen, dass die Objekte, egal aus welchem Material sie sind, vollständig verglühen.  

Bild von einem Meteoriten
Meteoriten sind Brocken aus dem Weltall, die auf der Erde gelandet sind. Meteore sind dagegen zu klein und verglühen an der Erdatmosphäre. Bild: dpa | Felix Kästle

Kann es sein, dass sich innerhalb dieser Ströme auch mal größere Brocken befinden, die dann auf der Erde einschlagen?

Das kommt sehr selten vor, aber es ist tatsächlich schon beobachtet worden. Es gibt die regelmäßigen Meteoritenfälle, bei denen millimetergroße oder faustgroße Objekte auf die Erde fallen. Aber zum Beispiel ist im Jahr 2013 ein 20 Meter großer Brocken in Russland in der Luft explodiert und hat eine große Druckwelle ausgelöst.

Wenn man noch eine Dimension höher geht: Es gibt auch hier in Deutschland einen 15 Millionen Jahre alten Meteoritenkrater, das Nördlinger Ries, der einen Durchmesser von rund 25 Kilometern hat und in der eine ganze Stadt gebaut wurde. Die Druckwelle des Einschlags hätte wohl alles im Umkreis von 1.000 Kilometern weitgehend beschädigt. Gut, dass es die Menschheit damals noch nicht gab.

Und in einer noch größeren Dimension kann man auf das Schicksal der Dinosaurier schauen: Ein Asteroid in der Größe des Mount Everests ist vor 66 Millionen Jahren im Golf von Mexiko eingeschlagen und war ein Grund dafür, dass die Dinosaurier von der Bildfläche verschwunden sind.  

Wie realistisch sind solche Szenarien, dass riesige Asteroiden auf der Erde einschlagen und die Menschheit auslöschen könnten?

Da kann ich Sie beruhigen: Wir überwachen den Himmel schon sehr gut. Es sind rund eine Millionen Asteroiden im Sonnensystem registriert und nicht einer ist eine unmittelbare Bedrohung für die Erde. Allerdings muss man dazu sagen: Es ist alles eine Frage der Zeitspanne. In 50 Jahren ist ein Einschlag extrem unwahrscheinlich, in mehreren Millionen Jahren ist er unausweichlich.

Irgendwann wird uns ein großer Asteroid treffen, das sollte uns aber keine schlaflosen Nächte bereiten. Es kann schon mal sein, dass wir Objekte übersehen, die 50, 60, 70 Meter groß sind und direkt von der Sonne auf uns zu fliegen. Das wäre unwahrscheinlich, aber wir könnten wenig dagegen tun.

Größere Objekte können wir aber sehr sicher und mit einer langen Vorlaufzeit sehen, wir würden das Objekt also ein paar Jahre vor dem Einschlag entdecken. Dann gibt es Pläne: Die Nasa hat zum Beispiel vergangenes Jahr die Dart-Mission gestartet. In der will sie einen Asteroiden aus seiner Umlaufbahn schubsen, der nicht in Richtung Erde fliegt und erforschen, wie gut das funktioniert. Wenn die Experimente klappen, würden wir auf jeden Fall einen Vorteil gegenüber den Dinosauriern haben.

Wann kann ich das nächste Mal in Bremen Sternschnuppen in der Nacht mit bloßem Auge beobachten? Und in welche Himmelsrichtung müsste ich dann schauen?

Im August gibt es in der Nacht besonders viele Sternschnuppen zu sehen. Um den 12. August liegt der Höhepunkt der sogenannten Perseiden. Man kann sich also im Zeitraum um Mitte August mit Gartenstuhl hinsetzen und in den Nachthimmel schauen. Am besten schaut man dann auch direkt nach oben, wo man einen möglichst großen Ausschnitt des Himmels sieht.  

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 27. Mai 2022, 8:20 Uhr