100 Jahre "Seute Deern": Briefmarken-Star und Labskaus-Schlachtschiff
Glückwunsch, süßes Mädchen: Heute wird die "Seute Deern" 100 Jahre alt – und das waren ziemlich interessante Jahre, wie diese fünf Fakten zeigen.
1919 lief die berühmte "Seute Deern" vom Stapel. Das Jubiläum kommt für die alte Dame, die sich immer noch "süßes Mädchen" nennt, in einer kritischen Phase. Die Zukunft des maroden Schiffes ist ungewiss, ein Brand hat im Februar weitere Schäden angerichtet.
1 Die spätere "Seute Deern" war ein Montags-Schiff
Als die damalige "Elisabeth Bandi" 1919 gebaut wurde, war sie schon unmodern: Holzsegler wurden eigentlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr gebaut. So wurde das Schiff zum letzten ihrer Art. Und sie wurde offenbar nicht besonders gründlich gebaut, sozusagen ein Montags-Schiff. Von Anfang an machte das als Gaffelschoner für Holztransporte gebaute Schiff Ärger, es war quasi nie dicht. Auch danach wurde es nicht besser. Auch als Hotel- und Restaurantschiff wechselt das Boot oft den Besitzer – bis es 1966 nach Bremerhaven kam. Und seitdem weiter für Probleme sorgte.
2 Die "Seute Deern" im Briefmarkenformat
Die Galionsfigur der "Seute Deern" ist eine oft fotografierte Touristenattraktion in Bremerhaven: Eine blonde, überlebensgroße Frau mit Kopftuch, wehendem roten Rock und selbstbewusstem Blick nach vorne. Diese Figur kennen auch viele, die nie in Bremerhaven waren. Am 6. März 2003, dem "Tag der Museumsschiffe", erschien eine Briefmarke der Deutschen Post zu 2,60 Euro. Sie zeigte die Figur, die Zeichner Sibylle und Franz Haase nahmen sich aber gewisse Freiheiten, insbesondere beim Augen-Make-up. Die Marke verkaufte sich 51.670.000 Mal, das war im Briefmarken-Jahr 2003 eine eher magere Auflage.
3 Labskaus-Schlacht auf der "Seute Deern"
Als das Deutsche Schifffahrtsmuseum 1975 für das Publikum eröffnet wurde, kam es auf der "Seute Deern" zu einer Labskaus-Schlacht. Der damalige Bundespräsident Walter Scheel hatte sich zur Eröffnung angekündigt – und die Stadt wollte ihn unbedingt maritim, aber hochklassig beköstigen. Es wurde eine Labskaus-Jury gegründet, auf der "Seute Deern" kam es zum Fleischbrei-Showdown zwischen Bremerhavener Spitzenköchen. Auch die Kombüsen-Mannschaft der "Deern" machte mit. Sie gewann am Ende und durfte für Scheel auf dem eigenen Schiff kochen.
"Wir waren alle gespannt, ob unser 'Präsidentenlabskaus' dem Bundespräsidenten Walter Scheel auch gemundet hatte", erinnerte sich der damalige Chefkoch Horst Graulich später. Es hatte: Das Essen habe ihm sehr gut geschmeckt und sei für ihn eine willkommene Abwechslung zu den sonst üblichen vielen kalten Buffets gewesen, ließ Scheel wissen.
4 Die "Deern" als Grabfigur schiffsverliebter Reeder
Als die "Elisabeth Bandi" 1938 nach Hamburg kam, fand das Schiff zum ersten Mal echte Förderer. Der Reeder John Theodor Essberger baute eigentlich eher funktionale Tankschiffe – doch er und seine Frau Elsa Wolff-Essberger hatten eine Vorliebe für ambitionierte Schiffs-Vorhaben. Die "Bandi" wurde für das Paar ein Herzensprojekt: Essbergers nannten sie in "Seute Deern" um und verpassten dem Schiff die berühmte Galionsfigur. Die Zwei liebten die "Deern" so sehr, dass sie das Schiff auf ihren Grabstein auf dem Friedhof in Hamburg-Nienstedten meißeln ließen.
5 Seute-Deern-Devotionalien als Verkaufsschlager
Seit dem Brand im Februar 2019 ist das Restaurant auf der "Seute Deern" geschlossen – und das bleibt es auf Dauer. Die Schließung ist für viele Bremerhavener und Touristen ein herber Verlust, für viele, die dort geheiratet oder andere Feste gefeiert haben, gehen auch Erinnerungen verloren. Der Verkauf von Möbeln, Geschirr und anderen Dingen aus dem Restaurant zeigt, wie sehr die Bremerhavener am Schiff und am Restaurant hingen. "Wir haben am Samstagabend online veröffentlicht, dass wir das Inventar verkaufen und waren am Sonntag eigentlich ausverkauft", erzählt Verkäuferin Eva Erkenberg: "Viele Leute erzählen mir, was sie mit der 'Seute Deern' verbinden. Das Inventar kaufen sie als Erinnerung, um alte Geschichten erzählen zu können, weil sie wissen, dass es das so nicht wieder geben wird."
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 21. Juni 2019, 9:15 Uhr