Interview

Hartmann statt Warhol: Das kostet Bremer Spitzenkunst

195 Millionen Dollar für ein Gemälde? Diese Preise erreichen Bremer Künstler nicht. Ein Bild aus Bremen brachte zwar einst Millionen ein – aber auch reichlich Kritik.

Das berühmte Porträt "Shot Sage Blue Marilyn" des Pop-Art-Künstlers Andy Warhol ist in New York für 195 Millionen Dollar versteigert worden. Von solchen Preisen können Bremer Künstler nur träumen. Und doch müssen Sammler auch für ihre Werke mitunter fünfstellige Summen zahlen. Der Bremer Galerist Radek Krolczyk verrät, welche Bremer Künstler hoch gehandelt werden und wie es 2011 zum Verkauf eines millionenteuren Werks aus der Sammlung des Museums Weserburg kam.

Herr Krolczyk, eines der Marilyn-Monroe-Porträts von Andy Warhol ist jetzt in New York für 195 Millionen Dollar versteigert worden. Was macht ein Kunstwerk so teuer?

Schon in der Vergangenheit sind ja hohe Summen für Werke von Andy Warhol bezahlt worden. Eine ganz große Überraschung war diese Summe daher nicht. Warhol ist einfach einer der populärsten Künstler des Zwanzigsten Jahrhunderts und die Marilyn eines seiner prominentesten Motive.

Aber das Bild ist ja nicht einmal ein Unikat. Eine Variante des Marilyn-Porträts wurde vor wenigen Jahren sogar mal in der Kunsthalle Bremen gezeigt.

Prinzipiell geht es bei den meisten Arbeiten von Andy Warhol ja nicht darum, dass er sie selber gemalt oder gedruckt hat. Dafür hatte er einen großen Stab an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in seiner Factory,

… seiner Kunstwerkstatt, die er in einer alten New Yorker Feuerwache eingerichtet hatte.

Ja. Teilweise haben seine Arbeiten auch sehr viel höhere Auflage als die jetzt versteigerte Marilyn in genau diesem Format. Und trotzdem erzielen sie hohe Preise.

"Shot Sage Blue Marilyn" von Andy Warhol.
"Shot Sage Blue Marilyn" ist mit 195 Millionen Dollar das teuerste Bild des 20. Jahrhunderts. Bild: dpa | picture alliance / newscom | John Angelillo

Gekauft hat das Bild ein amerikanischer Kunsthändler. Wer leistet sich solche Kunst?

Letztendlich kann man bei so einem populären Künstler wie Warhol und so einem populären Motiv wie der Marilyn nicht von einer sehr speziellen Zielgruppe sprechen. Das Bild spricht daher nicht nur das tatsächliche Kunstpublikum an, sondern eben auch irgendwelche Scheichs aus Dubai.

Und was ist mit Museen?

Sie haben meistens nicht das Geld, Werke dieser Größenordnung zu erwerben – zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Also in den 1950er, 1960er-Jahren und 1970er Jahren hätte man die Werke noch kaufen können. Heute ist es vom Preis her etwas vollkommen Anderes. In Bremen haben wir die Situation, dass die Direktoren in den Nachkriegsjahrzehnten lange der Ansicht waren, dass die direkte Nachkriegsmoderne eigentlich das Nonplusultra ist. Und deswegen haben sie die anderen Arbeiten nicht gekauft.

Was ist wohl das wertvollste Bild in der Kunsthalle?

Das wird irgendein van Gogh oder ein Monet sein. Es wird kein Picasso sein, weil die Kunsthalle hier nur über Nachkriegsarbeiten verfügt, die den Preis der van Goghs oder Monets ganz sicher nicht überschreiten. Vielleicht ist es auch ein alter Holländer. Oder es ist ein Munch – es gibt ja auch schöne Munchs in der Kunsthalle.

Die Weserburg, Bremens Museum für moderne Kunst, hat im Jahr 2011 tatsächlich mal zwei berühmte Bilder verkauft. Eins davon war Gerhard Richters Gemälde "Matrosen". Es wurde für 8,4 Millionen Euro versteigert. Ist es das teuerste jemals aus Bremer Besitz verkaufte Bild?

Zunächst einmal war und ist es in Deutschland sehr unüblich, dass aus einer öffentlichen Sammlung Arbeiten verkauft werden. In Amerika macht man das, um eine Sammlung zu verdichten und neue Arbeiten anzuwerben – aber nicht, wie in Bremen, um mit dem Geld ein Museumsdach zu flicken. Dafür ist die Stadt zuständig.

Gerhard Richters Bild "Matrosen" (Öl auf Leinwand) betrachtet am Sonntag (07.11.2010) ein Besucher bei Sotheby
Gerhard Richters Bild "Matrosen" aus der Sammlung des Museums Weserburg wurde 2011 für 8,4 Millionen Euro bei Sotheby's versteigert. Bild: dpa | picture alliance / dpa | Kira Semmler

Es gab damals auch viel Kritik am Verkauf.

Ja, als der damalige Direktor Carsten Ahrens dazu genötigt wurde, die Bilder zu verkaufen, gab es viele Hinweise darauf, dass die Kulturbehörde ein großes Interesse daran hatte, die Weserburg als Museum aufzulösen. Ein Hinweis war, dass sie diesen unfähigen Direktor gehalten haben, da sie mit ihm machen konnten, was sie wollten. So haben sie erstmal den Bilderverkauf initiiert, außerdem wollten sie das Museum verkleinern. Das ist gescheitert. Jetzt lassen sie das Museum glücklicherweise in Ruhe.

Aber ja, wahrscheinlich ist das Richter-Gemälde das teuerste Bild, das je aus einer Bremer öffentlichen Sammlung verkauft wurde. Das Dach wurde von dem Geld übrigens nicht geflickt. Eine Renovierung des Hauses ist aber wohl mal notwendig.

Welche Bremer Künstler werden international hoch gehandelt?

Der 2013 verstorbene Norbert Schwontkowski zum Beispiel hatte zu Lebzeiten einige Galerien, mit denen er zusammengearbeitet hat. In New York, in Wien, aber auch seiner Bremer Galerie "Beim steinernen Kreuz" war er treu. Die Preise sind aber nicht so hoch wie bei Warhol, die liegen im maximal sechsstelligen Bereich.

Ich selber habe auch mal eine Ausstellung mit Arbeiten von Schwontkowski posthum in meiner Galerie gehabt. Das waren große Arbeiten, die kosteten damals noch so zwischen 40.000 und 60.000 Euro. Das war allerdings vor dem großen Boom. Bei Künstlern wie Schwontkowski muss man – wie bei Warhol – aber auch dazu sagen, dass die Preise sehr stark variieren, je nachdem, was für eine Arbeit es ist. Es gibt Arbeiten, die sehr populär sind, weil sie populär in Museen präsentiert oder auf Katalog-Titelseiten gezeigt wurden.

Radek Krolczyk in seiner Galerie K
Radek Krolczyk steht in seiner Galerie K'. An den Wänden hängen Arbeiten des Bremer Künstlers Christian Haake. Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Ist er der vermutlich teuerste Künstler aus Bremen?

Paula Modersohn-Becker ist wahrscheinlich noch höher taxiert. Aber was die Gegenwart anbelangt, ist Schwontkowski erstmal eine Hausnummer. Man muss sich allerdings auch die Frage stellen, wen man als Bremer Künstlerin oder Künstler bezeichnet. An der Kunsthochschule unterrichten zum Beispiel Professorinnen, die auch Weltstar-Status haben und einen großen Teil ihrer Zeit in Bremen verbringen.

Wer zum Beispiel?

Rosa Barba oder Natascha Sadr Haghighian sind Künstlerinnen, die weit über Bremen, weit über Deutschland, auch über Europa hinaus bekannt ist. Natascha Sadr Haghighian hat Deutschland vor drei Jahren bei der Kunstbiennale in Venedig vertreten – wenn man das so sagen kann, weil sie da einen sehr kritischen Blick drauf hat.

Welche Bremer Künstler handeln Sie in Ihrer Galerie?

Thomas Hartmann zum Beispiel, er wurde in Zetel geboren, ist Anfang 70 und hat mit Schwontkowski zusammen in Bremen studiert. Er lebt inzwischen in Berlin. Es gibt großformatige Arbeiten von ihm, die liegen so bei 30.000 bis 40.000 Euro. Von Christian Haake, der in Bremerhaven geboren ist und den ich gerade in meiner Galerie präsentiere, habe ich im vergangenen Jahr eine größere Arbeit für einen niedrigen fünfstelligen Betrag an die Bremer Kunsthalle verkauft.

Es gibt aber auch gute Kunst von jungen Bremer Künstlerinnen und Künstlern, die auf einem sehr guten Weg sind. Arbeiten von Rebekka Kronsteiner und Francisco Valença Vaz zum Beispiel, die gerade die Hochschule verlassen haben, bekommt man noch für unter 2.000 Euro.

In der Bremer Galerie K' wird leerer Raum zu Kunst

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 10. Mai 2022, 6:10 Uhr