Interview

So viel Wissenschaft aus Bremerhaven steckt in "Der Schwarm"

Ein Schwarm von Haien. Unterwasserfoto in der Nähe von Japan.

Antje Boetius zu "Der Schwarm"

Bild: dpa | Associated Press/Kaname Yoneyama

Die Verfilmung des Bestsellers "Der Schwarm" läuft ab heute im ZDF. Es ist ein Mega-Projekt – bei dem es wissenschaftliche Unterstützung aus Bremerhaven gab.

Schon Frank Schätzings Buch "Der Schwarm" war mit mehr als 4,5 Millionen verkauften Exemplaren ein absoluter Bestseller – nun erreicht das Werk auch als Serie erste Superlative: Mit 40 Millionen Euro ist sie die aufwändigste deutsche Serie aller Zeiten, außerdem legte sie in der ZDF-Mediathek mit Millionen von Klicks innerhalb der ersten Tage einen Rekordstart hin. In dieser Woche zeigt das ZDF die Serie im linearen Fernsehen: Von Montag- bis Donnerstagabend laufen täglich zwei Folgen.

Inhaltlich, so schreibt es das ZDF, geht es in der Serie um den Kampf der Menschheit gegen eine unbekannte Schwarmintelligenz im Meer. Natürlich ist die Handlung fiktiv, aber sie weist Bezüge zur Realität auf – und damit diese aus wissenschaftlicher Sicht stimmen, holten sich die Filmemacher Unterstützung aus Bremerhaven ins Boot: Antje Boetius, Meeresforscherin und Leiterin des Alfred-Wegener-Instiuts, hat das Team wissenschaftlich beraten.

Eine Frau steht vor einem Schiff.
Antje Boetius, Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven, hat das Filmteam von "Der Schwarm" wissenschaftlich beraten. Bild: Alfred-Wegener-Institut | Esther Horvath

Frau Boetius, es gibt das Meer und da schwimmt auch was – war das schon das Realste an der Beratung von Ihnen oder gab es dann doch mehr?

(lacht) Ach ne, da waren viele spannende Aufgaben, zum Beispiel einfach zu erzählen: Wie sieht es denn auf einem Forschungsschiff aus? Wie redet die Wissenschaft, die ja ganz international ist, heute miteinander? Daneben ging es darum, auch immer wieder der Forschung über die Schulter gucken: Sind da Geräte, die dem möglichst nahekommen, was wir wirklich nutzen, um die Tiefsee zu erforschen? Und dann haben wir natürlich auch noch Faktenchecks durchgeführt, mit der Frage: Wie kann man tatsächlich beobachtete Phänomene – so, wie es damals das Buch auch gemacht hat – heute neu verknüpfen, um so einen Eindruck über die Katastrophe "Meer-Mensch-Beziehung" bekommen?

Wie oft mussten Sie denn als Fachberaterin sagen, dass Ihnen und der Forschung das zu weit geht? Dass das nur noch Effekte und Heischerei sind?

So war das nicht: Man hat da ja keinen großen Einfluss auf ein Drehbuch. Das ist eine riesige Produktion mit ganz vielen Bedingungen wie auch Zeit und Geld. Aber es waren immer so kleine Fakten, in denen man viel Forschung, viel Realität entdecken kann. Es kann natürlich kein Team rumfahren und Wale beobachten oder Wale filmen, sondern da ist halt sehr viel animiert – und trotzdem steckt darin einfach die Erkenntnis: Die Meere sind wichtig für uns, überall passiert was und wir haben nur noch wenig Zeit, Leben zu retten. Und das kommt da, glaube ich, gut rüber.

In Buch und Film geht es ja um das Böse aus dem Meer. Wie wahrscheinlich wäre es denn wirklich, dass uns zum Beispiel irgendwelche Einzeller den Kampf ansagen?

Also wenn man das jetzt überträgt, dann haben wir ja gerade aus der Pandemie gelernt, dass ein schlechter Umgang mit der Natur und nicht ausreichende Vorbeugung für fremdes Leben uns als Menschheit ganz schön bedrohen kann. Im Buch und im Film ist das eine Übermacht, die strategisch denkt und die sogar Meeresströmungen lenken kann.

Das ist natürlich völlig fiktiv, dennoch gar nicht so weit weg von unseren alten Menschheitserzählungen: Wenn wir nicht gut mit der Schöpfung umgehen und nicht die Natur mit Respekt bezeugen, dann kriegen wir von den Göttern mächtig eins auf den Hut. Und hier ist es eben mikrobiologisch gelöst: Es ist ein fieser Einzeller.

Die Direktorin des Alfred Wegener Instituts Antje Boetius im buten un binnen Studio.
Antje Boetius, Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts

Müssen wir vor dem Meer Angst haben?

Wir müssen Angst haben vor dem, was unumkehrbar folgt, wenn wir die Klimakrise nicht in den Griff kriegen – vor allen Dingen vor dem Anstieg des Meeresspiegels, aber auch dem Artensterben, was ja schon losgegangen ist. Ich bin daher wirklich beunruhigt, das alles so langsam vorangeht, während wir schon diese großen, globalen Korallenriffsleichen haben, so viel Meereis verlieren. Darüber forscht das AWI ja auch. Das Handeln ist sehr langsam.

Ist es also dem Autor des Buches, Frank Schätzing, letztlich zu verdanken, dann dieses Wissen eben auch populär gemacht zu haben? Hat er quasi so einen Dienst an der Wissenschaftsvermittlung getan?

Das hat er auf jeden Fall. 2004 hat dieser Bestseller wirklich Wissen unter die Leute getragen – über Gashydrate und Öl und Gas aus den Meeren, aber auch vieles mehr. Zur Serie gibt es jetzt online beim ZDF ganz viel Begleitmaterial, Dokumentationen und Interviews, auch über die Frage, wie man überhaupt so einen Film macht. Da kann man sich so richtig einlesen, einfühlen, den Schauspielern zuhören und auch dabei sein, wenn die Animation gemacht werden. Das ist schon ein ganz neues Projekt, so multipel zu erzählen. Und ich denke, das wird auch wieder viele Leute dazu bringen, sich mit dem Ozean zu beschäftigen.

Autor

  • Tom Grote
    Tom Grote Moderator

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 22. Februar 2023, 8.45 Uhr