Darum will Bremen das "Werbeverbot" für Abtreibungen kippen

Mediziner dürfen nicht ausführlich über Methoden eines Schwangerschaftsabruchs informieren. Im Gesetz heißt das "Werbung". Das kann Frauen in große Notlagen bringen.

Frauen, die ungewollt schwanger werden, sind in einer Notlage. Wenn sie sich für einen Abbruch entscheiden, ist es oft sehr schwierig, Informationen zu bekommen, welche Praxen oder Krankenhäuser Abtreibungen vornehmen und mit welcher Methode. Ein Grund dafür ist der Paragraph 219a, der sogenannte Werbung für Abbrüche verbietet. Gemeint ist damit zum Beispiel, dass man über die unterschiedlichen Methoden eines Abbruchs informiert. Die Koalition will den Paragraphen abschaffen, am Freitag findet dazu eine Debatte im Bundestag statt.

Marina Mohr hat schon vielen Schwangeren zugehört. Frauen, die sich auf ihr Kind freuen, und anderen, die sich nicht vorstellen können, jetzt Mutter zu werden. Sie ist Beraterin bei Cara, der Beratungsstelle zu Schwangerschaft und pränataler Diagnostik in der Bremer Innenstadt. Und sie sagt, das Angebot in Bremen sei nicht gut.

Es gibt das medizinische Zentrum der Pro Familia hier in Bremen. Die übernehmen den Großteil der Abbrüche. Aber die sind personell ja auch eng besetzt.

Marina Mohr, Beraterin bei Cara, Beratungsstelle zu Schwangerschaft und pränataler Diagnostik

Insgesamt sind es laut Gesundheitsressort sieben Einrichtungen, die medikamentöse Abbrüche anbieten, und zehn, die operative Abbrüche anbieten. "Aber dann zum Beispiel nur an einem Tag pro Woche und beispielsweise nur bis zur 9. Woche oder zur 8. Und wenn man schwangere Frauen hat, die aufgrund ihrer Religion nur bis zum sichtbaren Herzschlag des Embryos einen Abbruch vornehmen dürfen, also eigentlich nur bis zur 6. Schwangerschaftswoche. Die kommen dann schon in Stress, jemanden zu finden. Und ich höre immer wieder, dass mich Frauen anrufen, die sagen: Ich habe überall angerufen, es ging keiner dran oder die sind voll, oder es geht erst in drei Wochen“, erklärt Mohr weiter die Schwierigkeiten.

Bremen liegt bei der Umlandversorgung vorne

Was die Situation nicht leichter macht, ist, dass Bremen bundesweit bei der so genannten Umlandversorgung ganz vorne liegt. Gut 40 Prozent der Patientinnen, die in den letzten zwei Jahren in Bremen einen Schwangerschaftsabbruch hatten, kamen gar nicht aus Bremen.

Ein Problem, das Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) nicht ändern kann. Sie möchte aber das Angebot in Bremen vergrößern.

Dass uns das jetzt so massiv auf die Füße fällt, ist auch eine Frage von Generationen von Frauenärztinnen und Ärzten, die nicht mehr da sind. Die aus einer anderen Zeit kommen und die vom Selbstbestimmungsrecht auch noch tief überzeugt waren. Wir haben jetzt keinen Versorgungsengpass in dem Sinne, aber es ist tatsächlich schwieriger geworden, Nachwuchs zu finden. Nachwuchs im Sinne von Ärztinnen und Ärzten, die es tun. Deswegen sind wir sehr hinterher, dass wir auch Fortbildungen hinkriegen, Infrastruktur zum Beispiel bei Pro Familia unterstützen.

Claudia Bernhard, Bremens Gesundheitssenatorin (Linke)

Bei den medikamentösen Abbrüchen liege Bremen unter dem Bundesdurchschnitt, so das Gesundheitsressort. Genau da sollen die Fortbildungen Ärztinnen und Ärzte ansetzen, die im September starten sollen.

In Bremerhaven ist die Not groß

Ein größeres Angebot dürfte auch Vera Griesar erleichtern. Die Bremerhavener Gynäkologin bietet seit letztem Jahr Abbrüche an. Weil es nötig war, sagt sie. Denn in Bremerhaven seien auf einen Schlag zwei Kolleginnen in den Ruhestand gegangen und eine Kollegin habe aus persönlichen Gründen aufgehört.

Das heißt, wir hatten von einem Tag auf den anderen ein Vakuum. Und das bedeutete, dass die Frauen in Bremerhaven und im Umkreis – und das ist ein großer – in die Röhre geguckt haben und gesagt haben, wo sollen wir hin mit unserer Not. Und wir sie dann eigentlich nur an Stellen in Bremen schicken konnten. Die Frauen wurden versorgt, aber dabei vergeht Zeit. Zeit, die sowieso schon knapp ist.

Vera Griesar, Gynäkologin aus Bremerhaven

Wichtig wäre es, dass der Paragraph 219a abgeschafft wird, sagt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard. Weil dann Ärztinnen und Ärzte keine Angst mehr vor Anzeigen haben müssten, wenn sie zum Beispiel im Netz darüber aufklären, dass sie Anbrüche anbieten und mit welcher Methode.

"Das ist vermehrt der Fall gewesen. Deswegen bin ich auch sehr überzeugt davon, dass der Fall von 219a extrem überfällig ist", sagt Bernhard. "Wir haben immer noch einen Strafrechtsparagraphen 218, das darf man nicht vergessen." Ein großer Fehler sei außerdem, dass die Thematik nicht in der Ausbildung stattfindet. Schließlich gebe es einen Versorgungsauftrag.

Beraterin hofft ebenfalls, dass 219a kippt

Auch Beraterin Marina Mohr hofft, dass 219a kippt. "Ich denke schon, dass Beratung ein wichtiges Element sein kann, wenn es darum geht, eine Entscheidung zu treffen, aber natürlich auch, wenn es darum geht, bestimmte Informationen zu bekommen. Aber dass Schwangere sich in einer gesellschaftlichen Situation, in der alle Informationen jederzeit verfügbar sind, dass es für sie so schwer ist, an Informationen zu kommen, das kann einfach nicht sein“

Mehr zur Diskussion über die Abschaffung des Pragraphen 219a:

Autorin

  • Claudia Scholz
    Claudia Scholz

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 12. Mai 2022, 8:20 Uhr