Fragen & Antworten

Darum besucht Klimaminister Habeck heute das Bremer Stahlwerk

"Dekarbonisierung" steht im Fokus beim Besuch von Robert Habeck. Was das genau ist und warum es für den Minister und vor allem für Bremen so wichtig ist: Die Fakten.

Wie kann das Bremer Stahlwerk seinen Kohlendioxid-Ausstoß deutlich reduzieren? Das will sich heute Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gemeinsam mit Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) bei einem Besuch des Bremer Arcelor-Mittal-Werks erläutern lassen. Geplant sind Gespräche zur "Dekarbonisierung der Flachstahlproduktion". Was der Begriff "Dekarbonisierung" eigentlich bedeutet und was das mit der Zukunft des Bremer Stahlwerks zu tun hat, beantworten wir hier.

Was heißt "Dekarbonisierung"?

Um Klimaschutz sicherzustellen, müssen viel weniger Treibhausgase als bislang in die Luft geblasen werden. Das gilt allem voran für Kohlendioxid (CO2). Dieses Treibhausgas entsteht beim Verfeuern von Kohle, Erdgas und Öl, im Bremer Stahlwerk vor allem beim Verfeuern von Kohlestaub zum Anheizen der Hochöfen. Da Kohlenstoff auch als Carbon bezeichnet wird – "carbō" bedeutet auf Lateinisch "Holzkohle" – wird die Abkehr vom Kohlenstoff als Energielieferant auch als Dekarbonisierung bezeichnet.

Bild aus dem Inneren von Arcelor Mittal in Bremen
Bislang basiert die Stahlherstellung bei ArcelorMittal in Bremen noch auf mit Kohle befeuerten Öfen. Bild: dpa | Sina Schuldt

Warum ist die "Dekarbonisierung" des Bremer Stahlwerks so wichtig?

Auf die Stahlindustrie gehen allein in Deutschland rund sechs bis acht Prozent der CO2-Emissionen zurück. Das liegt daran, dass pro Tonne Stahl bislang im Schnitt knapp zwei Tonnen CO2 anfallen. Nur für das Land Bremen gerechnet, ist die klimapolitische Bedeutung des Stahlwerks sogar noch um ein Vielfaches größer. Denn hier werden im Jahr rund 3,5 Millionen Tonnen Stahl produziert. Das entspricht rund der Hälfte des gesamten CO2-Ausstoßes im Land Bremen.

Wie will Arcelor Mittal künftig klimaneutral produzieren?

Um den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verringern, will Arcelor Mittal den Einsatz von Kokskohle im Herstellungsprozess durch umweltfreundlichen Wasserstoff ersetzen. Die Herstellung von mit regenerativer Energie hergestelltem "grünen" Wasserstoff ist bislang allerdings noch nicht im großtechnischen Maßstab möglich. Weshalb die Stahlherstellung zunächst auf Erdgas umgestellt wird, das dann langfristig durch den ebenfalls gasförmigen Wasserstoff ersetzt werden soll.

Im Zuge der Umstellung werden bisherige Hochöfen stillgelegt und durch sogenannte Elektrolichtbogenöfen mit vorgeschalteter Spezialanlage, einer so genannten Direktreduktionsanlage zur Eisenerzvorbehandlung, ersetzt.

Bis wann soll die Umstellung gelingen?

Der Einstieg in die Dekarbonisierung ist in Bremen bereits vollzogen worden. Im Dezember 2021 gab der Bremer Senat bekannt, ein industrielles Wasserstoffprojekt in Bremen mit zehn Millionen Euro zu fördern, das gemeinsam von den Unternehmen Arcelor Mittal Bremen sowie dem Energieversorger SWB und dessen Konzernmutter EWE durchgeführt wird.

Illustration: PEM-Elektrolyseur in der Maschinenhalle KW Mittelsbüren
So soll der erste Elektrolyseur aussehen, mit dem die SWB ab 2023 Wasserstoff für das Bremer Stahlwerk produzieren will. Bild: SWB

Das Projekt "HyBit – Hydrogen for Bremens industrial transformation", eines der größten dieser Art in Europa, sieht den Aufbau einer Elektrolyse vor. Dabei wird Wasser in Sauerstoff und den später im Stahlwerk verwendeten Wasserstoff gespalten. Bis 2023 soll der Bau eines 12-Megawatt-Elektrolyseurs in Bremen-Mittelsbüren abgeschlossen sein. Dessen Kapazität soll dann in den Folgejahren erweitert werden. Der SWB zufolge könnte so 2038 eine CO2-neutrale Produktion bei Arcelor Mittal in Bremen starten.

Arcelor Mittal beabsichtigt europaweit den CO2-Ausstoß bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Bis 2050 strebt Arcelor Mittal dann für alle europäischen Werke eine klimaneutrale Produktion an. Für das Bremer Werk sind die Pläne ambitionierter. "Wir werden Mitte der 30er-Jahre unsere CO2-Ausstöße um etwa 90 Prozent reduziert haben", sagte Michael Hehemann, Arbeitsdirektor des Bremer Werks, Mitte Dezember gegenüber buten un binnen.

Was kostet die Umstellung?

Arcelor Mittal nennt bislang meist eine Investitionssumme von mehr als einer Milliarde Euro. Experten der Bremer Klima-Enquete-Kommission zufolge dürfte die Umstellung von Kohle auf Wasserstoff im Bremer Stahlwerk insgesamt rund drei Milliarden Euro kosten.

Ähnlich hoch sind die Beträge, die konkurrierende Stahlkonzerne für den Umbau ihrer Werke nennen. So rechnet Deutschlands größter Stahlerzeuger ThyssenKrupp, der bis 2045 klimaneutral produzieren will, für die "grüne Transformation" mit einer Gesamtinvestitionshöhe von rund sieben Milliarden Euro.

Welche Rolle spielen Landespolitik und Bundespolitik beim Umbau des Stahlwerks?

Mit den Produktionsanlagen allein ist die Umstellung von Stahlkonzernen wie Arcelor Mittal auf eine klimaneutrale Produktion nur bedingt möglich. Denn darüber hinaus müssen auch neue Offshore-Windparks und Stromleitungen sowie eine Wasserstoffinfrastruktur gebaut werden. Auch Genehmigungsfristen spielen für eine schnelle Umsetzung der geplanten Projekte eine wichtige Rolle.

Das Land Bremen hat darauf nur begrenzten Einfluss. Hier ist die Bundesregierung gefragt. Land und Bund, Wirtschaftssenatorin Vogt und Klimaminister Habeck, müssen daher Hand in Hand arbeiten. Wie dies gelingen könnte, darüber kann sich Habeck heute in Bremen ein Bild machen.

  • Wie kann die Stahlproduktion in Bremen klimafreundlicher werden?

    Die Stahlwerke sind für fast 50 Prozent der gesamten Emissionen in Bremen verantwortlich. Das ist zu viel, sagt die Bremer Enquete-Kommission.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Vier-News, 16. Juni 2022, 6 Uhr