Interview

Neuer Polizeichef in Bremerhaven: So will er die Stadt sicherer machen

Der Polizeichef von Bremerhaven: Volker Ortgies.

Neuer Polizeichef in Bremerhaven: So will er die Stadt sicherer machen

Bild: Radio Bremen | Carolin Henkenbehrens

Seit wenigen Tagen leitet Volker Ortgies die Bremerhavener Polizei. Im buten-un-binnen-Interview spricht er über seinen Job, seine Ziele und das Sicherheitsgefühl der Bürger.

Herr Ortgies, es ist Ihre erste Woche als neuer Polizeichef in Bremerhaven. Haben Sie sich schon an diesen Titel gewöhnt?

Nein, die Frage kann ich relativ deutlich beantworten. Ich glaube, das wird tatsächlich eine ganze Zeit dauern, bis ich mich an die neue Rolle gewöhnt habe.

Sie sind seit 25 Jahren bei der Polizei. Sie haben beim G8-Gipfel in Heiligendamm eine Hundertschaft geleitet, waren in der Verkehrsabteilung der Polizei, im Präventionsrat der Stadt und dann fünf Jahre im Führungsstab der Polizei Bremerhaven. Können Sie sagen, was Ihr persönliches Highlight war?

Eine einzelne Situation oder einen einzelnen Bereich herauszunehmen, fällt mir wirklich schwer. Wobei, ich glaube tatsächlich, die Geschäftsführung des Präventionsrats in Bremerhaven war das, was mich nachhaltig geprägt hat. Weil ich dort die Netzwerke in Bremerhaven kennenlernen durfte, die gute Zusammenarbeit und auch polizeiliche Arbeit mal aus einer ganz anderen Perspektive betrachten durfte. Wir haben in meiner Zeit als Geschäftsführer ganz viele Präventionsprojekte umgesetzt. Theaterprojekte, Musikprojekte, wo man sich natürlich erst einmal fragt: Was hat jetzt Polizei mit Theaterprojekten zu tun? Aber tatsächlich ist es da gelungen, zum Beispiel mit sogenannten 'problematischen' Jugendlichen, Dinge umzusetzen, die vorher nie jemand erwartet hätte.

Ist Prävention aus ihrer Sicht schon genügend verankert bei der Polizei?

Ja. Ich glaube, der Gedanke von Prävention ist in ganz vielen Köpfen definitiv verankert. Aber mehr geht natürlich immer.

Eines Ihrer Ziele ist es, die Personalausstattung der Polizei Bremerhaven zu verbessern. Wie kritisch ist die Lage?

Als kritisch würde ich es jetzt im Augenblick nicht bezeichnen. Wir haben ja durchaus auch in der kürzeren Vergangenheit gesehen, dass wir durchaus in der Lage sind, Einsatzlagen zu bewältigen. Wir müssen aber auch wahrnehmen, dass es uns immer schwerer fällt, tatsächlich Herr der Lage zu bleiben oder auch, wie wir im Polizeijargon sagen, vor die Lage zu kommen, weil so viele Herausforderungen auf uns einprasseln. Die Rahmenbedingungen werden immer komplexer, was auch Auswirkungen auf unsere Arbeit hat.
Und in einer kleinen kommunalen Polizei ist es natürlich häufig so, dass Arbeit an einzelnen Personen oder einzelnen Funktionen hängen bleibt. Wenn dann mal jemand im Urlaub ist oder krankheitsbedingt ausfällt, dann kann das definitiv schon zu Lücken führen.

Wenn wir zu den einzelnen Herausforderungen oder Feldern der Polizeiarbeit kommen, was ist da aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung?

Es gibt natürlich diverse Herausforderungen, die uns hier in Bremerhaven vor der Brust stehen. Wir haben eine Entwicklung in den Online-Medien im Internet, die uns tatsächlich mit Sorge umtreibt. Da geht es um Straftaten, die im Internet begangen werden oder auch Betrügereien zum Nachteil älterer Menschen. Es geht um Verbreitung von Falschinformationen. Wir haben ja vor kurzem erlebt, welche Auswirkungen das haben kann.
Aber insbesondere die technische Entwicklung hat natürlich auch intern eine Auswirkung: Wir müssen uns einstellen auf solche Kriminalitätsphänomene, müssen unsere Technik modernisieren. Dafür braucht es wiederum den Einsatz von Ressourcen. Andere Phänomene, die vielleicht nicht so im öffentlichen Bewusstsein sind; das ist die Kriminalität in puncto Einfuhr von Rauschgift über den Bremerhavener Hafen, das sind Phänomene wie Wohnungseinbruchsdiebstahl und Kellereinbrüche.

Ein Problem sind Fake News und Gerüchte in sozialen Medien, wie wir kürzlich bei der Gewalttat am Lloyd-Gymnasium gesehen haben. Das hat zu zusätzlicher Verunsicherung geführt. Wie kann man dieses Problem in den Griff bekommen?

Wir reagieren da drauf, indem wir selber verifizierte Informationen über unsere Online-Medien verbreiten. Und ich kann natürlich nur jeden dazu auffordern, sich genau dort oder auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zu informieren. Man sollte nicht auf Informationen hören, die durch dubiose Personen oder Kanäle verbreitet werden. Es ist für die Polizei ausgesprochen schwierig, auf Falschinformationen zu reagieren. Wir können letztendlich nur unsere Informationen dagegensetzen. Anders ist es, wenn möglicherweise die Schwelle zu Straftaten überschritten wird. Da sind wir dann natürlich wieder aufgefordert und gehen auch konsequent vor.

Es gab im Nachhinein des Vorfalls am Lloyd-Gymnasium viel Lob für die Polizei und auch für das Verhalten der Schule, um eine Eskalation zu verhindern. Ziehen Sie trotzdem Lehren aus diesem Fall?

Ja, definitiv, also auch das möchte ich noch mal an dieser Stelle ganz deutlich machen: Die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten – Polizei, Feuerwehr, Schule, ganz viele externe Seelsorger, Psychologen – hat nach meiner Wahrnehmung ausgezeichnet funktioniert. Trotzdem gibt es natürlich immer Dinge, die man hinterher überprüfen muss, wo sich möglicherweise auch Optimierungspotenziale ergeben. Insofern wird gerade in einer Sicherheitskonferenz im Magistrat mit all den Akteuren zusammen genau dieses Feld beleuchtet. Wir schauen an welcher Stelle wir möglicherweise Zusammenarbeit noch verbessern können, an welcher Stelle möglicherweise technische Einrichtungen an Schulen verbessert werden können, an welcher Stelle wir als Polizei unsere Einsatzkonzeption möglicherweise anpassen müssen. Das ist aber ein ganz normaler Prozess, der im Grunde nach jeder größeren Lage im Bereich der Polizei stattfindet.

Derzeit werden Menschen in Bremen und Bremerhaven vom Landeskriminalamt befragt, wie sicher sie sich fühlen. Wie sicher ist Bremerhaven aus Ihrer Sicht?

Ich habe natürlich jetzt nicht nur in meiner neuen Funktion einen sehr guten Einblick, was die objektive Sicherheitslage betrifft. Dort stellen wir fest, dass die Kriminalitätszahlen sich seit Jahren zurückentwickeln. Was andersherum nicht bedeutet, dass die subjektive Sicherheit auch zunimmt, weil die durch ganz viele andere Faktoren beeinflusst wird. Darauf können wir als Polizei vielleicht nur indirekt, oder auch gar nicht einwirken.

Welche zum Beispiel?

Sie haben schon die sozialen Medien angesprochen. Die Medienwelt heutzutage, die Botschaften, die dort verbreitet werden, haben natürlich auf jedes Individuum ihre Auswirkungen. Und das sind Faktoren, die in der Bewertung der subjektiven Sicherheit durch jeden einzelnen persönlich bewertet werden, vor dem Hintergrund seiner Erfahrung, seiner Sozialisierung. Kriminalitätsfurcht ist also im Grunde genommen ein individuell ausgeprägtes Gefühl. Und auf Gefühle Einfluss zu nehmen, ist natürlich unglaublich schwierig. Trotzdem ist es für uns als Polizei wichtig zu wissen, wie sicher oder unsicher fühlt sich die Bevölkerung. Mir ist es auch ein persönliches Anliegen, diejenigen, die angeschrieben werden, darum zu bitten, an dieser Befragung teilzunehmen, damit wir als Polizei auch ein etwas deutlicheres Bild davon haben: Wie sicher oder unsicher fühlt sich die Bevölkerung? Gibt es Orte, die man mittlerweile meidet? Wie zufrieden oder möglicherweise auch unzufrieden ist man mit der Polizei? Also ganz viele Dinge, die uns als Polizei helfen, sich für die Zukunft besser aufzustellen.

Polizei berät Bürger in Bremerhaven in Sicherheitsfragen

Bild: Radio Bremen

Autorin

  • Carolin Henkenberens
    Carolin Henkenberens Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Das Wochenende aus Bremerhaven, 5. Juni 2022, 10:40 Uhr