Interview

Warum schlechte Laune gar nicht schlecht ist – und sogar kreativ macht

Person sitzt am Tisch und hält ein Stück Pappe vors Gesicht, mit einem umgedrehten Smiley (Symbolbild)

Plädoyer für die schlechte Laune: Warum wir mehr Miesepeter brauchen

Bild: Imago | Photothek/Beatrice Jansen

In Zeiten von Coaching und Selbstoptimierung steht es nicht gut um die schlechte Laune. Warum wir uns ihr ab und zu hingeben sollten, erklärt Autorin Andrea Gerk im Gespräch mit Bremen Zwei.

Viele von uns sind wohl eher zu Zwangsoptimisten erzogen worden – Freude ist gut, schlechte Laune nicht. Andrea Gerk hat darüber ein Buch geschrieben mit dem Titel "Lob der schlechten Laune". Im Gespräch mit Bremen Zwei erklärt sie, warum Übellaunigkeit manchmal notwendig ist, um produktiv zu sein.

Angesichts aktueller Krisen ist es verständlich, dass man manchmal gar nicht mehr richtig den Kopf nach oben kriegt. Viele Menschen schalten schon gar keine Nachrichten mehr ein, weil sie sonst schlechte Laune bekommen. Frau Gerk, wie wollen Sie uns die schlechte Laune schmackhaft machen?

Sie haben es ja schon gesagt: Man kriegt schnell schlechte Laune, nicht nur im Moment, aber im Moment besonders. Einmal die Nachrichten gehört, dann geht die Stimmung ja schon ein bisschen in den Keller. Aber es gibt auch sonst viele Gründe, um schlecht gelaunt zu sein. Manchmal ist man einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden, oder man ist jung und soll sein Zimmer aufräumen. Oder man hat Stress auf der Arbeit oder Beziehungsprobleme.

Ich finde, fast die schönste schlechte Laune ist die, wenn man morgens aufwacht und eigentlich gar nicht weiß, warum man schlecht gelaunt ist. Da steckt unheimlich viel Potenzial drin.

Andrea Gerk, Autorin

Und das wollen wir jetzt von Ihnen wissen: Sie haben die Situationen aufgezählt, in denen man schlecht gelaunt ist. Aber warum kann das denn auch gut sein?

Genau das hat mich auch interessiert, weil ich selbst zur schlechten Laune neige und dachte: Ich habe einen Mann, eine Familie und einen breiten Freundeskreis – ganz so schlimm scheint es ja nicht zu sein. Wenn man zur Überllaunigkeit neigt, woran könnte das denn liegen? Hat man dann vielleicht andere Qualitäten? Ich habe mich dann sehr gefreut, dass ich auf so vielfältigen Ebenen fündig geworden bin. Dass schlechte Laune etwas ist, was wirklich offenbar produktiv und kreativ macht. Sonst gäbe es auch nicht so viele Künstler, Literaten und kluge Denker, wie Isaac Newton, Arthur Schopenhauer, Ludwig van Beethoven. Die waren alle legendär schlecht gelaunt. Oder auch wenn man an die Tatort-Kommissare denkt – die sind alle immer schlecht gelaunt und im Krimi gehört das fast schon zum Rollenmerkmal von Kommissaren dazu. Die haben ja auch nicht viel zu lachen, bei dem was die da alles sehen. Und das scheint eben eine Antriebsfeder zu sein, um aus dem Knick zu kommen und etwas zu machen.

Die ARD zeigt ja gerade Skispringen und es läuft nicht so richtig gut für die deutschen Springer. Die werden jetzt auch schlecht gelaunt in das nächste Springen gehen. Wie schafft man es denn, aus der schlechten Laune wieder Potenzial zu schöpfen?

Für die Recherche an dem Buch habe ich damals auch mit Emotionsforschern und Psychologen gesprochen und die meinten, dass Laune an sich schon mal immer etwas Vorübergehendes ist. Das sagt ja schon der Begriff: Laune kommt von Luna – dem Mond – der wechselt auch schnell. Und sobald das etwas ist, was sich chronisch darstellt, ist es keine Laune mehr. Das heißt, man kann es locker nehmen, weil man eigentlich weiß: Wenn ich jetzt schlecht gelaunt bin, bin ich es in paar Stunden später wahrscheinlich nicht mehr. Das kann man übrigens gut an Schulkindern beobachten. Die kommen oft muffelig aus der Schule nach Hause und je mehr man dann nachfragt, werden die immer übellauniger.

Das beste Rezept ist, jemanden einfach in Ruhe zu lassen und sich der schlechten Laune auch mal hinzugeben. Und dann kommt meistens von alleine schon wieder der Antrieb.

Andrea Gerk

Ich habe mich auch mit dem Philosophen Wilhelm Schmid, der viele tolle Bestseller über die Lebenskunst geschrieben hat, über schlechte Laune unterhalten. Der sagte, wenn wir nicht schlecht gelaunt sind, sondern zufrieden mit allem, legen wir uns in den Liegestuhl, essen ein Eis und machen einfach nichts. Und diese Sportler, die sie gerade angesprochen haben, die haben jetzt schlechte Laune, weil sie nicht das erreicht haben, was sie sich vorgenommen haben. Aber genau in dieser Unzufriedenheit liegt dann wahrscheinlich auch der Antrieb, das nochmal anzugehen und sich mehr anzustrengen.

Gibt es denn eigentlich auch einen Ratschlag für Menschen, die mit anderen Leuten zu tun haben, die schlecht gelaunt sind?

Ja, absolut gibt es da Tipps. Seitdem ich mit dem Buch fertig bin, muss ich ehrlich gesagt immer grinsen, wenn mich jemand an der Supermarktkasse oder im Kollegenbereich anmuffelt, weil ich so viele Komödien gesehen und gelesen habe, in denen man richtig Spaß hat an schlechter Laune. Denken wir an Jack Nicholson in "Besser geht’s nicht", an die Theaterstücke von Thomas Bernhard – das lebt alles von der schlechten Laune. Und ich stelle mir in solchen Moment oft vor, ich wäre in so einem Thomas Bernhard Stück. Dann muss ich ein bisschen darüber schmunzeln und sehe, dass da oft ein großes komödiantischen Potenzial in dem Geschimpfe und Gemuffel steckt.

Und man muss sich nur mal wieder die Videos von Klaus Kinski am Filmset angucken, dann weiß man auch, wie unterhaltsam schlechte Laune sein kann.

Unbedingt!

Autor

  • Keno Bergholz
    Keno Bergholz Moderator

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 6. November 2022, 17:15 Uhr