Fragen & Antworten
Streit um Parken auf Bremer Gehwegen: Was ist überhaupt das Problem?
Ein Urteil des Bremer Verwaltungsgericht fordert den Senat auf, mehr gegen sogenanntes aufgesetztes Parken zu tun. Der Senat legt jetzt dagegen Berufung ein.
Was ist überhaupt das Problem mit Parken auf dem Bürgersteig?
Kostenlose Parkplätze in Bremen sind rar – besonders in den Wohnvierteln. Deswegen parken viele Autofahrer auf den Bürgersteigen der Wohnstraßen. Die Viertel sind eng bebaut, die Straßen sind schmal und häufig beidseitig voll mit parkenden Autos – und damit auch häufig die Bürgersteige. Und dieses sogenannte "aufgesetzte Parken" stört vor allem Anwohnerinnen und Anwohner. Häufig bleibt weder Platz für Rettungsfahrzeuge auf den Straßen, noch für Fußgänger auf den Bürgersteigen. Gerade wer mit Kinderwagen, Rollstuhl oder ähnlichem unterwegs ist, hat mancherorts kein Durchkommen und muss auf die Straße ausweichen.

Genau deswegen haben fünf Anwohnerinnen und Anwohner sich an das Bremer Amt für Straßen und Verkehr (ASV) gewendet. Die Anwohnenden haben Anträge gestellt, dass die Parksituation von drei Straßen in Bremen vom ASV geprüft wird: Die Biebricher Straße in der Neustadt, die Timmersloher Straße in Findorff und die Mathildenstraße im Viertel. Die Verkehrsbehörde hatte sich bisher allerdings geweigert etwas gegen das Parken auf dem Gehweg zu tun. Deswegen haben die Anwohnerinnen und Anwohner Klage beim Verwaltungsgericht Bremen eingereicht – und einen Teilerfolg erzielen können.
Was hat das Bremer Verwaltungsgericht entschieden und was bedeutet das?
Das Gericht hat die Verkehrsbehörde verpflichtet, den Antrag der Anwohnerinnen und Anwohnern erneut zu prüfen. Der Anwalt der Anwohnenden begrüßt das Urteil: Die Verkehrsbehörde sei zuständig und könne etwas tun, so Andreas Reich. Beide Seiten können gegen das Urteil Berufung einlegen. Das Bremer Verkehrsressort hat in Abstimmung mit dem Innenressort am 1. März angekündigt, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vor dem Oberverwaltungsgericht vorzugehen.
Warum stört den Bremer Senat das Urteil des Verwaltungsgerichts?
Auf den Laien mag das Urteil erst einmal nicht sonderlich weitreichend klingen. Immerhin soll die Verkehrsbehörde nur die Anträge der Anwohnerinnen und Anwohner neu prüfen. Also konkret: was kann in diesen drei betroffenen Straßen gegen das Parken auf Bürgersteigen getan werden. Bremens Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) und Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sehen die Tragweite des Urteils aber größer. Sie sehen in dem Urteil nicht nur Auswirkungen für die ganze Stadt – Senatorin Schaefer geht sogar einen Schritt weiter:
Kommt das Oberverwaltungsgericht zu dem gleichen Ergebnis, hat dies natürlich erst recht Auswirkungen auf Bremen. Zudem wäre eine Ausstrahlung für ganz Deutschland gegeben, was für die Verkehrswende, für die Barrierefreiheit und auch für die Rettungssicherheit von hoher Bedeutung ist.
Maike Schaefer, Senatorin
Innensenator Mäurer und Verkehrssenatorin Schaefer sind sich einig, dass die Situation in vielen Stadtteilen nicht mehr haltbar ist. Viele Anwohnerinnen und Anwohner leiden darunter, dass die Gehwege oft nicht mehr benutzbar sind. Mäurer erwidert, dass es Alternativen bräuchte: "Einfach nur geparkte Autos abzuzetteln, bringt uns nicht weiter: Die Fahrzeuge lösen sich ja nicht einfach in Luft auf."

Darf ich abgeschleppt werden, wenn ich auf dem Bürgersteig parke?
Grundsätzlich gilt: wer durch das parkende Auto die Verkehrssicherheit gefährdet wird abgeschleppt. Seit April 2021 gilt in Bremen eine zusätzliche Regelung. Aufgesetzt parkende Wagen - also auf Bordsteinen oder Bürgersteigen parkende Fahrzeuge - dürfen abgeschleppt werden, wenn für Fußgänger weniger als 1,50 Meter Platz bleiben.
Bedeutet das Gerichtsurteil, dass alle auf Bürgersteig-Parkenden geahndet werden müssten?
Je nachdem, ob sie falsch parken oder nicht. Wenn das Urteil so wie vom Verwaltungsgericht gefordert umgesetzt werden würde, müssten die Verkehrsüberwacher in allen Wohnstraßen, gleichgültig wie die konkrete Situation vor Ort ist, Ordnungswidrigkeitenanzeigen schreiben. Derzeit haben die Verkehrsüberwachenr aber ein Ermessen, nur dort Anzeigen zu schreiben, wo das Parken zu gefährlichen Situationen und damit zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit führen kann, so Mäurer. Außerdem gebe es mit "Parken in Quartieren" bereits ein Konzept gegen das Zuparken von Wohnstraßen. Verkehrssenatorin Schaefer ist der Meinung, das sei vom Verwaltungsgericht zu wenig berücksichtigt worden.
Sollte das Oberverwaltungsgericht zum gleichen Urteil kommen wie das Verwaltungsgericht Bremen, könnte das ein Präzedenzfall für ganz Deutschland sein. Damit wären von Gehweg-Parkern genervte Anwohnerinnen und Anwohner dazu befähigt die Verkehrsbehörden zu verpflichten, gegen Falschparkende vorzugehen.
Was steckt hinter dem Projekt "Parken in Quartieren"?
Bereits 2019 hat der Senat einen Beschluss mit langem Namen gefasst: "Verkehrswende in Bremen gestalten durch Teilfortschreibung und Umsetzung des Verkehrsentwicklungsplans Bremen 2025". "Parken in Quartieren" ist ein Teil davon. In dem Strategiepaier stellen die Grünen-Politikerin Schaefer und Innensenator Mäurer von der SPD konkrete Ziele vor: Ordnung und Lenkung des Parkens im öffentlichen Raum; Parkraummanagement und Bewohnerparken in Wohnquartieren mit Intensivierung der Parkraumüberwachung und Begleitmaßnahmen (Carsharing, Fahrradparken). Die östliche Vorstadt und Findorff dienen zurzeit als Pilotprojekte.

Gibt es schon konkrete Pläne?
In Findorff gibt es bereits einen Betriebsplan für die Neuordnung der Straßenräume. Dieser kann auf der Ortsamts-Website eingesehen werden, und umfasst das gesamte Karree zwischen Eickedorfer Straße, Plantage, Findorff- und Hemmstraße. Ende März soll auch das Bürgerbeteiligungsverfahren dazu anlaufen, samt Begehungen und Onlinetool. Wenn das aufgesetzte Parken in sämtlichen Straßen des Plangebiets konsequent unterbunden werden sollte, müssten mehrere Hundert Fahrzeuge auf Stellplätze außerhalb des Quartiers ausweichen.
Was sagen andere Bremer Stimmen zum Thema?
Grundsätzlich befürwortet auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. das Konzept "Parken in Quartieren". Es weise in die richtige Richtung. Allerdings bezweifelt der ADFC, dass die Umsetzung in absehbarer Zeit flächendeckend erfolgen kann. In einigen Stadtteilen werde es zu Verbesserungen kommen, während andere weiterhin auf Jahre zugeparkt bleiben würden. Deswegen fordert der ADFC eine schnelle und Platz schaffende Lösung für ganz Bremen.

Die Bremer FDP äußerte sich besorgt über die Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts. Wenn nun konsequent gegen Bordstein-Parker vorgegangen werde, sei das Parken in den betroffenen Straßen und Stadtteilen unmöglich. Damit würden schlagartig zehntausende Parkplätze wegfallen, der Parkdruck und der Parksuchverkehr in Stadtteilen wie dem Viertel oder Schwachhausen würden ins Unermessliche steigen, so die FDP. Der Landesvorsitzende der Partei, Thore Schäck, fordert deswegen Alternativen in Form von sogenannten Quartiersgaragen in den einzelnen Vierteln.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 1. März 2022, 18 Uhr