Womit Bremen rechnen muss, falls Nord Stream 1 dauerhaft dicht bleibt

Seit heute wird die Gaspipeline Nord Stream 1 gewartet. Einige Experten befürchten, dass sie zum politischen Druckmittel im Ukraine-Krieg werden könnte.

Drastische Preissteigerungen und ein drohender Energie-Notstand: Gut vier Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine machen sich Politiker weiter sorgen um die Gasversorgung in Deutschland. Denn wegen der Wartungsarbeiten an der Gaspipeline Nord Stream 1, die am Montag gestartet wurden, fließt jetzt noch weniger Gas nach Deutschland.

Experten befürchten, dass Nord Stream 1 als politisches Druckmittel missbraucht werden könnte und dass Russlands Präsident Wladimir Putin den Gashahn dauerhaft dicht lässt. Was würde das für Bremen bedeuten? Der Energieversorger EWE hat angekündigt, dass Privathaushalte im Monat bis zu 400 Euro mehr bezahlen werden. Doch ist überhaupt genug Gas für den Winter da? Wir klären, wie sich die Versorger auf eine mögliche Gasknappheit im Herbst vorbereiten.

Bremen ist auf andere Erdgasspeicher angewiesen

Da Bremen keine eigenen Gasspeicher hat, ist der Energie-Grundversorger SWB auf Vorräte anderer Erdgasspeicher wie aus dem niedersächsischem Rehden angewiesen. Nach Angaben vom SWB-Chef Torsten Köhne kauft die SWB ihr Gas "rollierend" ein. Das heißt also, von unterschiedlichen Anbietern und zu unterschiedlichen Preisen. Dieser Preismix steige stetig und habe sich im Vergleich zum Vorjahr versechsfacht.

Der Gaspreis bei der SWB ist zum 1. Juli 2022 um 20 Prozent gestiegen. Köhne rechnet zum Jahresende mit einem weiteren Preisanstieg um weitere 20 Prozent. Wer zuerst weniger Gas bekommt, entscheidet die Politik. Die SWB steht schon mit Großverbrauchern im Austausch.

Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven kann Aushilfe schaffen

Ob die Gasversorgung im Winter in Bremen gesichert ist, konnte SWB-Chef Thorsten Köhne aber nicht sagen. Es hänge auch davon ab, ob die Versorger mehr andere Quellen nutzen können – beispielsweise Flüssiggas (LNG) aus den USA. Damit das Gas in Bremen genutzt werden kann, muss es an einem Flüssiggasterminal verladen werden, der in Wilhelmshaven gebaut werden soll. Im Dezember könnte die Anlage fertig sein.

Die Landesregierung in Niedersachsen zeigt sich begeistert. "Wir sind sehr froh, dass es nun auch sichtbar losgeht", teilte der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies mit. Allerdings sind Umweltverbände weiterhin dagegen. Sie befürchten, dass mögliche Umwelt-Folgen und Risiken nicht vernünftig geprüft wurden. Über das LNG-Terminal sollen bis zu 7,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr umgeschlagen werden. Das sind etwas weniger als zehn Prozent des jährlichen Gasbedarfs in Deutschland.

Warum der Gasspeicher in Rehden so wichtig ist

Ein Gasspeicher, der eine sehr wichtige Rolle bei der Versorgung der Haushalte mit Gas im Herbst und Winter spielt, ist der Gasspeicher in Rehden im Kreis Diepholz. Er ist der größte Erdgasspeicher in Deutschland und wird deshalb jetzt stetig gefüllt.

Anfang Juni war der Speicher nur zu gut drei Prozent voll, jetzt sind es bereits um die 25 Prozent und im November sollen es 90 Prozent sein. Es ist ein Porenspeicher, das heißt bis Anfang der 90er Jahre wurde hier Gas gefördert. Seitdem werden die dadurch entstandenen Löcher im Gestein wieder mit Gas gefüllt und mit hohem Druck zwei Kilometer unter die Erde gepresst. Je mehr drin ist, desto schwieriger wird das Auffüllen. Der Betreiber Astora ist zuversichtlich, dass er das Ziel erreichen kann. Dennoch gebe es viele Unsicherheiten, sagt Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller.

Es hängt davon ab, was in Moskau entschieden wird. Nämlich ob Nord Stream 1 komplett auf null gesetzt wird und dann liegt es an uns ob es uns gelingt, Gaskraftwerke in der Verstromung abzuschalten.

Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur

Dann hinge es im Wesentlichen an Norwegen, Finnland und Holland, die maßgeblich dazu beitragen die deutschen Speicher zu füllen, sagte Müller. "Ein Viertel ist geschafft, drei Viertel liegt noch vor uns, aber jeder kann im Industriebetrieb oder im Privathaushalt dazu beitragen. Denn je weniger wir verbrauchen, desto mehr können wir einspeichern."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 11. Juli 2022, 07:36 Uhr