Interview

Neue Spielzeit am Stadttheater Bremerhaven: "Vielfalt ist gelungen"

Ein Mann mit Brille hält zwei magazine in die Kamera.

Neue Spielzeit am Stadttheater Bremerhaven: "Vielfalt ist gelungen"

Bild: Radio Bremen | Boris Hellmers

Intendant Lars Tietje geht in seine zweite Spielzeit am Stadttheater Bremerhaven. Was hält Bremen-Zwei-Theaterredakteur Marcus Behrens vom künftigen Programm?

Wenn die Theaterhäuser ihre neuen Spielpläne vorstellen, ist der Sommer meist nicht mehr weit. Nun hat Intendant Lars Tietje (Foto oben) die Pläne für seine zweite Spielzeit am Stadttheater Bremerhaven präsentiert – Tietjes erste Saison, die voraussichtlich nicht mehr von der Pandemie bestimmt wird. Beginn ist im September, Bremen-Zwei-Theaterredakteur Marcus Behrens gibt seine Einschätzung zu den Plänen.

Was sollte man sich in der nächsten Spielzeit nicht entgehen lassen?

Goethes "Werther" als lyrisches Drama in der Regie von Sam Brown, der mit seiner Bremerhavener Inszenierung der lange verschollenen "The Lodger" für den International Opera Award nominiert war. Außerdem den dreiteiligen Abend "Ballet Latino", mit dem sich der neue Ballettchef in Bremerhaven, Alphonso Palencia, nicht nur vorstellen will, sondern auch die Verbindung zur Stadt sucht. Und "Der große Aufbruch", ein ziemlich ungewöhnliches Stück über einen Abschied, das vor fünf Jahren seine Uraufführung in Regensburg hatte und nun in Bremerhaven auf die Bühne kommt.

Marcus Behrens
Marcus Behrens ist Theaterredakteur bei Radio Bremen. Bild: Radio Bremen | Marissa Kimmel

Ist die Auswahl der Stücke in den unterschiedlichen Sparten gelungen?

Die Vielfalt ist gelungen. Vor allem im Musiktheater. Dort geht es von Verdis "Macbeth" über das Musical "Haispray" und eine seit Jahren bereits geplante "Werther"-Oper bis hin zur Deutschen Erstaufführung der Opernadaption des Films "Breaking the Waves" von Lars von Trier. Auch das Schauspiel plant Bekanntes, wie zum Beispiel Shakepeares "Viel Lärm um Nichts", Lustiges wie den "Messiahs" und Unbekanntes wie "Gift". Hier fehlt mir ein wenig der Mut zu unbekannteren Stoffen.

Erwähnen will ich an dieser Stelle ausnahmsweise auch, dass ich das Programm des Philharmonischen Orchesters Bremerhaven, das sich das Motto "natürlich" für die neue Spielzeit gegeben hat, sehr abwechslungsreich finde. Insbesondere "A Forest of Flowers" (Foresta di FIori) des italienischen "Kompomisten in Residenz" Mauro Montalbetti macht mich neugierig.

Es wird die erste Spielzeit des neue Ballettchefs sein – was wird sich noch ändern im Herbst?

Wie viel sich beim Ballett ändern wird, muss sich noch herausstellen. Neben dem mehrteiligen Latino-Abend wird es auch ein klassisches Handlungsballett geben – das Märchen "Dornröschen". Natürlich ist die Handschrift von Alphonso Palencia grundlegend anders, als die von Sergei Vanaev, der 15 Jahre lang Chef der Sparte war. Aber im Ensemble ändert sich kaum etwas. Das finde ich ungewöhnlich – denn beim Wechsel des Chefchoreographen ist es eher ungewöhnlich, dass das Ensemble nahezu unverändert bleibt.

Insgesamt breiten alle Sparten ihre Arme ganz weit aus – vor allem auch um das Publikum zurück ins Theater zu holen, das während der Pandemie verloren gegangen ist. Das also verlernt hat, sich vom Sofa zu erheben, um Kultur "außer Haus" zu entdecken. Deshalb, so haben es alle im Leitungsteam mehrfach unterstrichen, wird in der kommenden Spielzeit mehr als sonst auf bekannte Stücke gesetzt. Abzuwarten bleibt, was die Künstlerinnen und Künstler – von Regie über Ensemble bis zum Orchester – daraus machen.

Wie hat sich Lars Tietje als Intendant in seiner ersten Spielzeit geschlagen?

Lars Tietje steht nach wie vor in der zweiten Reihe, überlässt seinem Leitungsteam die Bühne. Das hat er von Anfang an in Bremerhaven so gehalten – durchaus eine Qualität als Führungskraft. Auf der anderen Seite habe ich aber das Gefühl, dass ihm auch ein wenig das Herzblut für die Inhalte fehlt. Auch das muss als Intendant nicht negativ sein, solange die einzelnen Sparten für sich überzeugen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 27. April 2022, 16:40 Uhr