Der Kampf Bremens gegen die Clankriminalität

Mit der Abschiebung von Ibrahim M. in den Libanon ist Bremen ein Schlag gegen die Clankriminalität geglückt. Das Phänomen begleitet das Land schon seit Jahren.

Absperrband der Polizei
Tatort Bremen: Der Clan hinter Ibrahim M. wird für viele Gewaltverbrechen verantwortlich gemacht. Bild: dpa | Swen Pförtner

Januar 2006

Auf der Bremer Diskomeile kommt es zu einer Schießerei unter rivalisierenden Gruppen. Laut Angaben der Polizei wurde erst ein Türsteher niedergeschlagen, der dann mit Verstärkung in einen Nachtclub eingedrungen sei und dort mehrere Schüsse abgegeben habe. Danach habe sich die Schießerei erst auf die Straße, dann in ein angrenzendes Parkhaus verlagert. Sechs Menschen werden teils schwer verletzt. Beim Gerichtsprozess vier Jahre später (siehe 2010) spricht der Vorsitzende Richter von einer "kalten, rücksichtslosen Vorgehensweise". Dass es keine Toten gegeben hat, sei reiner Zufall gewesen.

Der Vorfall ist vorläufiger Höhepunkt einer Serie an kriminellen Vorkommnissen, mit der sich Justiz und Polizei beschäftigen. Damit gelangt die Problematik der Clans nun auch ins öffentliche Bewusstsein. Als eine Folge der Schießerei gilt ab 2009 an der Diskomeile ein Waffenverbot.

Januar 2008

Nach einer Massenschlägerei zu Silvester in einer Bremer Diskothek entzündet sich auf einem Internet-Portal eine hitzige Debatte um die Vorfälle. Ein anonymer User, der sich "M." nennt, lässt in einem Kommentar durchblicken, dass es sich bei ihm, genau wie bei einem Beteiligten der Schlägerei, um ein Mitglied eines Clans handele. Dieser Clan könne kurzfristig 2.000 Leute zwischen Bremen und Berlin für Vergeltungsschläge mobilisieren, auch für Schläge gegen die Polizei.

März 2010

Die juristische Aufarbeitung der Schießerei auf der Diskomeile von 2006 endet mit Strafen, die über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgehen (sieben beziehungsweise acht Jahre Haft für ein Brüderpaar).  Die Richter sehen es laut Gerichtssprecher als erwiesen an, dass die Männer damals gezielt auf Personen geschossen haben. Im Verhandlungssaal des Landgerichts kommt es bei der Urteilsbegründung dem Gerichtssprecher zufolge zu Tumulten. Der Haupttäter war schon im Dezember 2007 wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und unerlaubten Waffenbesitzes zu zehn Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden.

Bremens Polizeipräsident Holger Münch richtet die Informationsstelle ethnische Clans (ISTEC) mit vier Vollzeitstellen ein. Die befasst sich mit den Strukturen "der ethnisch abgeschotteten Subkulturen mit dem Schwerpunkt der Bevölkerungsgruppe der Mhallamiye". Am Rande des Roland-Essens im November 2018 – Münch ist inzwischen Präsident des Bundeskriminalamtes – bekräftigt er, die Bundesländer bei der Bekämpfung dieser Strukturen weiter zu unterstützen.

Juni 2011

Das Magazin Stern veröffentlicht einen dreiseitigen Artikel mit der Überschrift "Die Bremer Stadt-Mafia". Dazu rechnet der Stern unter Berufung auf Polizeiangaben etwa die Hälfte eines "weitverzweigten Clans von Arabisch sprechenden Mhallamiye-Kurden, der allein in Bremen etwa 30 Familien mit 2.600 Angehörigen zählt." Allein im Jahr 2009, so der Stern, sollen 1.129 Straftaten auf das Konto von Clanmitgliedern gegangen sein: "vom einfachen Diebstahl bis hin zum Mord."

Dezember 2011

Ein Polizeiwagen steht vor dem Bremer Landgericht.
Fälle von Clankriminalität landen auch vor dem Landgericht Bremen. Bild: dpa | Carmen Jaspersen

Das Landgericht Bremen verurteilt zwei Clan-Angehörige unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Brüder sollen im September 2009 zusammen mit anderen Angreifern den Wirt und Gäste eines Lokals in der östlichen Vorstadt geschlagen und schwer misshandelt haben.

Dezember 2013

Aufgrund einer Anfrage der CDU-Fraktion diskutiert die Bremische Bürgerschaft über Straftaten durch Angehörige der Bremer Mhallamiye. Anlass war ein Überfall in der Neustadt, bei dem vier Bauarbeiter verletzt wurden. Laut Antwort des Senats sind im Jahr 2011 918 Straftaten durch Angehörige der Bremer Mhallamiye begangen worden, im Jahr 2012 816 Straftaten. Tatverdächtig sind insgesamt etwa 400 der rund 2.600 Bremer Mhallamiye.

Februar 2014

Die ARD strahlt den Radio-Bremen-Tatort "Brüder" aus, der in Bremen spielt. Es geht um kriminelle Machenschaften einer deutsch-arabischen Großfamilie, die sich weder durch die Polizei noch durch die Justiz aufhalten lässt. Der Film zieht heftige Diskussionen über Familienclans und die organisierte Kriminalität in Deutschland, insbesondere in Bremen nach sich.

März 2016

In der Notaufnahme des Klinikums Links der Weser kommt es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen zwei Großfamilien mit kurdisch-libanesischem Hintergrund. Wegen gefährlicher Körperverletzung werden später vier Brüder zu Haftstrafen verurteilt. Dreimal elf Monate auf Bewährung, einmal 13 Monate ohne Bewährung.

Juli 2017

"Kriminelle Clans in Bremen", so heißt eine große Anfrage der FDP-Fraktion an den Bremer Senat. Darin Fragen wie: "Wie viele Menschen in Bremen und Bremerhaven werden dem Umfeld der medial bekannten libanesisch-kurdischen Großfamilie zugeordnet?"

August 2018

Laut Polizei Bremen sind von den rund 3.500 in Bremen lebenden Familienmitgliedern gut die Hälfte den Sicherheitsbehörden bereits durch Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufgefallen.

Daniel Heinke, Chef der Kriminalpolizei: "Im Bereich des kriminellen Verhaltens dieser Clans gibt es keine klar strukturierten...ich nenne es mal "Geschäftsfelder". Wir stellen aber immer wieder fest, dass Personen aus diesem Milieu im Betäubungsmittelhandel tätig sind". Bremen gilt neben Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen als Hochburg für kurdisch-libanesische Familienclans.

Juli 2019

Bremer Behörden schieben Ibrahim M., einen führenden Kopf des Clans, in den Libanon ab.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. Juli 2019, 19:30 Uhr

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